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       # taz.de -- Erfinder der Anti-Baby-Pille verstorben: Tod des „intellektuellen Schmugglers“
       
       > Carl Djerassi verstarb im Alter von 91 Jahren an einem Krebsleiden. Der
       > Chemiker hatte sich auch als Schriftsteller, Bühnenautor und Kunstmäzen
       > einen Namen gemacht.
       
   IMG Bild: Das Allround-Talent im Jahr 2009 an der Jacobs Universität in Bremen.
       
       WIEN/SAN FRANCISCO dpa | Der Miterfinder der Anti-Baby-Pille, der Chemiker
       Carl Djerassi, ist tot. Der österreichisch-amerikanische Wissenschaftler
       starb im Alter von 91 Jahren in der Nacht zum Samstag in San Francisco
       (Kalifornien) an einem Krebsleiden. Das bestätigte das Museum Albertina in
       Djerassis Geburtsstadt Wien.
       
       Er sei Zuhause – umgeben von Familie und Freunden – friedlich
       eingeschlafen, teilte die Stanford Universität mit. An der renommierten
       kalifornischen Hochschule lehrte Djerassi seit den späten 1950er Jahren.
       Der vielfach geehrte Chemiker hatte sich auch als Schriftsteller,
       Bühnenautor und Kunstmäzen einen Namen gemacht.
       
       Geboren wurde Djerassi am 29. Oktober 1923 in Österreich. Der Sohn
       jüdischer Eltern flüchtete 1939 vor den Nationalsozialisten in die USA, wo
       er promovierte. Zusammen mit Luis Miramontes entwickelte er vor mehr als 60
       Jahren in Mexiko die Synthese für das Sexualhormon Norethisteron und legte
       damit die Basis für die Pille. Das Verhütungsmittel kam 1960 erstmals auf
       den Markt. Zu den Arbeiten des Chemikers gehörte auch die künstliche
       Herstellung von Kortison, das zur Behandlung zahlreicher Krankheiten
       eingesetzt wird.
       
       „Carl Djerassi ist wohl der großartigste Chemiker, den unser Fachbereich je
       hatte“, sagte der ebenfalls vielfach geehrte Chemiker Richard N. Zare von
       der Stanford Universität in einem Nachruf. Er kenne keinen anderen Menschen
       in der Welt, der Wissenschaft mit literarischem Talent so gut verbinden
       konnte.
       
       ## „Meilenstein der Emanzipation“
       
       Österreichs Regierungspolitiker würdigten Djerassi am Samstag als einen
       Spitzenforscher und stellten dabei auch seine späte Versöhnung mit seinem
       Heimatland heraus. „Vom NS-Regime aus seiner Heimat vertrieben hat er
       dennoch in den letzten Jahren enge Verbindungen zu Österreich gepflegt und
       sich mit Österreich versöhnt“, sagte Kulturminister Josef Ostermayer.
       
       Der als bulgarischer Staatsbürger geborene Djerassi erhielt 2004 die
       österreichische Staatsbürgerschaft und vermachte wenige Jahre später einen
       Teil seiner Kunstsammlung der Wiener Albertina.
       
       Für seine wissenschaftlichen Errungenschaften erhielt der Professor unter
       anderem die National Medal of Science in den USA, das Österreichische
       Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst und das Bundesverdienstkreuz. Er
       wurde mit Ehrendoktortiteln gewürdigt, auch von der Frankfurter
       Goethe-Universität. Zu seinem 90. Geburtstag hielt er auf einer großen
       Feier seiner US-Hochschule einen Vortrag.
       
       Die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer fasste in einem Gespräch mit der
       Deutschen Presse-Agentur die Verdienste des Forschers einmal so zusammen:
       „Djerassi verdient ein Denkmal! Die Pille ist ein Meilenstein in der
       Geschichte der Emanzipation der Frauen.“
       
       ## Wissenschaft und Kunst vereint
       
       Djerassi selbst bewertete seinen naturwissenschaftlichen Erfolg bei allem
       Stolz mit Bescheidenheit. Er bezeichnete sich ausdrücklich als „Mutter der
       Pille“, weil er sich selbst nur als chemischer Erfinder des
       Empfängnisverhütungsmittels betrachtete, und schrieb auch eine gleichnamige
       Autobiografie. In späteren Jahren wies er wiederholt darauf hin, dass sein
       Leben mehr umfasse als die Erfindung der Pille.
       
       So entwickelte sich Djerassi zu einem leidenschaftlichen Sammler von
       Paul-Klee-Werken. Darin investierte er einen Teil seiner Tantiemen. Rund
       160 Arbeiten trug der Wissenschaftler zusammen; sie sind unter anderem in
       Museen in Wien und San Francisco zu sehen.
       
       Seit den 1980er Jahren sah sich Djerassi vor allem als Roman- und
       Bühnenautor. In vielen Werken setzt er sich mit dem Judentum, dem
       Wissenschaftsbetrieb und dem Kampf um Anerkennung auseinander. Für seinen
       Roman „Vier Juden auf dem Parnass“ recherchierte er in Frankfurter
       Archiven.
       
       Djerassi, der abwechselnd in Wien, London und San Francisco lebte, verstand
       sich als „intellektuellen Schmuggler“, der wissenschaftliche Fakten in
       seine literarischen Werke einbrachte. „Wenn es spannend genug ist, lernen
       sie gleich etwas dazu.“
       
       1 Feb 2015
       
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       Natürlich sorgen sich die drei Schweriner Landtagsfraktionen, die da mit
       dem Ruf nach der kostenlosen Pille für Hartz-IV-Empfängerinnen lospreschen,
       um das Wohlergehen der Betroffenen.