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       # taz.de -- Barbara Hendricks über Biblis-Skandal: „Verdacht durch nichts begründet“
       
       > Schadenersatzzahlungen an RWE zu verhindern findet Bundesumweltministerin
       > Hendricks wichtiger, als Vorwürfe gegen ihr Ministerium aufzuklären.
       
   IMG Bild: RWE will Schadenersatz für die 2011 verfügte dreimonatige Stilllegung seines Atomkraftwerks Biblis.
       
       taz: Frau Hendricks, aus dem hessischen Untersuchungsausschuss, der
       mögliche rechtliche Fehler rund um die Stilllegung des Atomkraftwerks
       Biblis aufklären will, gibt es Kritik an Ihnen: Sie behinderten dessen
       Arbeit, indem Sie wichtigen Mitarbeitern Ihres Ministeriums keine
       Aussagegenehmigung erteilen. Haben Sie kein Interesse an Aufklärung? 
       
       Barbara Hendricks: Unser vordringliches Interesse ist es tatsächlich, den
       aus unserer Sicht ungerechtfertigten Rechtsstreit zu gewinnen, den RWE uns
       aufgezwungen hat, damit wir dem Konzern keinen Schadenersatz bezahlen
       müssen. Aber natürlich wollen wir auch zur Aufklärung beitragen. Darum
       erteilen wir denjenigen eine Aussagegenehmigung, die im Jahr 2011 für das
       politische Handeln des Ministeriums verantwortlich waren – das sind der
       damalige Minister, der frühere Staatssekretär und der damals zuständige
       Abteilungsleiter. Untergeordnete Mitarbeiter lassen wir generell nicht
       aussagen, weil alle Entscheidungen auf der politischen Ebene gefallen sind.
       
       Nun steht aber der Verdacht im Raum, dass sich die politische Führungsebene
       – fahrlässig oder sogar mit Vorsatz – bei der Begründung und dem Ablauf der
       AKW-Stilllegungen über explizite Warnungen der zuständigen Fachleute
       hinweggesetzt hat und dadurch die Schadenersatzforderungen von RWE
       überhaupt erst möglich geworden sind. Das lässt sich doch nicht entkräften,
       wenn Sie der Fachebene verbieten auszusagen. 
       
       Dieser Verdacht, der da einfach in den Raum gestellt wird, ist durch nichts
       begründet.
       
       Das sagen Sie. Aus dem Ministerium gibt es auch andere Stimmen. 
       
       Es kann schon sein, dass es damals unterschiedliche Auffassungen in der
       zuständigen Fachabteilung gab. Aber dass die Verantwortlichen sich über den
       Rat der gesamten Abteilung hinweggesetzt haben, kann ich den Akten nicht
       entnehmen.
       
       Aber genau um das zu klären, wäre es doch sinnvoll, alle Beteiligten
       anzuhören. 
       
       Nein. Es bleibt dabei, dass die Leitung für die Entscheidung verantwortlich
       ist. Darum ist es völlig ausreichend, den Verantwortlichen eine
       Aussagegenehmigung zu erteilen. Statt die Verantwortung auf den Bund zu
       schieben, sollten die Hessen lieber gemeinsam mit uns versuchen, die
       Schadenersatzforderungen von RWE abzuwehren.
       
       Den Verdacht, dass vielleicht ein politischer Skandal vertuscht werden
       soll, werden Sie auf diese Weise nicht ausräumen können. Ist der Wunsch,
       Schadenersatz zu vermeiden, so wichtig, dass Sie das in Kauf nehmen? 
       
       Meine Hauptverantwortung als Ministerin ist es, Schaden vom Staat und damit
       vom Steuerzahler abzuwenden. Was CDU und Grüne in Hessen machen, ist doch
       ziemlich durchsichtig: Indem sie alle möglichen Behauptungen in den Raum
       stellen, versuchen sie von Fehlern der früheren schwarz-gelben
       Landesregierung abzulenken und sie auf den Bund abzuwälzen.
       
       Aber ist es nicht tatsächlich so, dass alle Entscheidungen auf Bundesebene
       gefallen sind? Die Kanzlerin hat das Moratorium verkündet, das
       Bundesumweltministerium hat den Ländern die genauen Formulierungen für die
       rechtliche Umsetzung geliefert. 
       
       Falsch. Das Verwaltungshandeln blieb trotzdem bei den Ländern. Es gab zwar
       eine Formulierungshilfe des Bundes, aber es war Aufgabe und Verantwortung
       der Länder zu überlegen, wie sie damit umgehen. Niemand hat gesagt: Genau
       so müsst ihr es abschreiben.
       
       Der damalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla soll das Verfahren
       mitgesteuert haben. Braucht es einen Untersuchungsausschuss auf
       Bundesebene, um solche Vorwürfe aufzuklären? 
       
       Ich sehe das nicht. Aber wenn die Oppositionsfraktionen das wollen, ist
       ihnen natürlich unbenommen, einen einzusetzen.
       
       Hat das Kanzleramt Einfluss auf Ihre Entscheidung genommen, den
       Mitarbeitern der Fachebene die Aussage zu verwehren? 
       
       Nein, natürlich nicht. Die Erteilung der Aussagegenehmigung für den
       früheren Bundesumweltminister musste – wie immer in solchen Fällen – auf
       meinen Vorschlag hin vom Bundeskabinett beschlossen werden. Das ändert aber
       nichts daran, dass ich als Bundesumweltministerin eine
       Grundsatzentscheidung getroffen habe.
       
       25 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
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