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       # taz.de -- Boko Haram im Niger: Fanatiker auf dem Vormarsch
       
       > Der Terror der islamistischen Rebellenarmee Boko Haram hat den Sahelstaat
       > Niger erreicht. Im Südosten des Landes fliehen die Menschen.
       
   IMG Bild: Nigerias Armee sieht hilflos zu, wie Boko Haram sich ausbreitet.
       
       Mamane ist ein Bewohner der nigrischen Provinzhauptstadt Diffa im äußersten
       Südosten des Landes, kaum sieben Kilometer von der nigerianischen Grenze
       entfernt. Am Montag hat er seine Frau und die beiden kleinen Kinder in sein
       Auto verfrachtet, das Nötigste in den Kofferraum gepackt und ist sieben
       Stunden nach Zinder gefahren. „Die Menschen sind auf der Flucht, wer kein
       Auto hat, nimmt den Bus, Buschtaxis, Motorräder“, erzählt er, nachdem er
       sicher angekommen ist.
       
       Seit letzten Sonntag ist Diffa unter Beschuss der nigerianischen
       Terrorgruppe Boko Haram. Stundenlanges Gefechtsfeuer erschütterte in der
       Nacht zu Montag die Innenstadt, als Elemente von Boko Haram versuchten, das
       Provinzgefängnis einzunehmen. „Es lagen überall Tote“, erzählt Mamane. Die
       Terroristen seien dann in die Innenstadt geflohen, verfolgt von der Armee.
       Am Montag sprengte sich ein Selbstmordattentäter auf dem Markt in die Luft:
       Es gab 5 Tote und 16 Verletzte.
       
       Gewalt und Terror verfolgen die Bewohner der Region Diffa schon seit
       Monaten angespannt auf der anderen Seite der Grenze, in Nigeria. Jetzt ist
       der Krieg nach Niger gekommen. Die Bevölkerung flieht, Büros und Schulen
       sind geschlossen, die meisten Geschäfte auch.
       
       „Das ist das Hauptziel der Terroristen: Panik säen, die Normalität
       zerstören“, erklärt Hassane, ein Lehrer aus Diffa. Überrascht ist er nicht,
       denn schon seit Monaten wissen die Bewohner der gesamten Ostregion um die
       Präsenz der Terroristen. „Sie haben ihre Elemente mit den Flüchtlingen aus
       Nordnigeria ins Land geschleust,“ weiß Hassane.
       
       ## Totgeschwiegene Taten
       
       Niger nimmt seit Monaten die fliehende Bevölkerung aus Nordnigeria in
       Lagern an der Grenze auf. Hilfsorganisationen sprechen von mehr als 125.000
       Menschen. „Wie willst du denn einen Flüchtling von einem Agenten der
       Terrorgruppe unterscheiden?“, fragt Hassane. Die Antwort kennt er selbst:
       Das ist nicht möglich.
       
       Der Terror begann bereits im letzten Jahr. Es gab immer wieder tödliche
       Zwischenfälle. In einem Dorf brachten mutmaßliche Terroristen im August den
       Dorfchef um, in einem anderen Ort wurde der Ausrufer einer Moschee getötet.
       „Die Bevölkerung wollte nicht darüber sprechen“, sagt ein nigrischer
       Soziologe aus der Hauptstadt Niamey, der damals in der Region arbeitete.
       „Die Menschen hatten Angst, selbst Opfer zu werden, wenn sie sprechen, also
       wurden diese Taten totgeschwiegen.“
       
       Boko Haram stützt sich bei ihren Aktionen aber auch auf aktive lokale
       Unterstützer. Denn bereits seit 2012 ist die Gruppe im Osten Nigers
       präsent. Die nigerianischen Islamisten haben Koranschulen in vielen Dörfern
       auf nigrischer Seite finanziert, radikalisierte Koranlehrer entsandt und
       besonders unter jungen Koranschülern viele Anhänger gewonnen. Ungestört
       konnten unter dem Deckmantel der Religion Hassparolen an die Schüler
       weitergegeben werden.
       
       In einer Region, in der das staatliche Bildungssystem schon seit
       Jahrzehnten versagt hat, ist für viele Familien die Koranschule häufig der
       einzige Ort für Bildung. Was genau dort gelehrt wird, wissen die Eltern
       oftmals nicht. Aus manchen Koranschulen wurden Ausbildungscamps für
       Milizionäre. Sie kennen sich nun mit Waffen aus, mit Sprengstoff, man hat
       den jungen Hirnen eine fanatische Gewaltideologie eingepflanzt. Sie sind
       mittlerweile zu jeder Tat bereit, und sie waren es, die vergangene Woche
       als Erste angriffen.
       
       ## Keine allein militärische Lösung
       
       Niamey, Nigers Hauptstadt, ist zwar 1.700 Kilometer von Diffa entfernt.
       Aber „ja, ich habe auch Angst“, berichtet Halima, eine junge Mutter dort.
       „Die können ja auch hier auf dem Markt eine Bombe hochgehen lassen!“
       
       Auch wenn viele wissen, dass das Problem Boko Haram nicht allein
       militärisch zu lösen ist – alle politischen Lager begrüßen den
       Parlamentsbeschluss vom Montag, Truppen auch über die Staatsgrenze nach
       Nigeria im Rahmen einer multinationalen Truppe zum Einsatz gegen Boko Haram
       zu schicken. Die plötzliche Einigkeit der sonst zerstrittenen politischen
       Klasse erscheint wie ein Signal der Solidarität.
       
       Und so ruft Mamane am Ende ins Telefon: „Mach dir keine Sorgen. Das wird
       schon!“ Am Donnerstag will er nach Diffa zurückfahren, gegen den
       Flüchtlingsstrom. Aber ohne seine Familie. Die bleibt in Zinder in
       Sicherheit.
       
       11 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sandra van Edig
       
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