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       # taz.de -- Verfassungsschutz in Deutschland: Wo sitzen die Spitzel?
       
       > Bund und Länder wollen eine V-Leute-Datei einrichten. Die Namen der
       > Zuträger werden darin aber nicht genannt. Im Frühjahr soll es losgehen.
       
   IMG Bild: Eine dunkle Gestalt betritt das Amt. Steht sie im V-Leute-Register?
       
       FREIBURG taz | Die Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern richten
       derzeit ein V-Leute-Register ein. Über zehn Jahre nach Beginn der
       Diskussion soll das Projekt jetzt endlich realisiert werden. Erste
       Landesämter haben bereits Informationen über ihre Spitzel geliefert.
       
       V-Leute sind keine Beamten, sondern Teil einer extremistischen Szene, die
       der Staat überwacht. Gegen Geld liefern die Spitzel dem Verfassungsschutz
       oder der Polizei Insiderinformationen. Das geplante Register betrifft nur
       Verfassungsschutz-Spitzel.
       
       Ein V-Leute-Register soll zeigen, welches Amt in welcher Szene und
       Organisation wie viele Quellen angeworben hat. Es soll so verhindern, dass
       sich in manchen Organisationen V-Leute häufen, weil jedes Landesamt dort
       vertreten sein will, während es in anderen Szenen gar keine Quellen gibt.
       Das Register soll den Informationsaustausch zwischen den Ämtern
       erleichtern. Und es soll vermeiden, dass ein V-Mann von mehreren Ämtern
       parallel Spitzellohn kassiert.
       
       Ausgelöst wurde die Diskussion bereits 2003 nach dem Scheitern des ersten
       NPD-Verbotsverfahrens. Damals wurde bekannt, dass unter den rund 200
       NPD-Vorstandsmitgliedern in Bund und Ländern bis zu 15 Prozent V-Leute
       waren. Besonders kurios war die Situation im NPD-Landesverband
       Nordrhein-Westfalen.
       
       Dort spitzelte der damalige Vorsitzende Udo Holtmann für den
       Landesverfassungsschutz in Düsseldorf, während sein Stellvertreter Wolfgang
       Frenz lange Jahre das Bundesamt belieferte. Angeblich wussten die beiden
       Behörden nichts von dieser Konstellation. Daraufhin beschlossen die
       Amtsleiter, sich künftig über ihre Quellen auszutauschen.
       
       ## Zettel mit Strichliste
       
       Statt einer Datei gab es dann aber nur jährliche Gespräche. Der Spiegel
       beschrieb das Verfahren so: „Ein Zettel wurde um den Tisch gegeben, auf dem
       jeder Amtsleiter verdeckt eine Anzahl Striche machte.“ Diese Darstellung
       wurde offiziell aber nicht bestätigt. Erst nach dem NSU-Ermittlungsdesaster
       beschloss die Innenministerkonferenz im Mai 2013 ein V-Leute-Register. Es
       gehörte zu einem Maßnahmen-Paket, das die Akzeptanz für das Spitzelwesen
       wieder steigern sollte. Hans-Georg Maaßen, der Präsident des
       Verfassungsschutzes des Bundes, kündigte damals an, dass die Dateianordnung
       bis Ende 2013 fertig sein werde. Der Termin wurde allerdings weit verfehlt.
       
       Ein zentrales Problem der Datei: Die Länder wollen nicht die Klarnamen
       ihrer V-Leute mitteilen. Sie haben Angst, dass die Datei gehackt werden
       könnte und dann nicht nur ihre Quellen verbrannt sind, sondern auch die
       V-Leute selbst in Gefahr geraten. Stattdessen, so hieß es 2013, sollten die
       Spitzel in der Datei über andere aussagekräftige Kennzeichen, etwa
       körperliche Merkmale, identifiziert werden. Doch entweder das Merkmal ist
       zu allgemein, dass es nichts bringt, oder es ist so speziell, dass man
       gleich den Namen nennen könnte. Die Diskussion zog sich hin.
       
       Erst im Oktober 2014 einigten sich Bund und Länder über die konkreten
       Bedingungen. Das Bundesinnenministerium bestätigt nun zwar, dass die Datei
       „im Frühjahr“ startklar sein soll. Es müsse aber geheim bleiben, wie die
       V-Leute konkret identifiziert werden. Möglicherweise werden die V-Leute nur
       nach „Phänomenbereichen“ gezählt, ohne sie näher zu beschreiben.
       
       Derzeit prüft Andrea Voßhoff, die Bundesbeauftragte für den Datenschutz,
       die Dateianordnung. Sie muss feststellen, ob die Daten der Spitzel in dem
       neuen Register ausreichend vor unbefugter Kenntnisnahme geschützt sind.
       Zuständig für die Dateianordnung ist das Bundesamt in Köln, bei dem das
       Register auch geführt werden soll. Zustimmen muss am Ende aber auch noch
       Innenminister Thomas de Maizière (CDU).
       
       1 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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