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       # taz.de -- NSU-Prozess in München: Neonazi mit Erinnerungslücken
       
       > Ein Neonazi-Anführer aus Kassel erscheint mit Bomberjacke und
       > Springerstiefeln beim NSU-Prozess – und widerruft seine früheren
       > Aussagen. Er ist kein Einzelfall.
       
   IMG Bild: Deine Springerstiefel sind doch nur ein stummer Schrei nach Liebe.
       
       MÜNCHEN dpa | Ein führender Neonazi aus Kassel hat im NSU-Prozess
       persönliche Kontakte zu den mutmaßlichen Terroristen des
       „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) bestritten. In Kassel war am 6.
       April 2006 der Betreiber eines Internetcafés erschossen worden. Es war eine
       der zehn Mordtaten, für die sich Beate Zschäpe im Münchner Prozess
       verantworten muss. Bei der Vernehmung war auch die Schwester des Opfers im
       Gerichtssaal.
       
       Der Zeuge zeigte sich von Anfang an widerwillig. Zunächst berief er sich
       darauf, dass gegen ihn ermittelt werde und er darum nicht aussagen müsse.
       Das stellte sich aber als falsch heraus, worauf er sagte: „Dann kann ich
       mich eben an nichts erinnern.“ Erschienen war er mit Bomberjacke und
       Springerstiefeln.
       
       Der Richter konfrontierte ihn mit zahlreichen früheren Aussagen bei Polizei
       und Staatsanwaltschaft. Eine seiner Vernehmungen fand in der
       Justizvollzugsanstalt Hünfeld statt, wo er eine Haftstrafe verbüßte.
       Demnach will er die beiden verstorbenen mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe
       Mundlos und Uwe Böhnhardt einmal vom Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe abgeholt
       und zu einem Konzert mit einer Neonazi-Band namens „Oidoxie“ gebracht
       haben.
       
       Im Gericht bestritt er dies jedoch. „Ich habe dazu gar nichts gesagt.“
       Mundlos und Böhnhardt „sind mir nicht bekannt, und in Kassel waren sie auch
       nicht“. Auf dem Konzert, das aus Anlass eines Geburtstages stattfand, sei
       er auch nicht gewesen: „Ich saß in Haft“. Gleich darauf musste er
       einräumen, dass er damals Freigänger war. Auch über den Mord in Kassel will
       er - anders als er in seinen früheren Aussagen angegeben hatte – vorab
       nichts mitbekommen haben. Auf die Frage, wo er zum Zeitpunkt des Mordes vor
       knapp neun Jahren gewesen sei, antwortete er sehr präzise: „Am 6.4. war ich
       um 17.00 Uhr in der JVA.“
       
       Er sagte auch aus, in den Jahren 2001 bis 2003 häufiger in Zwickau gewesen
       zu sein. Dort habe sein Bruder gelebt. Eine „Garagenparty“, bei der
       wiederum auch Mundlos und Böhnhardt gewesen sein sollen, habe er in Zwickau
       aber nicht besucht. Auch diese Information hatte der Richter ihm aus einer
       früheren Vernehmung vorgetragen. Der Zeuge hatte im Dezember 2012, einen
       Monat nach dem Auffliegen des NSU, aus der Haft einen Brief an den
       hessischen Verfassungsschutz geschrieben und sich als Informant angeboten.
       Als Gegenleistung wollte er vorzeitig aus der Haft entlassen werden.
       
       Am Mittwoch stellte er auch dies anders dar. Nicht er, sondern die Behörden
       hätten den Kontakt gesucht. Ein Protokoll habe er nie unterschrieben. Auch
       das widerlegte der Richter und zeigte ihm seine Unterschrift auf dem
       Schriftstück, dessen Echtheit er dann bestätigte. Seine Vernehmung soll am
       Donnerstag fortgesetzt werden.
       
       11 Feb 2015
       
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