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       # taz.de -- Nach Anschlag auf Hotel in Libyen: Die Schattenkrieger von Tripolis
       
       > Der Angriff auf das Hotel Corinthia am Montag war ein Einschnitt für
       > Nordafrika. Hinter der Attacke stecken junge Syrien-Heimkehrer.
       
   IMG Bild: Bei dem Anschlag auf das Hotel am Montag wurden 13 Menschen getötet.
       
       BERLIN taz | Seit dem Abzug fast aller Diplomaten und ausländischen Firmen
       im vergangenen Sommer herrscht in dem riesigen Foyer des
       Corinthia-Luxushotels in Tripolis meist gespenstische Leere. Die wenigen
       ausländischen Delegationen und die Crews libyscher Fluggesellschaften
       glaubten sich jedoch in dem riesigen Komplex nahe der Altstadt sicher.
       
       Seit Montagmorgen um neun Uhr ist nun auch einer der letzten vermeintlich
       geschützten Orte in Tripolis zum Symbol für die zunehmende Anarchie in
       Libyen geworden. Bei dem Anschlag auf das Hotel starben am Montag 13
       Personen.
       
       Das Attentat hat es im Schatten der zahlreichen Krisenherde nicht auf die
       Titelseiten vieler westlicher Medien gebracht. Dennoch stellt er einen
       Paradigmenwechsel für ganz Nordafrika dar. Eine neue Generation von jungen
       Dschihadisten hat erstmals die Hauptstadt eines Landes im Griff. „Ihre
       Botschaft lautet: Wir können überall zuschlagen“, sagt ein libyscher
       Sicherheitsexperte, der davon ausgeht, dass die Täter Informanten aus dem
       Hotel hatten.
       
       Zwei der Attentäter waren gerade einmal volljährige Jugendliche aus
       Tunesien und dem Sudan, deren Identität in sozialen Netzwerken recht
       schnell öffentlich wurde.
       
       Tausende sind in den vergangenen Jahren von islamistischen Netzwerken aus
       den Nachbarländern nach Libyen geschleust und in Ausbildungslagern für den
       Einsatz in Syrien militärisch gedrillt worden. Immer mehr von ihnen kehren
       nun nach Libyen zurück. In Bengasi im Osten des Landes drängte die Armee –
       gemeinsam mit der Bevölkerung und ägyptischer Militärhilfe – in schweren
       Straßenkämpfen mit über 600 Toten die ehemaligen revolutionär-religiösen
       Milizen zurück. In der Hafenstadt Derna, in Sirte und Sabrata westlich von
       Tripolis kommt es schon seit Monaten immer wieder zu Morden an liberalen
       Aktivisten und Ausländern.
       
       ## Behörden machen bekannten Dschihadisten verantwortlich
       
       Auf dem „Islamischen Staat“ nahestehenden Webseiten tauchten Erklärungen
       auf, die den Anschlag als Vergeltung für die Verschleppung des
       Al-Qaida-Anführers Anas al-Libi durch Spezialeinheiten der US-Armee
       rechtfertigten. Die US-Behörden machen den 2012 nach Tripolis
       zurückgekehrten al-Libi für das Attentat auf die US-Botschaft in Nairobi im
       Jahr 2008 verantwortlich, bei dem 224 Menschen starben.
       
       Al-Libi verschwand im Herbst aus Tripolis und starb nach Angaben der New
       Yorker Staatsanwaltschaft während der Untersuchungshaft in einem
       US-Gefängnis. Dschihadisten kündigten weitere Anschläge in Tripolis an. Am
       Dienstag wurde bei einem misslungenen Granatenanschlag auf die
       amerikanische Schule in der libyschen Hauptstadt niemand verletzt.
       
       „Das Attentat lässt auch in Tunesien die Alarmglocken läuten, von wo sich
       mindestens 3.000 junge Männer in den Dschihad nach Libyen und Syrien
       aufgemacht haben. Politiker in Tripolis, die sich mit der Armeeallianz
       Karama auf einen Kompromiss einigen, könnten die nächsten Ziele sein“, sagt
       Mohamed Eljahr, ein Aktivist aus Tobruk.
       
       ## Es droht eine Spaltung des Landes
       
       Ob sich der aus Misurata stammende Premierminister Omar Hassi während des
       Anschlags im Hotel befand, blieb unklar. Sein Sprecher Mohamed Omar Hussein
       wies Spekulationen über die Anwesenheit von Kämpfern des IS in Tripolis
       empört zurück und machte die international anerkannte Regierung in Tobruk
       für die Gewalt verantwortlich.
       
       „Es ist fast egal, wer hinter dem Anschlag steckt. Mit jungen Männern, die
       sich auf Befehl in den Tod stürzen oder politische Gegner ermorden, kommen
       die Extremisten aller politischen Richtungen ihrem Ziel näher, Tripolis und
       die Bodenschätze Libyens zu kontrollieren“, sagt ein Polizist in Tripolis.
       
       Für die am Boden liegende libysche Wirtschaft kommt die Eskalation zu einem
       ungünstigen Zeitpunkt. Mit Beginn der Kämpfe zwischen der Armeeallianz
       Karama und der in Tripolis einmarschierten Milizengruppe al-Fajr ist der
       Ölexport eingebrochen, von dessen Erlös der libysche Staat praktisch alle
       Ausgaben bestreitet. Neben dem Staatsbankrott droht nun auch eine Spaltung
       des Landes, da der im Osten regierende Premierminister Abdullah Thinni
       versucht, in al-Beida eine neue Zentralbankstruktur aufzubauen.
       
       Bei den von der UNO organisierten Friedensgesprächen in Genf zeichnet sich
       ein Kompromiss zwischen al-Fajr und der Karama-Allianz ab. In zwei Wochen
       könnte eine Übergangsregierung stehen, sagte ein Teilnehmer zur taz. Bleibt
       nur die Frage, wer sie schützt.
       
       30 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Mirco Keilberth
       
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