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       # taz.de -- Abgeschoben nach rassistischem Überfall: Der einzige Zeuge
       
       > Nach einem mutmaßlich rassistischen Überfall schiebt
       > Mecklenburg-Vorpommern das traumatisierte Opfer ab. Das macht die
       > Strafverfolgung fast unmöglich.
       
   IMG Bild: Hier wurde Solomon Yeboah zusammengeschlagen: Haltestelle Kepplerstraße in Schwerin
       
       SCHWERIN taz | Um 5 Uhr am Dienstagmorgen standen sie vor Solomon Yeboahs
       Bett. Drei Polizisten und sein Sachbearbeiter von der Schweriner
       Ausländerbehörde. „Anziehen, geht los“, sollen sie gesagt haben. Dann
       brachten sie ihn nach Berlin. Von dort wurde er noch am Vormittag nach
       Italien abgeschoben.
       
       Yeboah, der bald Vater wird, war nach Polizeiangaben am 21. Dezember in
       Schwerin an der Straßenbahnhaltestelle Kepplerstraße von drei Unbekannten
       getreten und mit einem Baseballschläger zusammengeschlagen worden. Die
       Polizei geht von einem rassistischen Motiv der Angreifer aus, der
       Staatsschutz ermittelt wegen schweren Raubes. Yeboah ist nicht nur das
       Opfer, sondern auch der einzige bekannte Zeuge. Ohne ihn sind die
       Ermittlungen praktisch aussichtslos.
       
       „Der Betroffene benötigt wegen der erlittenen Verletzungen weitere
       medizinische Hilfe“, sagt Tim Bleis von der Beratungsstelle Lobbi, die sich
       um Opfer rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern kümmert. Neben starken
       Knieschmerzen zeige Yeboah „deutliche Anzeichen einer Traumatisierung“ mit
       massiven Schlafstörungen und Angst, auf die Straße zu gehen, sagt Bleis.
       „Wir befanden uns gerade im Abstimmungsprozess mit der Traumaambulanz der
       Helios-Kliniken. Eine Abschiebung in so einer Situation ist ungeheuerlich.“
       
       Das Ministerium teilte mit, dass der zuständigen Ausländerbehörde nicht
       bekannt gewesen sei, dass der betroffene Asylbewerber unter
       gesundheitlichen Problemen leidet. „Wäre dies der Fall gewesen, hätte sich
       das Landesamt die Flug- und Reisetauglichkeit durch einen Arzt bestätigen
       lassen.“
       
       „Es kann nicht sein!“, sagt die Vorsitzende des Flüchtlingsrats
       Mecklenburg-Vorpommern, Ulrike Seemann-Katz. „Sollte es zu einem Verfahren
       kommen, muss man ihn wieder einreisen lassen. Da könnte man sich die
       Abschiebung auch gleich sparen.“
       
       Yeboah war aus Ghana über Italien nach Deutschland gekommen und deshalb als
       „Dublin-II-Fall“ (siehe Kasten) nach Italien zurückgeschoben worden,
       angeblich ohne vorherige Ankündigung. Laut Seemann-Katz ist diese Praxis in
       Mecklenburg-Vorpommern ausgesetzt: „Es gibt eine Anweisung aus dem
       Innenministerium. Aber womöglich soll davon nun angesichts steigender
       Flüchtlingszahlen wieder abgerückt werden.“
       
       Bei dem Angriff hatte Yeboah seine Brieftasche mit Papieren verloren,
       wahrscheinlich wurde sie geraubt. Er bemühte sich wiederholt um neue
       Dokumente und erhielt schließlich eine Vorladung der Ausländerbehörde für
       die vergangene Woche, sagt sein Anwalt Ingo Ziesemer. Der zuständige
       Sachbearbeiter habe ihm gesagt, er wolle noch eine Woche abwarten, ob sich
       die Dokumente doch noch wieder anfänden. „Aufgrund dieser Aussage bin ich
       davon ausgegangen, dass keine akute Gefahr einer Rückführung für meinen
       Mandanten besteht“, sagt Ziesemer. Der Sachbearbeiter, der auch die
       Abschiebung begleitete, wusste von dem Angriff im Dezember.
       
       Der Vorfall wird auch Thema im Landtag. Die Grünen-Fraktion hat eine Kleine
       Anfrage an die Landesregierung gestellt.
       
       21 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hannes Stepputat
       
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