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       # taz.de -- Kommentar zu Obamas Rede zur Nation: Offensiv gegen die Republikaner
       
       > Politisch kann der US-Präsident nichts mehr verändern. Also sagte er, was
       > er denkt und ging die Konservativen frontal an.
       
   IMG Bild: Kämpferisch und ohne große Kompromissbereitschaft: Barack Obama bei seiner Rede zur Lage der Nation 2015.
       
       Keinen Millimeter ist US-Präsident Barack Obama in seiner Rede zur Lage der
       Nation in der Nacht zum Mittwoch auf die Republikaner zugegangen.
       
       Obama weiß, dass die republikanische Mehrheit keinen einzigen seiner
       Vorschläge, etwa zu einer höheren Besteuerung der Gutverdiener, zur
       Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder zur Aufhebung der Studiengebühren
       für bestimmte Studenten an den öffentlichen finanzierten Community Colleges
       verabschieden wird. Und doch hat er eine kämpferische Rede gehalten, hat
       seine eigenen Errungenschaften verteidigt und wiederum eine größere
       Verantwortung des Staates für das Wohlergehen der Mittelschicht angemahnt.
       
       Er hat vom Klimaschutz gesprochen und von seiner Bereitschaft, jeden
       Versuch der Republikaner, die Gesundheitsreform zurückzudrehen, per Veto zu
       stoppen.
       
       Retrospektiv wirkt das alles vollkommen verrückt. Als Obama demokratische
       Kongressmehrheiten hatte, versuchte er sich im Kompromiss mit den
       Republikanern und scheiterte. Jetzt, da diese Mehrheiten verloren sind,
       geht er die Konservativen frontal an.
       
       Andersherum wäre besser gewesen. Doch die Erklärung scheint recht simpel:
       Obama konnte zu Recht vermuten, dass der konservative Flügel seiner eigenen
       Partei eine zu liberale Agenda nicht mitgetragen hätte – und hatte in
       seiner ersten Amtszeit, wo es noch um eine Wiederwahl ging, nicht die
       Traute zur Offensive. Jetzt, vor seinen letzten zwei Jahren im Weißen Haus,
       ist das vollkommen egal. Anders gesagt: Wenn er eh nichts mehr umsetzen
       kann, kann er auch einfach sagen, was er denkt.
       
       Für die Regierungsfähigkeit der USA heißt das zunächst einmal: Nichts wird
       sich verändern. Obama hat mit der Verordnung zur Migrationspolitik, die
       einigen Millionen Papierloser Schutz vor Deportation gewährt, einen Pflock
       eingeschlagen, er hat die Wende der Kubapolitik eingeleitet, er besteht auf
       dem Fortgang der Verhandlungen mit dem Iran und will neue Sanktionen gegen
       das Land verhindern. Da kann er noch etwas bewegen, um in die Geschichte
       einzugehen.
       
       Was Steuerpolitik und dringend notwendige Investitionen in Bildung und
       Infrastruktur angeht, wird er genauso scheitern wie in den Jahren zuvor –
       in diesen Punkten wird er der Präsident bleiben, der Recht hatte. Das ist
       ein bisschen so – wenn das deutsche Wahlsystem das zuließe -, als wäre
       Navid Kermani Bundeskanzler, aber die Pegida hätte die Mehrheit im
       Bundestag.
       
       21 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Pickert
       
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