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       # taz.de -- Iranische Außenpolitik: Wie böse ist der Iran?
       
       > Krieg und Terror in der Region lassen sich ohne Teheran nicht beenden.
       > Die USA nähern sich an – was Israel und Saudi-Arabien gar nicht gefällt.
       
   IMG Bild: Auch im Iran gibt es mächtige Gegner einer Normalisierung der Beziehung zu den USA
       
       Ist Iran Teil des Problems oder Teil der Lösung der Konflikte im Nahen und
       Mittleren Osten? Tatsächlich gibt es für beide Sichtweisen ausreichend
       Argumente.
       
       Der Schulterschluss mit dem syrischen Diktator Baschar al-Assad, die
       militärische und finanzielle Unterstützung der Hisbollah in Libanon, der
       Organisationen Hamas und Islamischer Dschihad in Palästina, der
       Huthi-Rebellen in Jemen, der schiitischen Minderheiten in den Staaten am
       Persischen Golf und die Feindschaft gegen Israel liefern Grund genug, um
       Iran für eine große Gefahr für die gesamte Region und für den Weltfrieden
       zu halten. Für Skeptiker ist auch unbestreitbar, dass Iran den Bau von
       Nuklearwaffen anstrebt.
       
       Die Optimisten indessen weisen auf die Kompromissbereitschaft Irans bei den
       Atomverhandlungen, auf den Wunsch Teherans, die Beziehungen zu den USA und
       der EU zu normalisieren, auf die Rolle Irans beim Kampf gegen die Taliban
       und seine Rolle beim Wiederaufbau von Afghanistan und noch wichtiger auf
       seinen Einsatz gegen die Milizen des „Islamischen Staats“ in Syrien und im
       Irak.
       
       ## Teheran unterstützt Assad
       
       Welche Sichtweise man auch vertritt, fest steht: Bislang sind alle
       Versuche, die Islamische Republik zu isolieren oder gar einen Regimewechsel
       in dem Land herbeizuführen, gescheitert. Dank der Kriege in Afghanistan und
       im Irak, der Politik des Westens in Syrien und Libyen und der Politik
       Israels in Palästina ist Iran zu einer regionalen Großmacht geworden.
       Folgerichtig sagte Mostafa Sahari, Leiter der Konferenz, die unter dem
       Motto „Gemeinsam gegen den Extremismus“ im Dezember in Teheran stattfand:
       „Iran wurde in den letzten Jahrzehnten als Teil des Problems angesehen,
       jetzt gilt es als Teil der Lösung.“
       
       Längst versucht Iran eine Front unter Einbeziehung der Nachbarstaaten
       aufzubauen, die beim Kampf gegen den IS eine Alternative zu der Einmischung
       des Westens bilden soll. Bei der Konferenz waren vierzig Länder vertreten,
       darunter auch die Außenminister Iraks und Syriens. Irans Präsident Rohani
       sagte dort, ein Bündnis der Regionalstaaten gegen den IS wäre weitaus
       effektiver als die von den USA geführte internationale Koalition.
       
       Iran gehörte zu den ersten Staaten, die den Kurden beim Kampf gegen den IS
       militärisch und personell zur Hilfe eilten. Ohne diese Hilfe, die bis heute
       andauert und zunehmend verstärkt wird, hätte der IS weitaus größere Erfolge
       erzielen können. Auch die Regime in Syrien und im Irak haben allen Grund,
       Iran dankbar zu sein. Beiden Ländern gewährt Teheran massive militärische
       Hilfe. Syrien erhielt zudem im vorigen Juli einen Kredit in Höhe von 3,6
       Milliarden Dollar zum Kauf von Ölprodukten und eine weitere Milliarde zum
       Erwerb anderer Güter.
       
       ## Kampf gegen IS kommt gelegen
       
       Im Irak ist die Islamische Republik mit der Ausbildung und Bewaffnung
       schiitischer Milizen und Waffenlieferungen an die irakischen Streitkräfte
       am Kampf gegen den IS beteiligt. Täglich landen zwei bis drei iranische
       Militärflugzeuge mit Waffen und Munition am Bagdader Flughafen. Im
       vergangenen Jahr hat Iran für rund 8,5 Milliarden Euro Waffen und Geräte an
       den Irak verkauft, darunter Sturmgewehre, schwere Maschinengewehre und
       Raketenwerfer. Teheran ließ sich sogar nicht davon abhalten, die
       Terroristen auch aus der Luft anzugreifen. Anfang Dezember bombardierten
       iranische F4-Kampfjets im Osten Iraks IS-Stellungen. Der Einsatz Irans
       gegen IS wird immer stärker.
       
       Wie aber wird dieses iranische Engagement vor allem von den USA, aber auch
       von den Regionalmächten aufgenommen? Im vergangenen November hatte
       US-Präsident Barack Obama in einem Schreiben an Irans Revolutionsführer Ali
       Chamenei eine Kooperation im Kampf gegen den IS in Aussicht gestellt,
       vorausgesetzt, es werde eine Einigung im Atomkonflikt zustande kommen. Als
       die iranischen Luftangriffe im Irak bekannt wurden, zitierte AFP einen
       anonymen Vertreter des Pentagon, der von einer „stillschweigenden
       Vereinbarung zwischen Teheran und Washington“ sprach. Und US-Außenminister
       John Kerry meinte, wenn Iran tatsächlich gegen IS vorgehe, „wäre dies unter
       dem Strich positiv“.
       
       ## Netanjahus Vorstoß
       
       Die Annäherung zwischen den Regierungen in Teheran und Washington ist
       unübersehbar. In den meisten EU-Staaten wird dies mit Wohlwollen
       registriert, nicht jedoch bei allen Regionalmächten. Vor allem
       Saudi-Arabien und Israel befürchten eine Neugestaltung der geostrategischen
       und sicherheitspolitischen Architektur der USA im Nahen und Mittleren
       Osten.
       
       Saudi-Arabien, das seit Jahrzehnten neben Israel als wichtigster
       Bündnispartner der USA und wohl auch der EU gilt, befürchtet, durch eine
       mögliche Einbettung Irans in die westliche Politik ins Abseits gedrängt zu
       werden. Daher unterlässt das Land keinen Versuch, Iran zu schwächen und
       eine Annäherung zwischen Teheran und Washington zu verhindern.
       
       Auch Israel versucht mit allen Mitteln eine Kooperation zwischen Teheran
       und Washington zu verhindern. Die Regierung Benjamin Netanjahu mobilisiert
       seit geraumer Zeit alle möglichen Kräfte, um ein Atomabkommen mit Iran zum
       Scheitern zu bringen. Die geplante Rede Netanjahus vor dem Kongress und
       Senat in Washington über das iranische Nuklearprogramm ist der neueste
       Schachzug im Dienste dieses Ziels. Bei den Republikanern, die härtere
       Sanktionen gegen Iran fordern und in beiden Häusern die Mehrheit haben,
       wird sein Auftritt ein Heimspiel sein.
       
       Auch im Iran selbst gibt es mächtige Gegner einer Normalisierung der
       Beziehungen zu den USA. Die Konservativen, die über weitaus mächtigere
       Instanzen verfügen als die reformorientierte Regierung, befürchten eine
       Beschleunigung der Verwestlichung und damit den Verlust ihrer ideologischen
       Basis. Sie möchten zwar eine Einigung im Atomkonflikt, um die Sanktionen zu
       beenden, nicht aber eine Normalisierung der Beziehungen zu den USA.
       Zwischen den Konservativen und Reformern tobt ein Machtkampf. Der Ausgang
       dieses Kampfes und nicht zuletzt der Umgang des Auslands mit der
       Islamischen Republik entscheidet über den künftigen Charakter des Regimes:
       ein Schurkenstaat oder ein Staat im Wandel zu Demokratie.
       
       2 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bahman Nirumand
       
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