URI: 
       # taz.de -- Nachruf auf Pedro Lemebel: Chronist des marginalen Chile
       
       > „Träume aus Plüsch“ – zum Tod des legendären Künstlers und
       > Schriftstellers Pedro Lemebel, dem enfant terrible der chilenischen
       > Gesellschaft.
       
   IMG Bild: Sarg und Bild von Pedro Lemebel, Santiago de Chile, 24.1.2015.
       
       Der chilenische Schriftsteller und Performance-Künstler Pedro Lemebel
       brüskierte mit spitzen Attacken nicht nur das reaktionäre Establishment,
       sondern brachte auch die kommunistischen Parteigenossen allein durch seine
       divenhafte Erscheinung – geschminkt und auf hochhackigen Pumps – aus dem
       Konzept. Am 23. Januar erlag Lemebel nun seinem Krebsleiden. Mit einer
       schillernden Trauerfeier verabschiedeten ihn Hunderte Menschen am darauf
       folgenden Tag in Santiago de Chile.
       
       1952 in einfachen Verhältnissen als Sohn eines Bäckers geboren, studierte
       er Ende der siebziger Jahre an der Universidad de Chile bildende Kunst.
       Zwei Jahre unterrichtete er als Kunstlehrer in der Peripherie Santiagos,
       bis er – wegen seiner Homosexualität – 1982 entlassen wurde. Zu dieser Zeit
       hatte Lemebel bereits zu schreiben begonnen.
       
       Er schloss Freundschaft mit Diamela Eltit, Nelly Richard und anderen
       Protagonisten der künstlerischen Avantgarde Chiles. Noch unter der
       Pinochet-Diktatur gründete er mit dem Poeten Francisco Casa 1987 die
       Performance-Gruppe „Las Yeguas del Apocalipsis“, die wegen ihrer
       provokativen, überfallartigen Auftritte bis heute legendär ist.
       
       ## Tunten und Militante
       
       Seine biografisch geprägten Chroniken über Außenseiter, Tunten und
       Militante erschienen in Zeitschriften wie dem kommunistischen Punto Final
       oder der Satire-Zeitschrift The Clinic. Durch Vermittlung seines Freundes
       Roberto Bolaño veröffentlichte Lemebel seinen Band „Loco Afán. Crónicas de
       sidario“ mit Chroniken zu Homosexualität und Aids 2000 außerhalb Chiles im
       spanischen Verlag Anagrama.
       
       Auf Deutsch erschien 2003 sein Roman „Träume aus Plüsch“ im Suhrkamp
       Verlag. Darin erzählt er von der zarten Romance zwischen einer Tunte und
       einem jungen Revolutionär der Frente Patriótico Manuel Rodríguez während
       der Vorbereitungen zu einem Attentat auf Augusto Pinochet 1986.
       
       Zum Abschied zollte die Kulturministerin Claudia Barattini Pedro Lemebel
       offiziell Anerkennung: „Als Künstler hinterlässt er ein grandioses
       Vermächtnis, sein Werk, mit allen Bereichen seines Schaffens: als Chronist
       und Performance-Künstler richtete er den Blick auf ein Chile der
       Marginalität und der sexuellen Differenz. Mit seiner Kraft und
       Respektlosigkeit zwang er die Chilenen, auf ein Chile zu schauen, auf das
       man nicht schaut.“
       
       ## Hasserfüllte Kommentare
       
       Die hasserfüllten Leserkommentare zu seinem Tod in der chilenischen
       Tageszeitung La Tercera geben allerdings eine Ahnung davon, wie sehr
       Lemebel das reaktionäre Chile herauszufordern verstand – sie zeigen aber
       auch, wie sehr das Land nach wie vor gespalten bleibt.
       
       Bereits im Dezember hatte sich der streitbare Schriftsteller via Facebook
       von seinen Lesern verabschiedet: „Ich habe nicht geschafft, alles, was ich
       wollte, zu schreiben, aber ihr könnt euch vorstellen, liebe Leser, welche
       Dinge fehlten, welche Auswürfe, welche Küsse, welche Lieder ich nicht
       singen konnte. Der verdammte Krebs hat mir die Stimme geraubt, (auch wenn
       sie, sagen wir mal, nicht besonders verfeinert war).“
       
       26 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eva-Christina Meier
       
       ## TAGS
       
   DIR Nachruf
   DIR Schriftsteller
   DIR Chile
   DIR Schwerpunkt Femizide
   DIR Kino Lateinamerika
   DIR Folter
   DIR Literatur
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Feministisches Manifest aus Chile: In der Wut vereint
       
       Die Performance des feministischen Kollektivs LASTESIS ging 2019 viral um
       die Welt. Nun erscheint ihr Manifest „Verbrennt eure Angst!“
       
   DIR Berlinale-Film „Lemebel“: Splitternackt durch die Stadt
       
       Eine Heroe des Widerstands und der Subkultur: Joanna Reposi Garibaldis Film
       über den chilenischen Künstler und Schriftsteller Pedro Lemebel.
       
   DIR Schiff mit Foltergeschichte: Die Schatten der „Weißen Dame“
       
       Der chilenische Segler „Esmeralda“ besucht die Sail. Unter der
       Pinochet-Diktatur diente das Schiff Folterknechten. Beim Marineevent ist
       das kein Thema.
       
   DIR Schriftsteller Eduardo Halfon: „Ein Kind zweifelt nicht am Erzählten“
       
       Der Schriftsteller Eduardo Halfon spricht über seine komplexe Beziehung zur
       guatemaltekischen Heimat und die Tätowierung seines Großvaters.