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       # taz.de -- Erfolg von Pegida in Dresden: Die böse Vergangenheit
       
       > Die Proteste gegen eine angebliche Islamisierung Europas sind in Sachsen
       > besonders stark. Gibt es Erklärungen jenseits anti-ostdeutscher
       > Pöbeleien?
       
   IMG Bild: Sachsen ist stolz auf seine Geschichte, auf August den Starken, auf Barock und Frauenkirche
       
       Der Mann droht mit einem Blutbad. Er fühle sich von Ausländern bedroht und
       werde sich mit einer Kalaschnikow bewaffnen. Drei Mal ruft der Mann bei der
       Polizeidirektion in Dresden an diesem Juniabend an, schließlich können die
       Beamten per Fangschaltung zurückverfolgen, woher der Anruf kommt: aus der
       Wohnung des Stadtkämmerers und CDU-Mitglieds Günter Rühlemann.
       
       Von der Kriminalpolizei verhört, bestreitet Rühlemann die Anrufe tagelang.
       Er gesteht die Drohungen erst, als die Beamten ihm sagen, sie würden ihn
       mit einem phonetischen Gutachten überführen. Er entschuldigt sich: „Ich
       hatte Urlaub und habe etwas gefeiert.“ Der Oberbürgermeister Herbert
       Wagner, ebenfalls CDU, enthebt den 54jährigen seines Amtes.
       
       Im September arbeitet der Kämmerer allerdings schon wieder in seinem alten
       Job. Im Stadtrat hatten sie seine Entlassung mit sieben zu sieben Stimmen
       und einer Enthaltung abgelehnt. „Bei der verhältnismäßig geringen
       Verfehlung Rühlemanns im Vergleich zu den Rostocker Krawallen“, sagt
       CDU-Fraktionschef Ludwig Wagner, sei eine Abberufung „überzogen“.
       
       Was für ein Vergleich. Rostocker Krawalle, Lichtenhagen, ein brennendes
       Wohnheim mit über 100 Vietnamesen, Tausende, die applaudieren. Die Polizei
       einfach abgehauen.
       
       Die Geschichte aus Dresden spielt 1992. Fast vergessen ist heute, welch ein
       Failed State das Gebiet der ehemaligen DDR damals war, und ach diese alten
       Geschichten, was sollen die uns heute noch sagen?
       
       ## Was hat die SED damit zu tun?
       
       Geschichte ist keine gerade Straße, sie führt über Kurven, manchmal lässt
       sie einen glauben, es gehe im Kreis oder sogar wieder zurück. In Sachsen
       sind sie stolz auf ihre Geschichte, auf August den Starken, auf Barock und
       Frauenkirche, und zugleich weniger beredsam, wenn es um Abzweige und dunkle
       Tunnel dieser Geschichte geht, besonders jetzt nicht, wo Pegida in der
       sächsischen Hauptstadt so einzigartig erfolgreich ist. Nein, dass es in
       Dresden die erste Bücherverbrennung gab, dass Sachsen den
       mitgliederstärksten Verband der NSDAP stellte, was hat das mit heute zu
       tun? Und was die Geschichte einer seit 25 Jahren in diesem Land regierenden
       CDU?
       
       Hat sie uns etwas zu sagen, über den herausragenden Erfolg von Pegida in
       Dresden? Lässt sich etwas ablesen aus der Vernachlässigung der politischen
       Bildung im Land? Dem fatalen Versagen der Medien beim angeblichen Mord von
       Rechtsextremen an einem Kind in Sebnitz? Und was hat die SED damit zu tun,
       die führende Partei der sozialistischen Diktatur? Wir in der Redaktion von
       taz.am wochenende denken, es gibt nicht die eine Antwort auf die Frage,
       warum Pegida gerade in Dresden groß geworden ist. Aber es gibt Gründe und
       wir haben für die Titelgeschichte „Warum Dresden?“ nach ihnen gesucht. Wir
       haben Dresdener gefragt, den Schriftsteller Ingo Schulze zum Beispiel und
       die frühere grüne Fraktionschefin Antje Hermenau, die sagt, bei Pegida
       liefen „ihre Leute“ mit.
       
       Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident in Sachsen von 1990 bis 2002, sagte
       einmal, die Sachsen seien gegen Rechtsextremismus immun. [1][Steffen Flath,
       CDU-Fraktionschef fand 2008 in einem Papier, Linkspartei und NPD
       gleichsetzen zu müssen]. Heute sagen PolitikerInnen der CDU, es sei die
       [2][„fortschreitende ,Islamisierung' schon infolge der demografischen
       Situation, der Geburtenfreudigkeit auf der einen und des Geburtendefizits
       auf der anderen Seite gegeben“]. Das glaubt Veronika Bellmann,
       Bundestagsabgeordnete aus Sachsen.
       
       Und endlich dürfe man solche Haltungen auch einmal zum Ausdruck bringen,
       sagt Christian Rüdiger, der Vorsitzende der CDU Mittelsachsen. Früher hatte
       man aufgrund [3][„der deutschen Vergangenheit immer das Problem, dass dies
       nicht geäußert werden konnte, ohne dass man in die rechte Ecke gestellt
       wird."] 
       
       Jaja, die Vergangenheit. Sie hat es mit Deutschland oft nicht so gut
       gemeint. Mit Sachsen schon gar nicht, dem Bundesland, in dem die Skinheads
       Sächsische Schweiz aktiv waren, eine der größten und gefährlichsten
       Neonazi-Kameradschaften, bevor sie 2001 verboten wurde. Wo [4][rechte und
       rechtsextreme Parteien immer regelmäßig hohe Wahlergebnisse erzielen]. Und
       Dresden musste lange zu den Jahrestagen des alliierten Bombenangriffs
       [5][die erfolgreichsten Naziaufmärsche dieses Landes beherbergen].
       
       Was meinen Sie? Gibt es Erklärungen für den großen Erfolg von Pegida
       jenseits der beschränkten Pöbelei von „Dunkeldresden“ und dem abgegriffenen
       Spruch vom Tal der Ahnungslosen? 
       
       Diskutieren Sie mit!
       
       Die Titelgeschichte „Warum Dresden?“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom
       24./25. Januar.
       
       23 Jan 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.welt.de/politik/article2488552/Kann-man-die-Linke-mit-der-NPD-gleichsetzen.html
   DIR [2] http://www.veronika-bellmann.de/inhalte/1/aktuelles/71582/interview-im-handelsblatt-online/index.html
   DIR [3] http://www.freiepresse.de/LOKALES/MITTELSACHSEN/FLOEHA/Kreis-CDU-schaerft-konservatives-Profil-artikel9088540.php
   DIR [4] http://www.tagesschau.de/inland/npd-afd-sachsen-101.html
   DIR [5] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/neonazi-aufmarsch-in-dresden-schaulaufen-der-geschichtsfaelscher-a-745330.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Schulz
       
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