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       # taz.de -- Kommentar Balkan-Urteil: Serben und Kroaten müssen reden
       
       > Der IGH hat Serbien und Kroatien vom Völkermord freigesprochen. Das ist
       > richtig. Doch zur Bewältigung der Vergangenheit wird es nicht beitragen.
       
   IMG Bild: Zerstört: Straßenzug in der kroatischen Stadt Vukovar, 1991.
       
       Im Grunde war [1][das Urteil des Internationalen Gerichtshofes] (IGH)
       erwartbar. Zwar hat Serbien 1991 Kroatien militärisch angegriffen und ein
       Drittel des Landes erobert und verwüstet, dabei alle Nichtserben aus den
       eroberten Gebieten vertrieben. Für diese Verbrechen jedoch den Begriff des
       Genozids zu benutzen, ist trotz allem zu hochgegriffen.
       
       Auch die Gegenoffensive 1995, als mehr als 200.000 Serben dann vor den
       vorrückenden kroatischen Truppen aus der Krajina und anderen Serbengebieten
       in Kroatien fliehen mussten und Hunderte serbische Zivilisten ermordet
       wurden, kann nach Meinung des Gerichts nicht mit dieser Kategorie belegt
       werden.
       
       Die Regierungen in Zagreb und in Belgrad können jetzt trotz einiger
       enttäuschter Kommentare von den jeweils nationalistischen Seiten durchaus
       mit dem Urteil leben. Das Urteil ist für sie politisch akzeptabel, weil es
       Stolpersteine im Verhältnis beider Staaten wegräumt.
       
       So weit, so gut. Trägt das Urteil aber auch zur Bewältigung der
       Vergangenheit in beiden Ländern bei? Die Erfahrungen mit dem IGH-Urteil von
       2007 in Bezug auf den Genozid in der bosnischen Stadt Srebrenica sprechen
       dagegen.
       
       Damals wurde der Staat Serbien sogar von der Verantwortung gegenüber
       Srebrenica und den vorausgehenden systematischen Morden,
       Massenvergewaltigungen und Vertreibungen der bosniakischen
       Bevölkerungsgruppe freigesprochen. Dieses Urteil hat die serbische
       Gesellschaft aus der geschichtlichen Verantwortung entlassen.
       
       So werden nach wie vor serbische Mörder aus dem bosnischen Krieg zu
       Volkshelden verklärt. Auch das jetzige Urteil bietet Raum für die weitere
       Verbreitung von nationalistischen Mythen und Geschichtsklitterungen. Dabei
       hätten beide Gesellschaften eine radikale Geschichtsdiskussion bitter
       nötig.
       
       3 Feb 2015
       
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