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       # taz.de -- Kommentar Aufarbeitung von Missbrauch: Durchwachsene Bilanz
       
       > Den Missbrauchsopfern wird es weiterhin schwergemacht, Forderungen zu
       > stellen. Die Aufklärung muss von außerhalb der Institutionen betrieben
       > werden.
       
   IMG Bild: „Man schickt einen überführten Brandstifter mit Feuerzeug in einen trockenen Wald.“
       
       Wo stehen wir heute – fünf Jahre, nachdem die Missbrauchsfälle am
       katholischen Canisius-Kolleg und an der reformpädagogischen Odenwaldschule
       an die Öffentlichkeit kamen?
       
       Auf den ersten Blick fällt die Bilanz gut aus: Es gibt einen Unabhängigen
       Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, den die
       Bundesregierung finanziert. Viele namhafte Institutionen, vom
       Kinderschutzbund bis zu den Grünen, mussten sich kritisch mit der eigenen
       Geschichte auseinandersetzen. Die Verjährungsfristen für sexuellen
       Missbrauch wurden verlängert, das Strafrecht wurde verschärft,
       Entschädigungsfonds und Präventionsprogramme wurden aufgelegt.
       
       Doch in der katholischen Kirche ist ausgerechnet Kurienkardinal Müller für
       die Aufarbeitung zuständig, der als Verharmloser von Missbrauchsfällen
       bekannt wurde. Kein Wunder, dass es Opfern nicht gelingt, an Akten zu
       kommen, die seit 1991 beim Vatikan unter Verschluss liegen.
       
       Bei der evangelischen Kirche ist es kaum besser: Noch immer ist im Umgang
       mit übergriffigem Kirchenpersonal eine Praxis des Bagatellisierens üblich,
       die ein Betroffener folgendermaßen beschreibt: „Man schickt einen
       überführten Brandstifter mit Feuerzeug in einen trockenen Wald.“
       
       Missbrauchsopfern, die Forderungen stellen, begegnet man mit langen und
       intimen Fragebögen. War es keine „richtige“ Vergewaltigung, bekommen sie im
       Schnitt 2.000 bis 3.000 Euro zugesprochen. Das deckt nicht mal die Kosten
       für einen Therapeuten. Und von einem Willen zur Selbstkritik der
       reformpädagogischen Zunft ist bislang wenig zu merken.
       
       Die Aufklärung sexuellen Kindesmissbrauchs, so viel ist in fünf Jahren
       deutlich geworden, darf nicht den Institutionen selbst überlassen werden.
       Nur durch öffentlichen Druck und gesetzliche Handhabe erfahren Opfer die
       Entschädigung und Genugtuung, die ihnen zustehen.
       
       27 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nina Apin
       
       ## TAGS
       
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