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       # taz.de -- Kolume Über Ball und die Welt: Dschungelcamp seriöser als Fifa
       
       > Die Fifa behauptet, sie habe mit Politik nichts zu tun. Und den Bewerbern
       > auf den Chefposten ist wenig zuzutrauen. Vielleicht bietet genau das eine
       > Chance.
       
   IMG Bild: 30 Jahre will er noch an der Fifa-Spitze bleiben: Joseph S. Blatter.
       
       Eigentlich fehlt nur noch der Walter Freiwald unter den Gestalten, die sich
       um das höchste Amt des Weltfußballs beworben haben, die
       Fifa-Präsidentschaft. Im Mai wird gewählt. Gucken wir uns die Herren
       Bewerber mal genauer an: Das ist zunächst der 78-jährige Amtsinhaber, der
       wieder antritt und von „interplanetarischen Meisterschaften träumt –
       vermutlich, um nach dem Traumfinale Venus vs. Jupiter einen Pokal übergeben
       zu dürfen.
       
       Ein prominenterer Konkurrent ist ein 39-jähriger Prinz, der schon einmal
       die Leibgarde des Königs befehligt hat. Dann gab es auf der Bewerberliste
       noch einen niederländischen Spielervermittler, einen früheren Weltfußballer
       (nein, es ist nicht Lothar Matthäus), der, seit er keine Trikots mehr
       tragen darf, sich als „Markenbotschafter“ eines Finanzdienstleisters
       verdingen muss, und wir haben zwei ewige Verbandsfunktionäre, die im
       Apparat ein wenig hochklettern wollen.
       
       Auch ein französischer Diplomat hat sich beworben, der schon die
       Fußballverbände von Palästina, Kosovo und Zypern beraten hat – bestimmt
       megaerfolgreich. Fehlt nur noch der Exprofi, der für einen irischen
       Wettanbieter kandidiert.
       
       Das sind die Herren, die tatsächlich glauben, sie könnten den Weltfußball
       führen. Bei so viel Kompetenz ist es keine polemische Überspitzung, wenn
       man feststellt, dass das Personal, das sich in rheinischen Kleinstädten um
       das Amt des Karnevalsprinzen drängelt, nachweislich seriöser ist. 1985 etwa
       hatte die bei Köln gelegene Kreisstadt Siegburg mit Prinz Wolfgang I. einen
       echten Fußballweltmeister zum Prinzen gekürt, Wolfgang Overath.
       
       ## Weitgehend lebensuntauglich
       
       Die Macht der Fifa, die demnächst in deutlich halbseidenere Hände gelegt
       werden soll (oder in solchen bleiben soll – vermutlich bleibt ja alles beim
       Alten, 78), basiert ganz wesentlich darauf, dass sie unterschätzt wird.
       „Ist ja nur Fußball“, heißt es, „ist ja die schönste Nebensache der Welt“.
       Verbandsfunktionäre gelten gemeinhin als ältere Herren, die, wenn sie nicht
       gerade Pokale überreichen, weitgehend lebensuntauglich sind, von ihren
       Ehefrauen in Vorstandssitzungen geschickt werden, wo sie nicht selten dem
       Alkohol zugeneigt sind.
       
       Sehr hilfreich für diese Unterschätzung der Funktionäre und ihres
       Verbandes, der immerhin jährlich einen mehrstelligen Milliardenumsatz
       erwirtschaftet, ist die Behauptung, das habe nichts mit Politik zu tun,
       vielmehr stehe die Fifa für die Gesundheit aller Menschen, gegen Hass und
       Diskriminierung, für die Völkerverständigung, gegen das Böse, für das Gute.
       
       Auf dieser völligen Entpolitisierung basiert die Macht der Fifa. Aber
       zugleich ist sie der Grund, warum ihre Macht so wackelig ist, dass sogar
       Finanzjongleure, die in keiner Sparkassenfiliale die Probezeit überstünden,
       sich Chancen aufs Weltführungsamt ausrechnen.
       
       Wenn der organisierte Fußball die juristische, politische und
       gesellschaftliche Aufmerksamkeit bekäme, die er verdient, hätte das die
       üblichen Modernisierungsprozesse zur Folge: professionelle Manager,
       Offenlegung von Bilanzen et cetera. Sogar ein Mindestmaß an demokratischer
       Kontrolle wäre denkbar, analog zu Mitbestimmungsinstanzen, die in
       entwickelten Industrieländern die Macht von Unternehmen zwar nicht
       eindämmen, aber doch ein wenig transparenter machen.
       
       Das fehlt bei der Fifa, und damit wird auch klar, warum der „Preis ist
       heiß“-Verkäufer Walter Freiwald, der im RTL-Dschungelcamp bekannt hatte, er
       wäre gerne Bundespräsident geworden, für die Fifa eine Nummer zu seriös
       ist. Aber denken wir doch positiv: Mit einem Profi wie Walter Freiwald
       hätte die Fifa vermutlich länger Bestand; mit dem sich derzeit um den
       Chefposten kloppenden Personal hingegen stehen die Chancen, dass wir diesen
       Laden irgendwann mal so gründlich los sind wie die FDP, gar nicht schlecht.
       
       11 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Krauss
       
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