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       # taz.de -- Ode an die Internet-Supermacht: „China, strong cybercountry“
       
       > Ein Chor der chinesischen Internetbehörde besingt den Cyberspace-Geist
       > des Landes. Der Text beschwört eine schöne Zukunft für China.
       
   IMG Bild: „Hingebungsvoll wachen wir jeden Tag über das All“.
       
       Das Frühlingsfest rückt näher: Am 19. Februar beginnt nach traditionellem
       Mondkalender das Jahr des Schafes. In diesen Tagen genießen die Chinesen
       wieder einmal allerlei kulturelle Höhepunkte. Dazu gehören große Galas mit
       Musik, Tanz, Sketchen – und mit überhaupt viel Erbaulichem.
       
       Behörden und Firmen organisieren jetzt Ausflüge zu Shows, laden ihre
       Mitarbeiter zum Essen – alles für ein gutes Betriebsklima und dafür, dass
       das Personal bei der Stange bleibt. Ein ganz besonders gelungenes Beispiel
       für solche Bemühungen zeigte in diesem Jahr die staatliche
       Cyberspace-Administration Chinas mit ihrer Oder auf die
       „Internet-Supermacht China“, gesungen von Mitarbeitern der Behörde:
       
       Darin beschwört ein Chor im Stil der patriotisch-revolutionären Lieder
       vergangener Zeiten den Cyberspace-Geist, der den Traum eines aufstrebenden
       China in der Welt beflügelt: „Hingebungsvoll wachen wir jeden Tag über das
       All, übernehmen Verantwortung, während die Sonne im Osten aufgeht, schaffen
       jeden Tag Neues....". Der Refrain des Chores beschwört eine schöne Zukunft:
       
       „Internet-Supermacht: Wo das Internet ist, da ist auch der ruhmreiche
       Traum; Internet-Supermacht: Vom fernen All bis zur ersehnten Heimat;
       Internet-Supermacht: Sag der Welt, der chinesische Traum bringt China
       voran; Internet-Supermacht: Ich repräsentiere mein Land gegenüber der
       Welt.“
       
       Der Videoclip erregte binnen kürzester Zeit Aufmerksamkeit und kursierte
       durchs chinesische Netz – nicht selten mit bissigen Kommentaren versehen.
       Denn die Cyberspace-Administration ist nicht irgendwer: Sie ist eine
       mächtige Agentur, zuständig für die Internetpolitik im Lande. Das heißt:
       Sie kümmert sich unter anderem um den Ausbau des Netzes, die Entwicklung
       chinesischer IT-Standards in Soft- und Hardware, aber auch um die „Great
       Firewall“, die Zensur und Blockaden der Verbindung zum Internet außerhalb
       von China. Umso hübscher klingt da der lächelnd geschmetterte Hinweis
       gleich am Anfang auf die Aufgabe der Kontrolleure, jeden Tag
       „hingebungsvoll über das All“ zu wachen.
       
       Mit seinem perfekten Auftritt siegte der Chor am Dienstag bei einer
       Talentschau, die von der Pekinger Internet-Vereinigung organisiert worden
       war. Das lebhafte Echo, dass er im Land hervorrief, hat nach Berichten von
       Beobachtern allerdings dazu geführt, dass der Video-Clip von einigen
       Webseiten wieder gelöscht wurde.
       
       Verwunderlich ist das nicht. Die Hymne kommt just zu einer Zeit, in der
       viele chinesische und ausländische Internet-Nutzer frustriert sind, weil
       die Kontrollen und Blockaden immer mehr zunehmen. Nicht nur Privatleute,
       auch Wissenschaftler an den Hochschulen und Geschäftsleute klagen, weil sie
       die Great Firewall nicht mehr überspringen oder untertunneln können.
       
       ***
       
       Der chinesische Text und eine englische Übersetzung sind auf der Webseite
       von [1][China Copyright and Media] zu finden.
       
       13 Feb 2015
       
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