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       # taz.de -- Klang und Gesang: Glöckchengebimmel und Geblöke
       
       > Im „ausland“ in Prenzlauer Berg gibt es die aufregende Musik tibetischer
       > Mönche zu hören.
       
   IMG Bild: Es summt! Mönche bei einer Veranstaltung mit dem Dalai Lama in Hamburg, 2007.
       
       Die polyfonen Gesänge tibetischer Mönche sind längst der Renner in jedem
       New-Age-Laden. Deren Obertongesänge haben auf westliche Ohren eine
       beruhigende Wirkung, die Wiederholungen machen einen leicht schläfrig, da
       hält nicht einmal der Gesang der Buckelwale mit.
       
       Eine ganze Session dieser Mönche bekommt man freilich auf Tonträger nie zu
       hören. Stundenlang dauern die Ritualgesänge zu Ehren Buddhas, da würde
       selbst der eifrigste Berliner Esoteriker kapitulieren. Was für eine
       Ausdauer diese Mönche ganz generell haben, das lässt sich auch ganz gut in
       Werner Herzogs Dokumentarfilm „Rad der Zeit“ sehen, wo der Filmemacher eine
       Kalachakra-Initiation im Norden Indiens zeigt, während der das sogenannte
       Mandala gebaut wird, das „Rad der Zeit“.
       
       Wer darin die buddhistischen Pilger sieht, versteht, was echte Hingabe sein
       muss. Manche von ihnen wandern monatelang zu der Initiation und werfen sich
       dabei in den Staub, den Matsch oder eine Pfütze. Diese Passion ist es, die
       die tibetischen Kulte für uns so faszinierend machen.
       
       ## Mönchsrituale in Bhutan
       
       Seit der Invasion Tibets durch China 1950 und erst recht nach dem Aufstand
       der Tibeter gegen die Besatzer 1959 sind die tibetischen Mönche vor allem
       nach Nordindien, Nepal und Bhutan emigriert. So ist es auch kein Wunder,
       dass die wohl wichtigste und bekannteste Platte mit ethnomusikologischen
       Aufnahmen Tibetischer Mönchsrituale 1972 in Bhutan entstanden ist, nämlich
       die Doppel-LP mit dem Titel „Tibetan Buddhist Rites From The Monestaries of
       Bhutan“.
       
       Der Engländer John Levy bereiste damals im Auftrag der New Yorker
       Plattenfirma Lyrichord und mit einer persönlichen Einladung des Königs von
       Bhutan das Land und nahm mit seinem kleinen Aufnahmegerät und einem
       Mikrofon die Kultmusik auf – das Album ist heute ein Klassiker der
       Fieldrecordings.
       
       ## Freejazz und Dauergebläse
       
       Der Ethnomusikologe Laurent Jeanneaus, der derzeit regelmäßig seine
       Aufnahmen mit obskurer Musik aus Asien im Club „ausland“ im Prenzlauer
       Berg, im Rahmen der Reihe „Music of/for Minorities“, präsentiert, arbeitet
       mit ähnlichen Methoden: Umherreisen, Vertrauen gewinnen, Ritual beiwohnen
       und mit einfacher Technik aufnehmen.
       
       Jeanneaus präsentiert heute die Ritualmusik tibetischer Mönche, auf die er
       auf seinen Reisen in den entlegeneren Gebieten Asiens, die er seit gut 15
       Jahren unternimmt, gestoßen ist. Tibet selbst mag seit damals seinen
       ursprünglichen Charakter noch mehr verloren haben, seit Chinesen das
       ehemals autonome Land sogar via Eisenbahn fluten. Und was passiert, wenn
       der Dalai Lama nicht mehr ist, weiß auch kein Mensch. Aber noch machen die
       Mönche in Bhutan und Nepal ihre aufregende Musik mit Instrumenten wie
       damals und während Ritualen wie damals. In stundenlangen Sessions
       produzieren sie dieses Dröhnen, vermischt mit Glöckchengebimmel,
       schiffshornartigem Geblöke und an Freejazz erinnerndem Dauergebläse, das
       nun auch in Berlin zu erleben ist.
       
       4 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hartmann
       
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