URI: 
       # taz.de -- Datensucht von Facebook und Google: „Lachen wird ein Rohstoff“
       
       > Künftig werden unsere Kühlschränke über uns Witze machen, sagt der
       > Internetkritiker Evgeny Morozov. Deshalb will er den Kapitalismus
       > abschaffen.
       
   IMG Bild: Da lächeln sie, die Fratzen des Kapitalismus.
       
       taz: Herr Morozov, kennen Sie einen guten Witz über Google? 
       
       Evgeny Morozov: Da müsste ich mal googeln. Nein, ich glaube, ich kenne
       keinen.
       
       Uns ist auch keiner eingefallen. 
       
       Der Tech-Community fehlt da einfach der Humor. Leute, die über das Netz
       schreiben, gehen oft davon aus, dass sie den wichtigsten Epochenwandel seit
       Gutenberg begleiten. Sie betrachten alles mit einer gewissen Gravität. Auch
       wenn sie Hoodies und Flipflops tragen. Man findet bei ihnen keine Spur von
       Selbstironie.
       
       Sie haben kürzlich darüber geschrieben, dass in Zukunft selbst Kühlschränke
       versuchen werden, witzig zu sein. Haushaltsgeräte also, die mit dem
       Internet verbunden sind und Scherze machen. Sie sehen das kritisch. Wieso? 
       
       Das war eine Reaktion auf den Essay eines Neurowissenschaftlers. Früher
       ging es bei Witzen nur um die Analyse von Text, um Elemente, die man
       kombinieren musste, argumentiert er. Das konnte man Rechnern nicht
       beibringen. Heute kann man dafür mit Sensoren arbeiten. Die Sensoren in
       Ihrem smarten Kühlschrank könnten dann feststellen, dass Sie gerade Zutaten
       in Ihr Omelette mischen, die nicht zusammenpassen, und einen Scherz darüber
       machen. 
       
       Und was finden Sie daran schlimm? 
       
       Der Mann freute sich, dass unsere schlauen Häuser bald Witze für uns machen
       werden. Aber die Sensoren gehören Unternehmen, die so viel wie möglich über
       uns erfahren wollen, um noch zielgerichtetere Werbung zu schalten. Klar:
       Vielleicht bringen diese Unternehmen uns zum Lachen. Aber es wird ein
       Lachen sein wie in Aldous Huxleys „Schöner neuer Welt“, und keines wie in
       spontanen Alltagssituationen. Unternehmen werden unseren Alltag übernehmen
       bis hin zu so grundlegenden Emotionen wie dem Lachen.
       
       Der Kühlschrank könnte also sagen: Sie wollten doch abnehmen! Und jetzt ein
       Snickers?! 
       
       Ja, es geht auch um soziale Erwartungen. Selbst Lachen wird jetzt Teil von
       etwas, das französische Philosophen Gouvernementalität nennen würden. Es
       kann nun also Arbeit verrichten, einen dazu antreiben, gesünder zu essen,
       sich mehr zu bewegen. Lachen wird eine Ressource.
       
       Für so eine Ansage brauchen Sie keinen computergesteuerten Kühlschrank. Das
       sagt Ihnen schon heute jeder Arzt. 
       
       In Deutschland beginnt das mit der Verhaltenspsychologie erst langsam, auch
       das Nudging, das Anstupsen, mit dem man jemandem sanft bedeutet, sich zu
       ändern. In Großbritannien läuft das seit Anfang der 90er Jahre, in den USA
       oder in Dänemark genauso. Es gibt eine Allianz zwischen den Anhängern der
       Verhaltensforschung in der Politik mit jenen, die Apps und Sensoren zur
       Verfügung stellen, die messen, was wir essen, was wir konsumieren, wie viel
       Sport wir machen.
       
       Und was macht Sie so besorgt? 
       
       Die Eingriffe finden bei den Bürgern statt. Es geht nicht mehr darum, die
       Ernährungsindustrie davon abzuhalten, schädliches Fastfood bei Kindern zu
       bewerben oder Deals für gesundes Essen mit Schul-Cafeterias abzuschließen.
       Stattdessen präsentiert man uns nun diese unternehmerische „Wir sollten
       alle gesund sein“-Einstellung. Aber wenn ich in Kalifornien in der Nähe von
       Los Angeles lebe, dann bringt es gar nichts, mich dazu aufzufordern, mehr
       zu laufen, weil ich da einfach nirgendwo laufen kann.
       
       Was hindert Sie daran? 
       
       Die Infrastruktur ist eine für Autos. Man könnte ja darüber nachdenken,
       diese Infrastruktur anzupassen. Solche Lösungen werden aber immer weniger
       denkbar. Weil wir uns nur darauf konzentrieren, wie wir mit diesem
       unternehmerischen Ansatz und seinen technischen Möglichkeiten den Leuten
       vorschreiben, was sie zu tun oder zu lassen haben. Man negiert so die
       vergangenen Dekaden sozialer Bewegungen. Die haben gezeigt, wie politisch
       der Alltag ist. Gesundheit ist politisch, Essen ist politisch. Was wir
       essen, ist nicht nur ein Produkt im Supermarkt. Es gibt schon vorher eine
       Kette von Herstellern und Unternehmen. Man kann sich nicht nur auf das
       Endprodukt konzentrieren.
       
       Eine erste Krankenkasse in Deutschland richtet ihre Beiträge jetzt am
       Verhalten ihrer Mitglieder aus. Sie leben in den USA, hat sich Ihre
       Versicherung schon gemeldet? 
       
       Ich bin über meine Universität, über Harvard, versichert. Ich bin gesund,
       ich habe in den vergangenen Jahren vierzig Kilo abgenommen. Ich habe meinen
       Part erledigt, ohne Apps. Bei fünf, sechs Unternehmen in den USA gibt es
       Bestrebungen, die Angestellten mit Trackern auszustatten und zu überwachen,
       wie viel sie laufen, wie viel Sport sie machen. Ich reduziere meine
       Interaktionen mit dem amerikanischen Staat und Unternehmen auf ein Minimum.
       Der einzige Berührungspunkt ist Amazon, das mir Bücher schickt.
       
       Aha, Amazon also! 
       
       Das nutze ich. Ich kaufe viele Bücher aus den 50er und 60er Jahren, die
       kriegst du einfach nicht in jedem Buchladen.
       
       Fürchten Sie eine Gesundheitsdiktatur? 
       
       Nennen Sie es, wie Sie wollen. Dem Staat fehlt einfach das Geld, um viele
       Leistungen zu gewährleisten. Also stellt er das Gesundheitssystem auf
       Prävention um. Ihm bleibt nichts anderes übrig. Die Gesundheitsdiktatur ist
       im Grunde die Folge eines dauerhaften finanziellen Mangels. Auch die
       Unternehmen wollen Geld sparen. Also gibt es gesetzliche Anreize, damit die
       Menschen ihre Daten den Versicherern geben, sodass sie weniger zahlen. Wir
       können es uns nicht mehr leisten, krank zu werden.
       
       Den Begriff der Diktatur halten Sie für die Analyse jedenfalls für
       hilfreich? 
       
       Ich würde es eher eine Diktatur des Marktes nennen. Oder die Diktatur des
       Neoliberalismus. Diktatur darf man das gern nennen. Ich gehöre nicht zu den
       Leuten, die den Begriff ausschließlich für Nordkorea reservieren wollen.
       
       Sie sind in einer der letzten europäischen politischen Diktaturen
       aufgewachsen, in Weißrussland. Schärft das Ihren Blick für autoritäre
       Erscheinungen in Demokratien? 
       
       Die mit meiner Herkunft verbundenen Erfahrungen sind eher eine Hürde. Die
       muss man überwinden, um zu begreifen, was heute passiert. Wir leben nicht
       in einer Orwell’schen Gesellschaft. Wir geben unsere Daten nicht her, weil
       uns jemand eine Knarre an den Kopf hält. Sondern weil es einen finanziellen
       Anreiz gibt. Wenn Sie das aus dem alten Blickwinkel betrachten, es gehe
       immer um den Staat, der den Zwang ausübe, analysieren Sie am entscheidenden
       Punkt vorbei: Es ist heute ein ökonomischer Zwang, der Ihnen als Anreiz
       präsentiert wird. Man muss nicht in einer Diktatur aufgewachsen sein, um zu
       verstehen, was die NSA tut. Alles andere ist eine extreme Form des
       Kapitalismus. Das hat mit dem Kommunismus nichts zu tun.
       
       Hat Sie die Ankunft des Kapitalismus in Osteuropa sensibler dafür gemacht,
       die Nachteile einer ungezügelten Ökonomie zu erkennen? 
       
       Jeder will meine Arbeit mit meinem psychosozialen Hintergrund erklären.
       Aber: nein. Nein! Ich habe in Bulgarien studiert und viel in Osteuropa
       gearbeitet, das stimmt. Ich kenne die Mentalität dort ganz gut. Ich denke
       aber nicht, dass einem das bei diesem Thema besonders hilft. Nein, nein,
       nein.
       
       Wir fragen, inwieweit Ihr Leben Ihr Werk als Autor beeinflusst. 
       
       Ich glaube nicht, dass meine Herkunft aus Weißrussland viel über meine
       Ansichten erzählt. Für manche Erkenntnisse meines ersten Buchs, wie
       digitale Medien eingesetzt werden können, waren meine Erfahrungen
       vielleicht inspirierend. Meist haben die Leute diese Medien aus Spaß
       benutzt, zur Unterhaltung. Es ist also nicht so, dass wir umso politischer
       werden, je mehr Videos wir auf YouTube sehen können. Ich habe früh
       verstanden, dass die Rhetorik von der befreienden Kraft digitaler Medien
       aus Brüssel und Washington nicht der Realität entspricht. Da hat mir meine
       Herkunft sicher geholfen, das zu begreifen.
       
       Ihre Sicht auf das Internet hat sich stark verändert, Sie haben seine
       Möglichkeiten früher sehr positiv eingeschätzt. Warum sind Sie heute so
       skeptisch? 
       
       Als ich in Berlin gelebt habe, habe ich für NGOs gearbeitet, ich bin viel
       durch die Länder der ehemaligen Sowjetunion und des früheren Ostblocks
       gereist. Wir haben oppositionellen Politikern und Aktivisten angeboten,
       ihnen den Umgang mit neuen Medien beizubringen, mit sozialen Netzwerken,
       Podcasts. Wir wollten den politischen Wandel beschleunigen. Das ist mehr
       oder weniger fehlgeschlagen. Auch weil die Staaten schnell klüger geworden
       sind, sie setzten diese Techniken auch ein, beispielsweise zur Propaganda.
       Und dann erkannte ich, dass es den Zusammenhang, den amerikanische
       Politiker und Intellektuelle oft konstruieren, den zwischen Internet und
       Freiheit, so nicht gibt. Für mich hatten solche Theorien nichts
       Substanzielles mehr. Ich habe meine Meinung nicht an einem bestimmten Punkt
       geändert, es war ein Prozess zunehmender Frustration.
       
       Verfolgen Sie den Ukraine-Konflikt? 
       
       Den Georgienkrieg habe ich aufmerksamer verfolgt. Konzentrieren Sie sich
       nicht auf Internetaktivismus. Sehen Sie sich die Staaten und deren Handeln
       an. Wie sich ein Sender wie Russia Today überall ausbreitet, mit Büros in
       London, in Berlin. Das zählt.
       
       Während des Arabischen Frühlings wurden Blogger zu Helden. In der Ukraine
       scheint es keine zu geben. 
       
       Es gibt nichts zu feiern, also sind da auch keine Helden. Dass wir uns die
       Helden derzeit nicht erfinden, das finde ich eher positiv. Warum sollte man
       über Blogger in der Ukraine schreiben? Dort herrscht doch Krieg. Sie
       fragen, warum es keine Internethelden gibt. Sie könnten genauso fragen,
       warum es keine Bauernhelden gibt. Die Antwort ist dieselbe: weil sie in
       diesem Konflikt keine Rolle spielen.
       
       Die Rolle des Internets ist überbewertet? 
       
       Wir schleppen intellektuellen Ballast mit uns herum, wenn wir „das
       Internet“ zum Rahmen machen, in dem sich unsere Gedanken bewegen. Wir reden
       über Fragen wie: Zerstört das das Internet? Hält das Internet das aus?
       Macht das das Internet besser? Die einen sagen, das Internet wurde
       öffentlich finanziert, es muss öffentlich bleiben. Die anderen erwidern:
       Nein, nein, das Internet entstand aus Start-ups, finanziert von privatem
       Geld, das ist die wahre Industrie, man muss sie gewähren lassen. Wie wir
       das Internet sehen, ist eine Frage unseres politischen Standpunkts. Auch
       seine Geschichte ist ein politisches Projekt.
       
       Wollen Sie bestreiten, dass technische Entwicklungen Auswirkungen auf
       Politik haben? 
       
       Es wäre gefährlich, dem Internet eine eigene Handlungsfähigkeit
       zuzuschreiben, als wäre es eine eigenständige Kraft. Dann nämlich würde die
       Sprache des Internets die der Wirtschaft und Politik ersetzen. Es wäre
       fatal, wenn die Menschen über Netzneutralität reden und die Frage, wessen
       Daten wie schnell transportiert werden, als wäre das eben keine streng
       politische und ökonomische Frage. Die Frage ist doch: Vertrauen wir den
       Unternehmen, das zu regeln? Oder muss das der Staat tun, die öffentliche
       Hand? In den USA wird die letzte Option gar nicht diskutiert. Da ist völlig
       klar: Unternehmen regeln das, man muss sie nur gut kontrollieren. Niemand
       stellt infrage, dass ihnen die Infrastruktur gehört. Das ist ein Fehler.
       Die Rede vom Internet entpolitisiert unsere Gespräche und wischt die
       radikaleren Fragen vom Tisch.
       
       Würden Sie sich als Kapitalismuskritiker bezeichnen? 
       
       Klar. Mit diesem Begriff habe ich kein Problem.
       
       Hält man Sie, diesen Typen aus Weißrussland, in den USA für einen
       Kommunisten? 
       
       Ich hatte Glück. Das Gegenteil ist der Fall. Weil ich aus Weißrussland
       stamme, denken alle, ich müsse den Kommunismus richtig hassen. Ich sei ein
       geborener Kapitalist. Mein Pass hilft mir da sehr. Ich könnte
       wahrscheinlich ein Trotzki-T-Shirt tragen, und die würden immer noch
       denken, ich bewerbe den Kapitalismus.
       
       Ist noch niemandem aufgefallen, wie sehr sich die Leute da verschätzt
       haben? 
       
       Meine Kritik hat sich bisher auf den Technologiesektor konzentriert. Und
       Menschen, die Tech-Unternehmen hassen, gibt es nun wirklich genug. Es gibt
       auch Marktliberale, die Facebook oder Amazon kritisieren, weil das Monopole
       sind. Die Technologiediskussion ist so umfassend, dass ich diese Botschaft
       jeden Tag herausschreien kann, die Leute werden immer noch denken, ich will
       ihnen bloß ihre Maschinen nehmen und nur noch mit Schreibmaschine
       schreiben. So denken viele über mich. Man kann ihnen erklären, dass dem
       nicht so ist. Dass man für Technologie, für Fortschritt sein kann, aber für
       eine andere Art des Fortschritts. Die Option gibt es in den USA nicht. Und
       in Europa immer weniger.
       
       Welche Art Fortschritt wollen Sie? 
       
       Derzeit gehen wir von der Annahme aus, dass Daten der jeweiligen Firma
       gehören, mit deren Ressourcen sie hergestellt worden sind. Suchen gehört
       Google. Soziale Kontakte gehören Facebook. Die Information darüber, wohin
       mich mein Fahrer fährt, gehört dem Taxi-Dienst Uber. Das ist das Paradigma
       des Silicon Valley. Gerade entsteht noch ein anderes Paradigma, das besagt:
       Die Daten gehören den Bürgern. Und die könnten mit ihren Daten handeln,
       Geld verdienen. Vielleicht ist das so ein neuer Ansatz, um Arbeitslosigkeit
       zu bekämpfen. Man verkauft seine Daten, damit man dafür Geld bekommt. Ich
       glaube, beide Ideen führen in eine demokratische und politische Sackgasse.
       
       Was wäre die Alternative? 
       
       Niemand sollte Daten besitzen. Luft gehört auch keinem. Bürger sollen mit
       ihren Daten etwas tun dürfen. Sie haben also eine digitale Identität, die
       extrem gut verschlüsselt ist und sicher. Der Staat gewährleistet den
       Zugang, auch Unternehmen dürfen die Daten nutzen. Vielleicht gegen eine
       Gebühr.
       
       Und Google? Würden Sie das Unternehmen zerschlagen, wie es derzeit
       diskutiert wird? 
       
       Statt Google komplett zu zerschlagen, müssten wir Konzerne aufteilen. Erst
       einmal bräuchte es einen kostenlosen Basisdienst im Internet. Dafür sollte
       weder mit Geld noch mit Werbung bezahlt werden. Wenn ich also rausfinden
       möchte, in welchem Film Tom Cruise 1993 spielte, lässt sich das
       nachschauen. Dafür braucht man keine künstliche Intelligenz. Nur eine
       besser strukturierte Form von Wikipedia. Das kann gratis zur Verfügung
       gestellt werden, im Zweifel eben steuerfinanziert. Die nächste Ebene wäre
       einfach: Google kann erweiterte Services verkaufen. Wenn ich Ortungsdienste
       will oder andere Features, dann gegen eine Gebühr. Ich zahle 3 Dollar, und
       gut ist. Aber für den Basisdienst zahlt der Staat. Es gibt keine Werbung.
       Und mit meinen Daten passiert in diesem Basisdienst nichts.
       
       Wer stellt den Basisdienst zur Verfügung? Google? 
       
       Oder ein Konsortium aus unterschiedlichen Anbietern. Am besten wäre ein
       gemeinsamer Pool von Wissen und Fakten, um den herum auch andere Systeme
       entstehen dürfen. Wenn Sie also ein Start-up gründen wollen, das mit diesen
       Daten das Wetter vorhersagt, gut. Ich bin nicht gegen Unternehmen, ich
       möchte nur gern diesen Automatismus unterbrechen, nach dem sie immer
       mächtiger werden, je mehr Daten sie sammeln. Zurzeit ist Uber mehr als 40
       Milliarden Dollar wert. Was besitzen die? Nichts. Keine Fahrer, keine
       Autos. Nur einen Algorithmus und einen Haufen Daten. Wenn Google Uber
       kaufen würde, hätten beide Unternehmen noch mehr Daten. Ich möchte aber
       nicht, dass Google diese Macht hat. Wenn diese Daten in einer allgemein
       zugänglichen Datenbank lagerten, wäre das Problem gelöst. Sie müssten so
       verschlüsselt werden, dass sie nicht zu manipulieren sind. Das ist die
       entscheidende Hürde.
       
       Damit würden Sie die Werbeindustrie komplett ausschalten. 
       
       Ja, damit könnte ich sehr gut leben. Eliminiert die Werbeindustrie. Die
       Technologieindustrie würde weiterhin bezahlt werden. Über Gebühren,
       Abonnements, Steuern. Ein solches Modell würde auch den Wettbewerb um
       Kundenservice und Innovationen viel mehr ankurbeln.
       
       Wie das? 
       
       Derzeit schafft es kein Unternehmen, Google ernsthaft Konkurrenz zu machen,
       weil ihm die große Menge an Daten fehlen, die Google schon gesammelt hat.
       Es ist unmöglich, Google zu schlagen. Sie können als Start-up den besten
       Algorithmus der Welt bauen – die Daten, mit denen er am besten lernt,
       hätten sie immer noch nicht. Daher müssen wir die Daten vergemeinschaften,
       sie sozialisieren. Das derzeitige Modell funktioniert so, als würden Firmen
       anfangen uns Luft zu verkaufen, indem sie uns bei jedem Atemzug Werbung
       zeigen.
       
       Sie vergleichen Daten mit Luft. Sollte es Menschen verboten sein, mit ihnen
       zu handeln? 
       
       Ja. Das würde die Daten aus diesem Kreislauf nehmen. Schauen Sie Uber an.
       Warum muss ich die Fahrer bewerten, warum müssen die mich bewerten, warum
       muss Uber wissen, wer ich bin? Weil die Plattform diese Daten braucht, um
       Vertrauen zu etablieren. Sie wollen kein Geld ausgeben, um sicherzustellen,
       dass ihre Kunden ehrliche Menschen sind, also vertrauen sie auf einen
       Bewertungsmarkt.
       
       Dafür besorgt der Fahrdienst Uber Ihnen ein Verkehrsmittel, wenn Sie es
       brauchen, zu einem erschwinglichen Preis. 
       
       Das ginge auch anders, nämlich komplett anonymisiert. Ich sehe auch keinen
       Sinn darin, jeden Morgen um acht Uhr einen Bus fahren zu lassen, obwohl den
       niemand benutzt. Das ist verrückt in einer Zeit, in der man mit seinem
       Telefon nachschauen und planen kann, wo man hinfahren möchte. Man könnte
       dem Bus sagen, wann er wo sein soll. So sollte es laufen. Und dass es nicht
       so läuft, liegt daran, dass die notwendigen Daten nicht in den Händen der
       Bürger sind. Sie sind nicht in den Händen der Gemeinden, und auch nicht in
       den Händen der Städte.
       
       In einem Roman des Science-Fiction-Autors Cory Doctorow wird Geld durch
       Reputation ersetzt. So können auch arme Menschen durch gute Taten oder
       Charme Ansehen erwerben und reich werden. Reputation könnte die Welt
       gerechter machen. Was spricht dagegen? 
       
       Eine furchtbare Vorstellung. Ich würde in diesem System nicht überleben.
       Ich will mir keine Sorgen darüber machen, ob meine Scherze lustig genug
       sind. Lustig für eine ausreichende Anzahl von Leuten. Ich möchte nicht
       ständig bewertet werden für das, was ich tue. Das ist nicht gut für die
       Psyche. Ich will, dass Leute Risiken eingehen und sie nicht meiden, aus
       Angst, sie könnten an Reputation verlieren.
       
       Sie haben also Angst, dass Ihre Witze nicht lustig genug sind. 
       
       Ich weiß nicht, ob ich witzig bin. Es ist mir auch egal. Ich habe neulich
       mit dem Philosophen Slavoj Zizek zusammengesessen. Denkt er, dass er lustig
       ist? Keine Ahnung. Leute lachen über ihn. Ich bemühe mich wenigstens,
       manche tun nicht mal das.
       
       7 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Gernert
   DIR Daniel Schulz
       
       ## TAGS
       
   DIR Kapitalismuskritik
   DIR Google
   DIR Schwerpunkt Meta
   DIR Datenschutz
   DIR Datenkrake
   DIR Datensammlung
   DIR Schwerpunkt Meta
   DIR Aufklärung
   DIR Nordkorea
   DIR Frauen
   DIR Datenschutz
   DIR Dollar
   DIR Datenschutz
   DIR Internet
   DIR Johannes Caspar
   DIR Schwerpunkt Meta
   DIR Schwerpunkt Urheberrecht
   DIR Andrea Nahles
   DIR Internet
   DIR Sascha Lobo
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Nudging anstatt Bildung und Aufklärung: Nur ein kleiner Anstoß
       
       Politiker und Umweltschützer wollen wichtige Alltagsentscheidungen durch
       Anreize lenken. Kritiker halten dies jedoch für manipulativ.
       
   DIR Sportdiplomatie mit Nordkorea: Vorspiel beim Marschall
       
       Der Kanadier Michael P. Spavor bringt Profisportler nach Nordkorea. So den
       ehemaligen NBA-Star Dennis Rodman oder eine Eishockeyweltauswahl.
       
   DIR Frauen in der Tech Industrie: Diskriminierungsklage abgewiesen
       
       Frauen sind im Silicon Valley in der Minderheit. Die Klage von Ellen Pao,
       die ihrem Arbeitgeber vorwarf, bei Beförderungen übergangen worden zu sein,
       scheiterte.
       
   DIR Kommentar Klage gegen Facebook: Mehr Mut zum Umbequemen
       
       Ein einzelner Nutzer kann Facebook in die Bredouille bringen. Was könnte
       erst ein Staat, Deutschland zum Beispiel, tun.
       
   DIR Facebook bietet Überweisungsdienst an: Der Button mit dem Dollar-Symbol
       
       Neue Facebook-Dienste entstehen seit einiger Zeit fast wöchentlich. Bald
       kann per Messenger Geld überwiesen werden. Mit wenigen Klicks und
       kostenlos.
       
   DIR Einkaufen in Zeiten von Big Data: Wenn der Preis persönlich wird
       
       An der Supermarktkasse und im Taxi: Unternehmen können Kunden heute
       individuelle Preise vorsetzen – dank Big Data. Wer nicht aufpasst, zahlt
       drauf.
       
   DIR Datenschutz im Internet: Abmahnung für Facebook
       
       Wegen umstrittener Nutzungsbedingungen geht der Verbraucherzentrale
       Bundesverband gegen Facebook vor. Dessen Datenerhebung sei nicht
       transparent.
       
   DIR Datensammler Facebook: Klage wird geprüft
       
       Facebook soll laut einer aktuellen Studie aus Belgien mit seinen
       Datenschutzbestimmungen gegen EU-Recht verstoßen.
       
   DIR Sterben im sozialen Netzwerk: Der Club der toten Facebook-User
       
       Verlottert mein Facebook-Account, wenn ich sterbe? Die Frage muss man sich
       nicht mehr stellen. Gute Freunde kümmern sich auf Anfrage.
       
   DIR Ärger um Katzen-Video auf Youtube: Es hat sich ausgeschnurrt
       
       Ein Katzenbesitzer nimmt das Schnurren seines Haustieres auf und stellt es
       auf Youtube. Damit soll er Urheberrechte verletzt haben.
       
   DIR Online-Konzerne im Wettbewerb: Facebook die Daten wegnehmen?
       
       Das Online-Netzwerk will jetzt mit noch mehr Wissen noch mehr werben.
       Bestseller-Autor Evgeny Morozov hätte einen Gegenvorschlag.
       
   DIR Kritik Friedenspreis an Jaron Lanier: Die Maschine ist ein Teil von uns
       
       Jaron Lanier erhält den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Dabei hat
       er die Probleme des Netzzeitalters missverstanden.
       
   DIR Eine andere Antwort auf Sascha Lobo: Wir müssen das Internet austauschen
       
       Sascha Lobo ist gekränkt, weil er merkt, dass das Netz seine Hoffnungen
       enttäuscht hat. Der Thriller-Autor Daniel Suarez hat einen
       Heilungsvorschlag.
       
   DIR Blogforscher über Bürgerjournalismus: „Geschlagen werden gehörte dazu“
       
       Die Aktivisten von „Global Voices“ beobachten und dokumentieren
       internationale Blogs. Der Leiter Ivan Sigal sprach auf der Bloggerkonferenz
       re:publica über Internetzensur.