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       # taz.de -- Zweibändige Ausgabe: Albert Camus als Journalist
       
       > Albert Camus’ journalistische Arbeiten bringen spannende Einblicke in die
       > Zeit der Résistance und der ersten Nachkriegsjahre Frankreichs.
       
   IMG Bild: Albert Camus wird immer weniger gelesen. Er hat mehrere Klassiker verfasst und sich intensiv journalistisch betätigt.
       
       Um den Literaturnobelpreisträger Albert Camus (1913–1960) ist es ruhig
       geworden. Seine beiden Erfolgsromane, „Der Fremde“ (1942, dt. 1948) und
       „Die Pest“ (1947, dt. 1948), werden zwar noch gelesen, aber seine Stücke
       sind von deutschen Bühnen seit Jahren so gut wie verschwunden.
       
       Wiederbelebungsversuche zu seinem 50. Todestag im Januar 2010, als in den
       Feuilletons die alte Posse „Camus gegen Sartre, Freiheit gegen
       Totalitarismus“ unter dem Titel „Antitotalitarismus“ inszeniert wurde – so
       der besonders rührige Jürg Altwegg (vgl. FAZ v. 30. 12. 2009) –, blieben
       provinzielle Strohfeuerchen.
       
       Umso verdienstvoller ist es, dass sich jetzt eine zweibändige Ausgabe von
       Camus’ journalistischen Arbeiten aus der Zeit der Résistance und der ersten
       Nachkriegsjahre von der peinlichen Lobhudelei ab- und der seriösen
       Aufarbeitung der im Deutschen nur teilweise bekannten politischen Schriften
       zuwendet.
       
       Die mustergültige Edition umfasst alle 165 Texte (darunter 137
       Leitartikel), die mit großer Wahrscheinlichkeit Camus zuzurechnen und
       zwischen dem 21. August 1944 und dem 3. Juni 1947 in Combat erschienen
       sind. Die Herausgeberin hat die Artikel chronologisch geordnet und im
       Register noch einmal nach inhaltlichen Schwerpunkten sortiert, was die
       Edition ausgesprochen benutzerfreundlich macht. Jacqueline Lévi-Valensi
       erlebte zwar noch das Erscheinen der französischen Originalausgabe 2002,
       starb aber im gleichen Jahr.
       
       ## „Der Kampf geht weiter“
       
       Im Herbst 1943 kam Camus in Kontakt mit Pascal Pia, dem Spiritus Rector der
       Widerstandsgruppe, die den Combat herausgab. Im Frühjahr 1944 trat Camus in
       die Redaktion ein und schrieb für das bis zur Befreiung Frankreichs im Juni
       1944 als Untergrundzeitung erscheinende Blatt wohl etwa 40 Texte. Viele
       sind jedoch nicht zweifelsfrei Camus zuzuordnen, weshalb die Edition davon
       nur sechs Artikel druckt. Bereits für die erste legal erschienene Nummer
       des Combat schrieb Camus am 21. August 1944 den programmatischen
       Leitartikel unter dem Titel „Der Kampf geht weiter“.
       
       Die Zeitung lehnte sich an keine politische Partei an, sondern verstand
       sich als Teil jener „kämpfenden Presse“, die die Befreiung zur sozialen
       Revolution weitertreiben wollte. Camus umschrieb dieses Ziel als „wirkliche
       Volks- und Arbeiterdemokratie“: „Wir denken, dass jede Politik, die sich
       von der Arbeiterklasse trennt, vergebens ist. Frankreich wird morgen sein,
       was seine Arbeiterklasse sein wird.“
       
       Als ehemalige Widerstandskämpfer wie Henri Frenay und andere eine Partei
       gründeten oder sich jener von Charles de Gaulle anschlossen, kam es in der
       Redaktion zu erheblichen Konflikten. Camus wehrte sich allerdings auch
       gegen rüde Angriffe auf die KP und „antikommunistische Artikel ohne
       Nuancierung“.
       
       Zu einer landesweit und international beachteten Kontroverse kam es
       zwischen Camus und dem katholischen Literaturnobelpreisträger François
       Mauriac (1885–1970) über die willkürlichen Strafexzesse („Säuberungen“)
       gegen Kollaborateure und Anhänger des Vichy-Regimes. Mauriac plädierte für
       „Barmherzigkeit und Versöhnung“, Camus für „eine schnelle und in ihrer Zeit
       begrenzte Justiz“ gegen Menschen, die „dem Verrat“ dienten. Camus gestand
       seinen Irrtum am 30. August 1945 ein, als er einräumte, „schon das Wort
       Säuberung ist an sich peinlich genug. Doch die Sache ist jetzt widerwärtig
       geworden“.
       
       Am 26. April 1946 kam es zu einem Kurswechsel, weil die Redaktion
       „Kommentatoren mit einem persönlicheren Ton und persönlicheren Dreh“
       beschäftigen wollte.
       
       Daraufhin zog sich Camus enttäuscht zurück und trat nur 1947 nochmals für
       zehn Wochen in die Redaktion ein. Im Juni 1947 wurde die Zeitung
       privatisiert und 1974 eingestellt. Die Edition vermittelt einen guten
       Einblick in eine spannende Phase der französischen Geschichte.
       
       25 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rudolf Walther
       
       ## TAGS
       
   DIR Nobelpreis für Literatur
   DIR Schwerpunkt Frankreich
   DIR Albert Camus
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   DIR Schwerpunkt Frankreich
   DIR Marquis de Sade
   DIR Albert Camus
       
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