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       # taz.de -- Satiriker Barrett Brown: Der Angstgegner
       
       > Als Journalist recherchierte er zum Überwachungsstaat. Als
       > Anonymous-Aktivist erklärte er dem FBI den Krieg. Jetzt wird er dafür
       > hart verurteilt.
       
   IMG Bild: Poster der Kampagne freebarrettbrown.org, die sich für die Freilassung des Whistleblowers einsetzt.
       
       Barrett Brown wäre nicht einer der lustigsten Satiriker der USA, wenn er
       nicht auch das Schlussstatement seines Prozesses mit einem Witz beginnen
       würde – selbst nach 28 Monaten im texanischen Gefängnis. Er schulde der
       Öffentlichkeit eine Erklärung, sagte Brown am Donnerstag in Dallas: „Denn,
       klar, die Öffentlichkeit hat mit ihren Spenden nicht nur meine Verteidigung
       bezahlt, sondern mit ihren Steuern auch die Strafverfolgung.“
       
       100 Unterstützer hatten Briefe für seine Freilassung ans Gericht geschickt.
       Viele bezeichnen ihn als politischen Gefangenen der USA. Als Journalist
       hatte Brown zu der Verflechtung von Staat und privaten Sicherheitsfirmen
       recherchiert. Lange bevor Edward Snowden zum Whistleblower wurde, warnte
       Brown vor der „gefährlichen Technologie“, die Snowdens Arbeitgeber
       verbreite: die private Sicherheitsfirma Booz Allen Hamilton.
       
       Gleichzeitig war er eine der aggressivsten öffentlichen Stimmen des
       Hackerkollektivs Anonymous, das Onlinefeldzügen gegen Scientology oder ein
       mexikanisches Drogenkartell führte, aber auch Aktivisten des Arabischen
       Frühlings unterstützte. Im Herbst 2012 drohte Brown einem FBI-Agenten in
       einem YouTube-Video, dessen Leben zu zerstören. Er, der kiffte, soff,
       Heroin spritzte, war gerade auf Entzug, er fühlte sich verfolgt.
       Tatsächlich verfolgte ihn das FBI auch – strafrechtlich.
       
       ## Entschuldigung für "idiotische" Drohung
       
       Wegen des Videos und weil er einen Laptop vor den Ermittlern versteckt
       haben soll, drohten ihm zuletzt noch 8,5 Jahre Haft. Es waren einmal 105.
       Vorgeworfen wurde ihm zwischenzeitlich, einen Link zu gehackten Daten
       verbreitet zu haben, das taten damals allerdings viele. Er wollte so den
       Geheimdienstkomplex besser verstehen. Als Journalist. Als Aktivist war er
       an die Daten gekommen. Die US-Regierung bestreitet, dass Brown Journalist
       ist. Eine Strategie, die auch gegen Journalisten aus dem Umfeld Snowdens
       angewendet wird.
       
       In seinem Schlussstatement nannte Brown die YouTube-Drohung „idiotisch“ und
       entschuldigte sich dafür. Vermutlich, sagte er, glaubt auch die Regierung,
       dass die Tatsachen für seine Freilassung sprächen. „Sonst hätte sie doch
       nicht all die Lügen verbreitet, um mich weiter einzusperren.“
       
       Die Anklage bestritt das. „Die Regierung verfolgt Herrn Brown nicht aus
       politischen Gründen“, sagte der Vertreter des US-Justizministeriums.
       
       Barrett Browns Anwälte plädierten auf eine Strafe von 30 Monaten. Damit
       hätte er die Zeit fast abgesessen.
       
       ## 63 Monate Haft
       
       Das Gericht verurteilte Brown schließlich zu 63 Monaten Haft, berichteten
       Journalisten aus dem Gerichtssaal in Dallas. Das sind fünf Jahre und drei
       Monate. Damit dürfte er 25 weitere Monate im Gefängnis verbringen. Außerdem
       soll er eine Entschädigung von 890.000 Dollar zahlen - unter anderem an den
       Privatnachrichtendienst Stratfor, von dessen Servern die Dateien bei dem
       Hack kopiert worden waren.
       
       Barrett Brown bedankte sich in einem Statement, das seine Unterstützer nach
       dem Urteil veröffentlichten, dass er nun 35 Monate lang von der Regierung
       mit freier Kost und Logis dabei unterstützt werde, über die Verfehlungen
       von Verantwortlichen im besten Gefängnissystem der Welt zu berichten. Brown
       schreibt für das Dallas Magazine eine Kolumne aus dem Knastalltag.
       
       ## Die Sache mit dem Link
       
       Der Anklagepunkt, Brown habe einen - im Netz frei verfügbaren - Link
       kopiert und damit gewissermaßen illegalen Handel mit Kreditkartendaten
       betrieben, die sich unter anderem dahinter verbargen, hatte zu einem der
       zentralen Streitpunkte im Verfahren gezählt. Browns Verteidiger
       argumentierten, eine Verurteilung für das Kopieren eines Links stelle die
       gesamte Funktionsweise des Internets infrage.
       
       Obwohl der Anklagepunkt im vergangenen Jahr mit diversen anderen fallen
       gelassen worden war, spielte er in den Diskussionen bei den Terminen zur
       Urteilsverkündung weiterhin eine wichtige Rolle. Die Vertreter des
       Justizministeriums drangen darauf, den Punkt zu berücksichtigen. Der
       Richter deutete [1][Berichten zufolge] an, dass er das Kopieren des Links
       durchaus für illegalen Handel mit Kreditkartendaten halte.
       
       In seinem Schlussstatement wies Brown darauf hin, dass er, hätte er sich
       auch zu diesem Vorwurf bekannt, sich mit dem Gericht zu einem früheren
       Zeitpunkt hätte auf einen deutlich geringere Strafe einigen können. Er
       halte die Pressefreiheit aber für ein so hohes Gut, dass er dies nicht
       getan habe.
       
       Barrett Brown sei einer der entschlossensten Menschen, die er kenne, sagte
       einer seiner Anwälte nach dem Urteil. "Ich freue mich jetzt schon auf seine
       Entlassung."
       
       22 Jan 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.wired.com/2015/01/barrett-brown-sentenced-5-years-prison-connection-stratfor-hack/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Gernert
       
       ## TAGS
       
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