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       # taz.de -- Gauck zum Gedenken an Auschwitz: „Bewahrt die Mitmenschlichkeit“
       
       > Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz: Mit persönlichen Worten
       > erinnert der Bundespräsident an die Befreiung. Und mahnt, nicht zu
       > vergessen.
       
   IMG Bild: Bundespräsident Joachim Gauck spricht, der Bundestag hört zu.
       
       BERLIN dpa | Bundespräsident Joachim Gauck sieht Deutschland 70 Jahre nach
       der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz in der moralischen Pflicht
       zum Schutz von Flüchtlingen und Menschenrechten. „Es gibt keine deutsche
       Identität ohne Auschwitz“, sagte Gauck am Dienstag in einer Sondersitzung
       des Bundestages zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus.
       
       Aus dem Erinnern an das Menschheitsverbrechen des millionenfachen Mordes an
       Juden ergebe sich ein Auftrag. „Er sagt uns: Schützt und bewahrt die
       Mitmenschlichkeit. Schützt und bewahrt die Rechte eines jeden Menschen.“
       
       An der Gedenkstunde nahmen auch Auschwitz-Überlebende teil. In dem
       NS-Vernichtungslager waren mehr als 1,1 Millionen Menschen ermordet worden.
       Eine Million von ihnen waren Juden. Die Sowjetarmee hatte am 27. Januar
       1945 die letzten 7500 Gefangenen befreit.
       
       Gauck warnte davor, unter den Holocoust einen Schlussstrich zu ziehen: „Die
       Erinnerung an den Holocaust bleibt eine Sache aller Bürger, die in
       Deutschland leben.“ In Deutschland, wo man täglich an Häusern vorbeigehe,
       aus denen Juden deportiert worden seien, „ist der Schrecken der
       Vergangenheit näher und die Verantwortung für Gegenwart und Zukunft größer
       und verpflichtender als anderswo“.
       
       ## Mehrheit der Deutschen will Holocaust „hinter sich lassen“
       
       Gaucks Mahnungen beziehen sich auch auf eine aktuelle Umfrage der
       Bertelsmann Stiftung, nach der sich eine große Mehrheit der Deutschen nicht
       mehr mit dem Holocaust beschäftigen will. 81 Prozent möchten demnach die
       Geschichte der Judenverfolgung „hinter sich lassen“. 58 Prozent wollen
       einen Schlussstrich ziehen.
       
       „Solange ich lebe, werde ich darunter leiden, dass die deutsche Nation mit
       ihrer so achtenswerten Kultur zu den ungeheuerlichsten
       Menschheitsverbrechen fähig war“, bekannte Gauck sehr persönlich. Der
       Diktatur hätten sich die Menschen aber entgegengestellt, als sie „nach
       aller Schuld und später Scham und Reue“ Empathie mit den Opfern entwickelt
       hätten. „Und wir tun es heute, wenn wir uns jeder Art von Ausgrenzung und
       Gewalt entgegenstellen und jenen, die vor Verfolgung, Krieg und Terror zu
       uns flüchten, eine sichere Heimstatt bieten.“
       
       Dies gelte gerade in Zeiten, „in denen wir uns in Deutschland erneut auf
       das Miteinander unterschiedlicher Kulturen und Religionen zu verständigen
       haben“, sagte Gauck, ohne die islamkritischen Pegida-Demonstrationen direkt
       anzusprechen. Mit Blick auf Einwanderer aus Ländern, in denen
       Antisemitismus und Hass auf Israel verbreitet seien, sagte der
       Bundespräsident, wenn solche Haltungen nachwirkten, „haben wir ihnen
       beharrlich die historische Wahrheit zu vermitteln und sie auf die Werte
       dieser Gesellschaft zu verpflichten“.
       
       ## Was Menschen Menschen antun können
       
       Bundestagspräsident Norbert Lammert sagte, Auschwitz stehe wie kein anderer
       Ort für das, was Menschen Menschen antun könnten. Die Erinnerung an den
       Holocaust mahne eindringlich, solche Verbrechen nie und nirgendwo mehr
       zuzulassen. Lammert betonte: „Für die schreckliche Vergangenheit unseres
       Landes sind die Nachgeborenen nicht verantwortlich, für den Umgang mit ihr
       aber schon.“
       
       Im Anschluss an die Gedenkstunde reiste der Bundespräsident zur
       internationalen Gedenkfeier nach Auschwitz. Dort wurden neben Staats- und
       Regierungschefs auch etwa 300 ehemalige Häftlinge erwartet.
       
       27 Jan 2015
       
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