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       # taz.de -- Umstrittenes Freihandelsabkommen: TTIP soll auch Armen nutzen
       
       > Bundesminister Müller fordert, dass Entwicklungsländer bei TTIP mitreden
       > dürfen. Eine Studie zeigt negative Effekte des Abkommens.
       
   IMG Bild: Finden TTIP grundsätzlich doof – Mitspracherecht von Entwicklungsländern hin oder her: Demonstranten in Berlin
       
       BERLIN taz | Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) will die Entwicklungs-
       und Schwellenländer an den Gesprächen über das geplante Freihandelsabkommen
       TTIP mit den USA beteiligen. Das sagte der CSU-Politiker am Mittwoch in
       Berlin. Dort stellte der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
       Entwicklung eine Studie über die Folgen von TTIP für ärmere Drittländer
       vor.
       
       Diese hatte er beim Münchner ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in
       Auftrag gegeben, nachdem er erklärt hatte, er werde dem Vertrag nur
       zustimmen, wenn solche Staaten nicht unter der Vereinbarung leiden würden.
       
       Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich TTIP sowohl positiv als auch
       negativ auf Drittstaaten auswirken würde. Die negativen Effekte könnten
       „mitunter überwiegen“. Der Grund dafür ist etwa, dass Handelsströme
       umgelenkt werden: Anbieter aus den TTIP-Ländern könnten dank geringerer
       interner Handelskosten in den Partnerstaaten theoretisch ihre Produkte
       günstiger anbieten, heißt es in der Studie. „Dies kann zu Lasten von
       Anbietern aus Drittstaaten erfolgen, die in der EU und den USA potentiell
       Marktanteile verlieren.“ In 80 Prozent der Staaten könne dadurch das
       Pro-Kopf-Einkommen sinken.
       
       Allerdings müssten sich diese Länder nur noch auf einen Produktionsstandard
       für zwei Handelsräume einrichten. Drittstaaten könnten auch durch die
       erwarteten Einkommens- und Produktionszuwächse in den TTIP-Ländern
       profitieren, da dies zu einer verstärkten Nachfrage beispielsweise nach
       Kakaobohnen aus der Elfenbeinküste oder einem Urlaub in Thailand führe.
       
       ## „Rein spekulativ“
       
       Zwar basiert die Studie nicht nur auf Modellrechnungen – die Forscher haben
       auch Fachleute und Nichtregierungsorganisationen befragt und Fallstudien
       für neun Länder erstellt. Doch laut Francisco Marí, Handelsexperte beim
       Hilfswerk Brot für die Welt, hätten die Wissenschaftler eine rein
       „ökonomistische Betrachtungsweise“, die auf spekulativen Annahmen fuße. So
       sei noch nicht geklärt, ob sich die EU und USA überhaupt auf einheitliche
       Standards einigen wollen. „Auch die Erwartung von sogenannten
       Wohlstandgewinnen für Entwicklungsländer als Ausgleich für Handelsverluste
       durch TTIP, weil wir dann wegen unserer angeblich höheren Einnahmen durch
       das Abkommen mehr Südprodukte kaufen, ist ziemlich gewagt“, sagt Marí.
       
       Marí kritisiert auch den Ton der Studie: Sie mündet in einen
       10-Punkte-Plan, in dem beispielsweise gefordert wird, eine „glaubwürdige
       Perspektive für die zukünftige Teilnahme von Dritt- und
       Entwicklungsländern“ zu entwickeln. Zudem müssten den Staaten
       Informationsrechte zur Arbeit der an den Verhandlungen beteiligten Gremien
       eingeräumt werden. "Das erinnert an die Entwicklungspolitik in den 60er
       Jahren“, kritisiert Marí. "Die Großen beraten und helfen den Kleinen dabei,
       sich an die von ihnen vorgegebenen Standards anzupassen." 
       
       Der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen, Uwe Kekeritz, begrüßte die
       Forderung des Ministers, die Drittstaaten in die Verhandlungen zu
       integrieren. Allerdings sei sie nicht realistisch: „Bei den
       TTIP-Verhandlungen werden nur Vertreter aus den EU-Ländern und der USA am
       Tisch sitzen“, sagte der Grüne. Würde Müller seine Ankündigungen ernst
       nehmen, hieße es, TTIP in der jetzigen Form zu stoppen und den Charakter
       grundsätzlich zu verändern: von einem exklusiven zu einem inklusiven
       Abkommen.
       
       Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium,
       Brigitte Zypries (SPD), verwies auf den Mangel an Transparenz bei den
       Verhandlungen, was Details des Abkommens angeht. Hier müsse man nachlegen,
       sagte Zypries. Zugleich forderte sie die TTIP-Kritiker auf, nicht weiter
       unbegründete Behauptungen aufzustellen. Sie verwies dabei auf einen Beirat
       im Ministerium zu Fragen des Abkommens. Dieser solle eine
       Informationsoffensive sein. (mit epd)
       
       22 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julia Maria Amberger
       
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