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       # taz.de -- Brutaler Mord in der Türkei: Tausende Frauen protestieren
       
       > Das Verbrechen an Özgecan Aslan treibt Frauen auf die Straße. Ihre Wut
       > richtet sich auch gegen die zunehmende Islamisierung der Gesellschaft.
       
   IMG Bild: Protest in Istanbul.
       
       ISTANBUL taz | Tausende wütender Frauen sind am Samstag auf Trauermärschen
       durch Istanbul, Ankara, Izmir und viele weitere Städte im Westen des Landes
       gezogen. Ihre Wut galt einem Staat, in dem Frauen durch die zunehmende
       Islamisierung immer mehr entrechtet werden, ihre Trauer dem Tod von Özgecan
       Aslan, einer 20-jährigen Studentin, die in Mersin an der Südküste brutal
       ermordet worden war.
       
       Die Psychologiestudentin Özgecan Aslan fuhr mit einem Minibus von Tartus,
       wo sie zur Universität ging, nach Hause nach Mersin. Es war früher Abend.
       Bevor sie ankamen, leerte sich der Minibus und plötzlich war sie die Letzte
       im Bus. Ohne ein Wort zu sagen, bog der Fahrer in einen Feldweg ab und
       stürzte sich auf sie.
       
       Sie wehrte sich heftig gegen die drohende Vergewaltigung, bis der Fahrer
       ein Messer zog und sie ermordete. Anschließend fuhr der Mörder mit seinem
       Minibus zu seinem Haus und holte dort seinen Vater und seinen Cousin ab, um
       mit deren Hilfe die Leiche zu beseitigen. In einem abgelegenen Flussbett
       versuchten die drei, die Leiche zu verbrennen, was aber nicht vollständig
       gelang.
       
       Am Freitagabend fand die Polizei die verkohlten Überreste der jungen Frau
       und nahm wenig später die Täter fest. Diese sind geständig. Offenbar
       reichte es dem Fahrer des Minibusses, dass eine junge Frau abends allein
       unterwegs war, um sie als potenzielles Opfer zu betrachten.
       
       ## Islamistische Indoktrinierung
       
       Immer häufiger klagen Frauen darüber, dass sie nach Einbruch der Dunkelheit
       belästigt würden, weil sie angeblich auf der Straße nichts mehr zu suchen
       haben. Seit die regierende AKP unter der Regie von Präsident Tayyip Erdogan
       immer unverhohlener versucht, ihre islamistischen Vorstellungen
       durchzusetzen, gilt es zunehmend als unanständig, wenn eine Frau abends
       allein unterwegs ist.
       
       Gegen diese islamistische Indoktrinierung erhebt sich immer häufiger
       Protest. Nur so wird es verständlich, warum der Mord an Aslan landesweit
       Tausende Frauen auf die Straße trieb. Alle fürchten, selbst zum Opfer
       werden zu können, wenn dem rückwärtsgewandten Islamismus der AKP nichts
       entgegengesetzt wird.
       
       Aus dem gleichen Motiv hatten bereits am Vortag Tausende Lehrer und Schüler
       in den westlichen Metropolen der Türkei gegen die Islamisierung der
       Schulausbildung protestiert. Mit Beginn dieses Schuljahres im Herbst 2014
       hatte die Regierung Hunderte öffentliche Schulen in religiöse
       Imam-Hatip-Schulen umgewandelt, ohne Lehrer und Schüler davon in Kenntnis
       zu setzen. Die Gewerkschaft „Egitim Sen“ hatte daher zu einem Tag des
       Schulboykotts aufgerufen. Die Hauptkundgebung fand in der Ägäismetropole
       Izmir statt, wo die Polizei mit Tränengas und Wasserwerfern gegen Schüler
       und Lehrer vorging.
       
       15 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
       ## TAGS
       
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