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       # taz.de -- Das Geschäft mit der Holzkohle: Afrikas schwarzes Gold
       
       > Ohne Holzkohle kein warmes Essen – der Handel damit boomt. Es ist ein
       > gutes Geschäft, das Soldaten im Ostkongo nutzt und dem Wald schadet.
       
   IMG Bild: 30 Kilometer nordwestlich von Goma sind große Teile des Waldes abgefackelt
       
       GOMA taz | Mit einem Streichholz entzündet Claudine Matamba die Holzkohle.
       Es knistert, dann raucht und qualmt es. Um der Glut Sauerstoff zuzuführen,
       fächelt die 34-Jährige mit einem Stück Pappe. Eine Flamme lodert auf und
       Matamba stellt den Kochtopf auf den Holzkohleofen vor ihrer Holzhütte. „Die
       Bohnen müssen zwei Stunden bei niedriger Hitze köcheln“, erklärt sie. Sie
       legt ein paar Klumpen Kohle nach.
       
       Bis zu zehn dieser schwarzsilbrig glänzenden, rußigen Brocken sind nötig,
       um die Bohnen weich zu kochen. Holzkohle ist für Millionen von Frauen hier
       in dieser Gegend im Alltag unentbehrlich. Ohne das Brennmaterial bekommen
       sie ihre Familien nicht satt.
       
       Der enorme Holzkohleverbrauch hinterlässt Spuren. Wo einmal dichter uralter
       Wald stand, sieht man heute nur noch verbrannte Erde – soweit das Auge
       reicht. Auf dem kleinen Berg Karenga, 30 Kilometer nordwestlich von
       Ostkongos Provinzhauptstadt Goma, wo Claudine Matamba ihre Bohnen kocht,
       wird die ganze Naturkatastrophe auf einen Blick sichtbar: Im Tal, westlich
       der Flanken der aktiven Vulkane, steht kein einziger Baum mehr – nichts als
       abgefackelte Baumstümpfe. Hier und da steigen Rauchsäulen auf. Es riecht
       nach verbranntem Tropenholz: würzig, süßlich.
       
       Bis zu 80 Millionen Tonnen Holzkohle verfeuern Frauen wie Claudine Matamba
       in der Millionenstadt Goma und den angrenzenden Flüchtlingslagern jedes
       Jahr, besagen die jüngsten Studien der Umweltschutzorganisation WWF.
       Tendenz steigend. Das macht 20.000 Hektar Wald jährlich. 80 Prozent der
       Kohle kommen aus dem Virunga-Nationalpark, Afrikas ältestem
       Naturschutzgebiet. Hier sind die vom Aussterben bedrohten Berggorillas
       beheimatet.
       
       ## Lukrativer als der Mineralienhandel
       
       Nach kongolesischem Recht ist das Geschäft mit der Holzkohle illegal.
       Dennoch findet es statt, da Kongos Naturschutzbehörde ICCN keine
       Kapazitäten hat, den Nationalpark stetig zu überwachen. Zudem ist es
       gefährlich. Schwerbewaffnete Milizen hausen in dem dichten Unterholz, für
       die der Handel mit der illegalen Holzkohle ein Megageschäft ist. Bis zu 30
       Millionen Dollar, so die Schätzungen der Parkaufsicht, erwirtschaften die
       Rebellen durch den Kohlehandel im Jahr. Das ist fast noch lukrativer als
       der Mineralienhandel.
       
       Der Weg hinauf auf den Berg Karenga schlängelt sich durch dichtes Gebüsch
       und lichten Eukalyptuswald. Auch hier standen einst jahrhundertealte Bäume,
       doch diese sind schon längst verfeuert worden. Soldaten der kongolesischen
       Armee belagern hin und wieder die matschige Straße. Sie sind alt, mit
       grauen Bärten und tiefen Runzeln im Gesicht. Viele riechen schon am frühen
       Morgen nach Alkohol. Kongos Armee hat das sogenannte Service-Regiment hier
       stationiert: Alte und Invaliden, die nicht mehr kampffähig sind. Doch da
       die Armee keinen Pensionsfonds hat, werden die Rentner auf diese Weise
       versorgt beziehungsweise dort stationiert, wo sie sich mittels illegaler
       Geschäfte selbst unterhalten können.
       
       Ein alter Soldat in schmutziger Uniform verlangt 1.000 France (ca. 95 Cent)
       Wegzoll. Seine Hände zittern, als er die beiden schmuddeligen 500er-Scheine
       entgegennimmt. Neben ihm sitzt ein junger Mann in schwarzem Jogginganzug
       und Gummistiefeln. Der Alte salutiert und schlägt die Hacken zusammen, als
       er dem Jüngeren einen der Scheine überreicht. In der Hand hält der Jüngere
       ein knackendes Funkgerät. Er ist ein Kämpfer der ruandischen Hutu-Miliz
       FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), die seit 20 Jahren im
       Ostkongo aktiv ist. Das Geschäft mit der Holzkohle gilt als eine ihrer
       wichtigsten Einkommensquellen.
       
       ## Ein Dollar pro Fuhre
       
       Kräftige Männer in Flip-Flops und schmutzigen T-Shirts schieben ihr Fahrrad
       die morastige Straße entlang. Es sind alte, schwere aber stabile Räder. Auf
       dem Gepäckträger türmen sich vier Säcke voller Holzkohle, insgesamt über
       200 Kilo. Den Männern rinnt der Schweiß in die Augen. Sie stöhnen, als die
       Karawane zum Stehen kommt. Jeder muss an der Straßensperre 1.000 France
       bezahlen, erst dann geht es weiter. Sechs dieser illegalen Zollstationen
       passieren sie auf dem Weg nach Goma, berichten sie, während sie die Räder
       durch den Matsch wuchten. Es ist eine kräftezehrende Arbeit, doch keiner
       von ihnen verdient mehr als einen Dollar pro Fuhre. „Die Männer an den
       Straßensperren knöpfen uns alles ab“, sagt einer mit zusammengebissenen
       Zähnen.
       
       Im Dorf Karenga, das wie der Berg heißt, stehen Holzkohlesäcke rechts und
       links der schmalen Straße, wie Dominosteine aneinander gereiht. Fertig zur
       Abholung. Um sie herum spielen Kinder verstecken. Eine Frau kommt den Hügel
       hinauf. Barfuß geht sie auf den kantigen Lavasteinen. Ihr Oberkörper ist
       weit nach vorne gebeugt, denn auf ihrem Rücken lastet ein 60 Kilogramm
       schwerer Sack. Den Trageriemen hat sie um ihre Stirn geschnürt. Ihr
       Gesichtsausdruck ist ein stummer Schmerzensschrei. Fünf Stunden sei sie an
       diesem Morgen bereits marschiert. „Ich bin so erschöpft“, sagt sie und
       setzt ächzend den Sack ab. Ihre Schultermuskeln beben. Täglich schleppt sie
       einen Sack dieser Größe aus dem Wald nach Karenga. „Ich muss Geld
       verdienen, um meine acht Kinder zu ernähren.“
       
       Der Holzkohletransport sei die einzige Einkommensquelle weit und breit,
       berichtetet die Frau. Auch sie verdient daran nicht viel: Den Sack erwirbt
       sie im Wald für 3.000 France und verkauft ihn in Karenga für 5.500, davon
       muss sie 1.000 an der Straßensperre am Dorfeingang abgeben. Und wem kauft
       sie die Kohle im Wald ab?
       
       ## Redeverbot für die Frauen der Rebellen
       
       Während die Frau erzählt, kommen ein paar Männer heran, die neugierig
       zuhören und die junge Frau wegzerren mit dem Hinweis, sie solle nicht zu
       Fremden sprechen. Auch ein Hauptmann der Armee gesellt sich dazu, will
       wissen was los ist. Als die Männer außer Hörweite sind, fängt er an zu
       fluchen: „Die FDLR-Rebellen belagern uns hier und benutzen ihre Frauen zum
       Schleppen der Säcke, weil Frauen von der Parkverwaltung nicht verhaftet
       werden“, sagt er leise. Die Mehrheit der Einwohner Karengas seien
       FDLR-Angehörige, bestätigt er. Die Armee habe hier nichts zu sagen. Erneut
       nähern sich die Männer. Sie gucken den Armeeoffizier böse an. Dieser seufzt
       und geht davon. Es ist klar, wer hier das Sagen hat.
       
       Am Stadtrand von Goma, unweit des großen Flüchtlingslagers, parken die
       Männer ihre vollbeladenen Fahrräder entlang der Straße. Sie wuchten die
       schweren Säcke in eine Holzhütte. Rifiki Kahindo gibt Anweisungen, wie sie
       die Säcke stapeln sollen. Die füllige Frau reißt einen der Säcke auf und
       begutachtet die Holzkohleklumpen mit Argusaugen. „Und die kommt bestimmt
       aus dem Park?“, fragt sie. Einer der Männer nickt. Kahindo seufzt. „Die
       Kohle von den alten Bäumen brennt zwar besser, aber sie zerstört unsere
       Umwelt“, erklärt sie und entnimmt einem anderen Sack ein Stück zum
       Vergleich: „Diese hier stammt von den Eukalyptusbäumen, die man wieder
       aufforsten kann, das ist umweltschonender.“
       
       Die 50-Jährige ist Mitglied im Verband Frauen der Sonne, der sich für den
       Erhalt des Nationalparks einsetzt. Kahindo zeigt auf das Haus neben dem
       Kohleschuppen. Davor hocken ein Dutzend Frauen auf dem Boden und kneten aus
       Lehm die Form eines Holzkohleofens. Adeline Tsongo gibt ihnen Anweisungen.
       Die Psychologin hat den Verband gegründet, in dem mittlerweile 260 Frauen
       organisiert sind.
       
       „Die ursprüngliche Idee war, diesen Frauen, die Opfer sexueller Gewalt
       waren und im Flüchtlingslager leben, ein Handwerk beizubringen. Dann kam
       die Sache mit den Öfen dazu“, sagt sie und erklärt, wie die Öfen
       funktionieren. Sie sind mit einer Metallschicht ummantelt, die die Hitze im
       Inneren hält. So verbrauche man nur die Hälfte der Holzkohle, sagt Tsongo.
       66.000 Öfen hat ihr Verband seit 2009 verkauft. Tsongo lächelt stolz und
       sagt: „Damit haben wir schon jede Menge Bäume gerettet.“
       
       22 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schlindwein
       
       ## TAGS
       
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