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       # taz.de -- Google, Wikileaks und die Daten: Verpetzer verpetzen
       
       > Google hat der US-Regierung E-Mails und Daten von Wikileaks-Mitarbeitern
       > weitergegeben. Die beschweren sich jetzt. Aber wer sind nun die Bösen?
       
   IMG Bild: Sarah Harrison, britische Journalistin und Mitarbeiterin von Wikileaks.
       
       Ecce homo: Auch Wikileaks-Mitarbeiter benutzen Gmail-Accounts. Das ist
       einigermaßen erstaunlich – für eine Organisation, die mit derart sensiblem
       Material hantiert. Und für Leute, die mit Wikileaks-Gründer Julian Assange
       zusammenarbeiten, der sich regelmäßig als scharfer Google-Kritiker
       positioniert. Darüber kann man sich lustig machen – aber möge doch mal der
       den ersten Stein werfen, der nicht niemals nie wider alles besseres Wissen
       einen digitalen Dienst nutzt, von dessen Integrität und Diskretion er nicht
       hundertprozentig überzeugt ist.
       
       Außerdem: Unabhängig davon, wie man zu Diensten wie Gmail steht, ist es
       falsch, den Schutz digitaler Kommunikation nur im Dienste von
       Elitendiensten wie IR-Chats oder PGP zu verteidigen. Wer die AGB von
       Freemail-Anbietern und anderen Webklitschen unterschreibt, mag sich zwar
       den Regeln des jeweiligen Unternehmens unterwerfen. Das bedeutet aber
       nicht, dass Staat und Dienste ohne Rücksicht auf Grundrechte darin
       herumwühlen dürfen.
       
       Insofern war es unklug, dass die Wikileaks-Mitarbeiter Sarah Harrison,
       Kristinn Hrafnsson und Joseph Farrell Mailkonten beim
       US-Suchmaschinengiganten besaßen und benutzten – wohl wissend, dass sie mit
       ihrer Arbeit US-Behörden gehörig gegen sich aufstacheln. Die Fragen, die
       ihr Fall nun aufwirft, entwertet das aber nicht.
       
       Konkret geht es darum, dass Google den drei genannten
       Wikileaks-Mitarbeitern kurz vor Weihnachten 2014 mitteilte, dass es der
       US-Regierung 2012 E-Mails und weitere Daten aus ihren Accounts hat zukommen
       lassen, nachdem das Unternehmen in einem geheimen Durchsuchungsbeschluss
       dazu aufgefordert worden war. Entsprechende Dokumente veröffentlichte
       Wikileaks am Sonntag, gemeinsam mit einem Antwortschreiben seiner Anwälte.
       Darin wird unter anderem bemängelt, dass Google zweieinhalb Jahre wartete,
       bevor sie Harrison und ihre Kollegen informierten.
       
       ## Was gab Google weiter?
       
       Derzeit ist weder klar, welche Informationen Google konkret an die Behörden
       gab, noch ob das Unternehmen rechtliche Schritte gegen die „gag order“,
       also die Verpflichtung, Stillschweigen über die Anfrage zu bewahren,
       eingeleitet hat. Dem Guardian und dem NDR gegenüber verweigerte Google eine
       Stellungnahme zu dem Fall.
       
       Hat Google tatsächlich keine Anstrengungen unternommen, die betroffenen
       Mitarbeiter früher zu informieren, steht dies in krassem Gegensatz, den
       Twitter in einem ähnlichen Fall an den Tag gelegt hatte. Der
       Kurznachrichtendienst wehrte sich gegen eine ähnliche Anordnungen
       gerichtlich und erstritt das Recht, drei Wikileaks-Assoziierte, darunter
       den Hacker Jacob Appelbaum, über die Weitergabe von Informationen über sie
       an US-Behörden zu informieren.
       
       Die Auskunftspraxis der US-Regierung stellt jedoch generell ein Problem
       dar. Gerade in Kombination mit der Stillschweigeklausel. Und besonders,
       wenn diese eingesetzt wird, um das Verbrechen zu bestrafen, Informationen
       über Missstände zu veröffentlichen.
       
       Mittlerweile veröffentlichen immer mehr große Internetunternehmen
       regelmäßig Transparenzberichte, in denen sie auflisten, wie häufig sie
       Behörden Auskunft über ihre Kunden erteilen mussten. Das bleiben jedoch
       Statistiken ohne viel Aussagekraft, solange dort Terrorverdächtige,
       Whistleblower und Internetbetrüger in einem Zahlenklumpatsch vermengt
       werden.
       
       ## Microsoft wehrt sich
       
       Der wenig populäre Fall von Nicholas Merrill, der sich 2004 gegen eine
       geheime Auskunftsanfrage des Staats gegen seinen kleinen ISP wehrte, hat
       gezeigt, wie zermürbend diese Geheimhaltungsklauseln die treffen kann, die
       sich ihnen entgegenstellen. Eben weil sie nicht die Möglichkeit haben,
       öffentlich gegen die staatlichen Auskunftsanordnungen zu protestieren.
       
       Und ein aktueller Prozess des Microsoft-Konzerns versucht, noch etwas
       anderes wieder durchzusetzen. Der Konzern wehrt sich dagegen, der
       US-Regierung im Zusammenhang mit Drogenhandel und Geldwäsche Auskunft über
       einen Nutzer zu geben, dessen Daten auf einem Server in Irland lagern. Ihre
       Begründung: Man könne doch ganz einfach internationale Rechtshilfeabkommen
       mit Irland bemühen, um an die Daten zu kommen. Rechtsstaatliche Überprüfung
       der Anfrage inklusive.
       
       26 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Meike Laaff
       
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