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       # taz.de -- Biografie von Ex-Telekom-Topmanager: Treffen sich zwei Welterklärer
       
       > Thomas Sattelberger verordnete einst der Telekom die Förderung von
       > Frauen. Jetzt hat er mit Joschka Fischer über seine Autobiografie
       > gesprochen.
       
   IMG Bild: Knarzender Quotenmann der Republik: Thomas Sattelberger.
       
       BERLIN taz | Da ist dieses Knarzen in der Stimme. „Wenn’s nicht mehr passt,
       sollte man das Unternehmen verlassen“, schnarrt Thomas Sattelberger, lehnt
       sich im Sessel zurück und lächelt. Über ihm auf einer Leinwand prangt er
       noch einmal in Großformat, auf dem Cover seiner Autobiografie aus dem
       Murmann Verlag, die der ehemalige Topmanager am Mittwochabend in Berlin
       vorstellt.
       
       Neben ihm thront Joschka Fischer, früher Außenminister und jetzt
       Wirtschaftslobbyist. Vor ihnen ein Saal voller dunkler Herrenanzüge und
       schwarzer Damenkostüme. Um sie herum ein helles Fries aus Meißner
       Porzellan: eine Bäuerin, badende Kinder, Volleyball spielende Frauen.
       DDR-Idylle des DDR-Künstlers Günter Brendel im DDR-Staatsratsgebäude.
       
       Hier im einstigen Bankettsaal, wo die Nomenklatura der untergegangenen
       Diktatur Rotkäppchen-Sekt schlürfte und Ragout fin aß, werden Sattelberger
       und Fischer gleich über florierende Wirtschaft und Managementqualitäten,
       über deutsche Politik und die globalisierte Welt plaudern. Und natürlich
       über Sattelbergers Buch mit dem Titel „Ich halte nicht die Klappe“. Fischer
       ist an diesem Abend Sattelbergers Laudator. Fischer sagt: „Gut gemacht,
       Thomas.“ Lobhudelei auf schwäbische Art: Net g’schimpft isch g’nug gelobt.
       
       Sattelberger und Fischer kennen sich aus Kindertagen, aus der Unabhängigen
       Schülergemeinschaft (Fischer: „Ein geiles Grüppchen.“) in Stuttgart. Aus
       den Jungs mit maoistischen Anwandlungen wurden Männer von Welt.
       
       ## „Dafür bist du zu alt“
       
       Und wenn sich Männer von Welt unterhalten, klingt das ungefähr so. „Als
       Christian Wulff Ministerpräsident in Niedersachsen wurde, fragte er mich,
       ob ich bei ihm Kultusminister werde“, erzählt Sattelberger, zu jener Zeit
       Manager beim Automobilzulieferer Continental. Jetzt ist er Rentner. „Sollte
       ich in die Politik gehen?“, will Sattelberger wissen. „Immer“, brummt
       Fischer. Er füllt seinen Sessel gut aus. „Ist das nicht eine Ochsentour?“,
       fragt Sattelberger, 65. Fischer, 67: „Dafür bist du zu alt.“
       
       „Joschka hat als Jugendlicher gern die Welt erklärt“, knarzt Sattelberger.
       „Mach ich immer noch“, raunt Fischer. Und legt los: Lehman Brothers,
       Grexit, Deutschlands führende Rolle in der Welt. Dabei sollte es doch um
       das Buch seines langjährigen Freundes gehen. Egal, Hauptsache, prominent
       ausgeholt.
       
       Prominent war Thomas Sattelberger bis 2010 vor allem in Managerkreisen.
       Aber dann hielt er bei der Telekom, wo er damals Personalvorstand war,
       einfach nicht die Klappe. Er verordnete dem Unternehmen eine
       Frauenförderung der besonderen Art und gilt seitdem als der Quotenmann der
       Republik. Fortan war sein Knarzen fast jede Woche zu hören, im Radio, im
       Fernsehen, auf Podien.
       
       ## Weg vom Leiten, hin zum Dialog
       
       Als die Sache dann lief mit der Quote, zog er sich aus den Amtsgeschäften
       zurück – und schrieb dieses Buch. Darin breitet er sein Leben aus:
       Kindheit, Schule, Jugend, seine Stationen beim Autobauer Daimler, bei der
       Lufthansa und der Telekom. Seine Person steht wie keine andere für einen
       Kulturwandel in Unternehmen: weg vom starren Leiten hin zum Dialog mit der
       Belegschaft.
       
       Den Impuls dafür gaben FlugbegleiterInnen 2001 nach dem Anschlag auf das
       World Trade Center. Damals war Sattelberger bei der Lufthansa, 30 Prozent
       des Flugpersonals weigerten sich damals, zu arbeiten. Stattdessen schlugen
       sie vor, mit jenem, die trotz alledem in ein Flugzeug stiegen, zu reden:
       Wie geht es dir? Willst du wirklich fliegen? Seitdem lasse ihn das Thema
       nicht mehr los, sagt Sattelberger. Seitdem verstehe er sich als
       „politischer Manager“.
       
       Als solcher denke er gar nicht daran, die Klappe zu halten, schon gar nicht
       als Ruheständler. Er hätte da noch jede Menge Stoff für weitere Bücher.
       „Merkwürdige Art von Ruhestand“, sagt Fischer.
       
       19 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schmollack
       
       ## TAGS
       
   DIR Autobiografie
   DIR Telekom
   DIR Joschka Fischer
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   DIR Bündnis 90/Die Grünen
   DIR Schwerpunkt Feministischer Kampftag
       
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