# taz.de -- taz-Dossier „Comeback der Folter“: Verrohte politische Kultur in den USA
> Nach der Veröffentlichung des CIA-Berichts trumpfen die Scharfmacher auf.
> Viele halten Folter in bestimmten Lagen für angemessen.
IMG Bild: CIA-Chef John Brennan rechtfertigt die brutalen Verhörmethoden.
NEW YORK taz | Selten wird die Verrohung der politischen Kultur in den USA
deutlicher, als wenn es um Folter geht. Auf die Veröffentlichung des
Senatsberichts über die brutalen Methoden in den CIA-Geheimgefängnissen,
die weltweit einen Aufschrei des Entsetzens ausgelöst haben, gab es an der
Heimatfront vor allem Schulterzucken. Zudem traten die Verteidiger der
„verschärften Verhörmethoden“ selbstbewusst auf wie nie.
Sie argumentierten, so etwas sei manchmal eben „nötig“. Auf der anderen
Seite will die demokratische Exchefin des Geheimdienstkomitees, Dianne
Feinstein, zwar immer noch versuchen, die Folter „auf alle Zeit“ zu
verbieten. Doch ihr Gesetz ist mangels Mehrheit gescheitert, bevor sie es
überhaupt im Senat vorstellen konnte.
„Wer kann uns sagen, ob es einen neuen 9/11 geben wird?“, fragt Richard
Burr, der neue Chef des Geheimdienstkomitees im nunmehr republikanisch
kontrollierten Senat. „Wir brauchen die Fähigkeit, potenzielle Drohungen zu
eliminieren“. Er will kein Antifoltergesetz und fand schon den
Folter-Bericht überflüssig. Die Vertreter seiner Partei haben die
Auseinandersetzung des Geheimdienstkomitees mit dem CIA über die
Kurzfassung des im Original mehr als 6.000 Seiten langen Berichts
boykottiert.
John McCain fand als einziges republikanisches Schwergewicht, die
Öffentlichkeit habe ein Recht, zu erfahren, dass der CIA seine Gefangenen
unter anderem mit „Waterboarding“, mit Einsperren in winzige Kisten,
tagelangem Aufhängen und Schlafberaubung traktiert hat. Doch die Stimme des
Senators, der selbst im Vietnamkrieg gefoltert wurde, ging im Chor der
Scharfmacher unter.
## Ineffiziente Verhörmethode
Exvizepräsident Dick Cheney war der lauteste. Kaum war der Folter-Bericht
öffentlich, ging er ins Fernsehen und verdammte ihn in Bausch und Bogen.
Dabei beharrte er auf der semantischen Beschönigung aus der Bush-Ära:
„verbesserte Verhörtechnik“. Und behauptete, sie habe die USA sicherer
gemacht.
Das Geheimdienstkomitee des Senats hingegen war nach jahrelanger Prüfung zu
dem Ergebnis gekommen, die Folter sei „ineffizient“ gewesen und habe keine
nachrichtendienstlichen Erkenntnisse gebracht, die Attentate verhindert
hätten. Auch das Auffinden von Osama bin Laden geht demnach nicht auf
Folter zurück, sondern auf vorherige Verhöre, bei denen einige Gefangene,
die später unter der Folter nichts Verwertbares mehr aussagten,
kollaboriert haben.
„Die Positionen zur Folter haben sich in den zurückliegenden Wochen eher
noch verhärtet“, bestätigt der Psychologie-Professor Stephen Soldz von der
Universität Boston. Er ist ein Kritiker der Amerikanischen
Psychologen-Vereinigung (APA), die zwar öffentlich die Folter kritisiert,
aber hinter verschlossenen Türen die Zusammenarbeit zwischen CIA und
Verhaltensforschern angebahnt und ihr das deontologische Fundament
geliefert hat.
## Keine Lobby für Opfer
Wenige Wochen nach der Veröffentlichung des Folter-Berichts zeigt eine
Umfrage, dass 58 Prozent der US-Amerikaner Folter in bestimmten Situationen
für angemessen halten. Soldz befürchtet, dass sich an dieser Stimmung bis
zu den kommenden Präsidentschaftswahlen nichts ändern wird. Und er ist
nicht einmal sicher, ob in den USA je ein Folterverantwortlicher
Rechenschaft vor Gericht ablegen muss.
Die Möglichkeit einer Folterdebatte sei auch deswegen anders als in
lateinamerikanischen Ländern, weil die Folteropfer des CIA in den
Geheimgefängnissen keine Lobby im Land haben, sondern ausländische Muslime
sind, die im Ausland gefoltert wurden. „Wir haben eine enorme Akzeptanz von
offizieller Brutalität“, erklärt Soldz. „Das lässt sich nur mit
tiefgehenden kulturellen Veränderungen überwinden.“
In Washington, wo Feinsteins Antifoltergesetz keine Chance hat, wird es bei
dem Dekret bleiben, mit dem Barack Obama in seinem ersten Monat im Amt die
Folter verboten hat. Im Januar 2009 hatte der Schritt durchaus Symbolwert.
Doch bindend ist er nicht.
Ebenso ambivalent ist Obamas Personalpolitik. Nachdem er die Folter unter
seinem Amtsvorgänger kritisiert hatte, verzichtete er auf juristische
Verfolgung und beförderte George W. Bushs Counter-Terrorismus-Experten John
Brennan zum neuen CIA-Chef. Während die Obama-Vertraute Feinstein den
Folterbericht schrieb, warf die CIA unter dem Obama-Vertrauten Brennan ihr
immer neue Steine in den Weg. Unter anderem zapfte die CIA die Computer des
Geheimdienstkomitees im Senat an. Das Weiße Haus, so geht aus einer
internen Untersuchung der CIA hervor, war über die Schnüffelei informiert.
18 Jan 2015
## AUTOREN
DIR Dorothea Hahn
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