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       # taz.de -- Etikettenschwindel bei Lebensmitteln: Mit dem Bio-FBI gegen Öko-Betrug
       
       > Die Grünen wollen, dass eine EU-Agentur den Kampf gegen falsch
       > deklarierte Ware stärker überwacht. Einzelne Länder reagierten auf
       > Skandale zu langsam.
       
   IMG Bild: Ei, ei, ei: Eine EU-Agentur könnte lahmen Nationalbehörden bei der Eierüberwachung strenger auf die Finger schauen
       
       BRÜSSEL taz | Nach Betrugsskandalen mit dem Biosiegel fordert der
       Koordinator des Europa-Parlaments für die Reform der EU-Ökoverordnung,
       Martin Häusling, mehr Kontrolle aus Brüssel. „Wir brauchen eine zentrale
       europäische Kontrollagentur, die die Arbeit der nationalen Behörden gegen
       Bioetikettenschwindel besser koordiniert und überwacht“, sagte der
       Grünen-Abgeordnete der taz. Bisher würden sich in Brüssel nur zwei
       Mitarbeiter der EU-Kommission mit dem Thema befassen.
       
       Der Hesse organisiert als sogenannter Berichterstatter die Entscheidung des
       Parlaments über die Reform, wobei er sich mit den anderen Fraktionen
       abstimmt. Bis Ende März will er seinen von so gut wie allen Beteiligten mit
       Spannung erwarteten Gegenentwurf zum Vorschlag der EU-Kommission
       präsentieren. Seine Äußerungen im Gespräch mit der taz zeigen, in welche
       Richtung er gehen wird.
       
       Biolandwirtschaft gilt als besonders umweltschonend, etwa weil die
       europaweit 190.000 Ökobetriebe auf synthetische Pestizide und Dünger
       verzichten. Doch nicht immer werden die Regeln eingehalten. Vor Kurzem
       wurden Tausende Tonnen hochgradig mit Pestiziden verseuchtes Biofutter an
       Öko-Legehennen verfüttert. Während Deutschland Eiern aus den betroffenen
       Betrieben das Biosiegel entzog, ließen die Niederlande die Ware auf dem
       Ökomarkt, berichtet Häusling. „Das zeigt, dass die Behörden der
       Mitgliedsländer einheitlicher auf Betrugsfälle reagieren müssen.“
       
       Bei anderen Skandalen hätten manche EU-Staaten auch zu langsam reagiert. In
       solchen Fällen könnte Häusling zufolge ein spezialisiertes EU-Team
       effizienter als bisher die Mitgliedsländer anhalten, die Ökoverordnung
       durchzusetzen.
       
       Die EU-Kommission ließ eine Bitte um Stellungnahme zunächst unbeantwortet.
       Auf Fragen zu anderen Vorschlägen für die Bioverordnung bei einer
       Pressekonferenz vergangene Woche, zu der die Kommission auch die taz nach
       Brüssel eingeladen hatte, wich Agrarkommissar Phil Hogan aus. Offenbar will
       er sich öffentlich nicht festlegen, bevor die offiziellen Verhandlungen
       zwischen den EU-Institutionen begonnen haben.
       
       ## Es gibt keinen Anbaustandard für Papayas
       
       In ihrem aktuellen Entwurf geht die EU-Kommission auf die Effizienzprobleme
       bei der Kontrolle nicht ein. Stattdessen will sie die Regeln für die
       Kontrolle von Biobauern verschärfen, die für den Export in die EU
       produzieren. Ihre Kontrollstelle soll ihnen nicht mehr erlauben dürfen, zum
       Beispiel Öko-Pflanzenschutzmittel einzusetzen, die in Europa verboten sind.
       Künftig soll überall die EU-Ökoverordnung eins zu eins gelten. Häusling
       sagt aber: „Wir haben keinen speziellen Anbaustandard zum Beispiel für
       Papayas.“ Deshalb sollte die EU Standards anerkennen, die die
       Weltorganisation der Bioverbände, Ifoam, aufstellt.
       
       Häusling lehnt zudem die von der Kommission vorgeschlagene Regel ab, dass
       das Futter für Schafe und Rinder zu 90 Prozent sowie das für Schweine und
       Geflügel zu 60 Prozent vom eigenen Betrieb oder regionalen Biohöfen stammen
       muss. „Das ist so in der Praxis nicht überall in Europa umsetzbar, da es
       vor Ort einfach nicht genug Futter gibt“, sagt Häusling. Außerdem sei der
       Begriff „Region“ sehr unterschiedlich auslegbar. Doch auch der Grüne will,
       dass Biobetriebe mehr Futter aus der Region einsetzen. „Wir erarbeiten
       gerade einen praxisfähigen Vorschlag.“
       
       Auf Widerstand stößt bei den Grünen auch, dass die EU-Kommission
       grundsätzlich erlauben will, Bioprodukte mit Vitaminen und Mikronährstoffen
       anzureichern. „Das weicht den Anspruch an die Natürlichkeit verarbeiteter
       Ökolebensmittel auf“, argumentiert Häusling.
       
       Trotz massiven Protests deutscher Biolobbyisten bleibt der Parlamentarier
       dabei, dass Bio-Elterntiere von Legehennen [1][Auslauf im Grünen haben
       müssen]. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) dagegen will
       statt eines Grünauslaufs auch einen Unterstand mit Maschendrahtwänden
       erlauben. Das soll das Risiko senken, dass Wildvögel die Tiere mit
       Krankheiten infizieren. Häusling überzeugt das nicht: „In der Schweiz geht
       das ja auch.“
       
       4 Feb 2015
       
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