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       # taz.de -- Einigung im AfD-Führungsstreit: „Nicht das Ende der Machtkämpfe“
       
       > Der Autor Sebastian Friedrich glaubt, dass der Konflikt in der AfD nur
       > aufgeschoben ist. Außerdem hält er Bernd Lucke nicht für
       > wirtschaftsliberal.
       
   IMG Bild: Bernd Lucke hat den Machtkampf nur vorläufig für sich entschieden
       
       Herr Friedrich, die Führung der AfD hat sich nun doch darauf geeinigt, dass
       die Partei nach dem Bremer Parteitag von einer Doppelspitze geleitet wird,
       ab Dezember dann von einem alleinigen Vorsitzenden. Damit hat sich Bernd
       Lucke durchgesetzt. Hat Sie das überrascht? 
       
       Sebastian Friedrich: Ja, das war nach den heftigen Auseinandersetzungen in
       der vergangenen Zeit nicht unbedingt zu erwarten. Man kann aber davon
       ausgehen, dass der rechte Flügel die Überlegung angestellt hat, ob Lucke
       jetzt schon abgesetzt werden kann oder erst zu einem späteren Zeitpunkt.
       Noch scheint man nicht auf ihn verzichten zu können. Aber das wird nicht
       das Ende der Machtkämpfe in der Partei bedeuten.
       
       Worin liegen die Unterschiede zwischen Lucke und Hans-Olaf Henkel auf der
       einen und dem Flügel um Alexander Gauland und Frauke Petry auf der anderen
       Seite? 
       
       Die Darstellung, dass Lucke und Henkel dem liberalen Flügel angehören ist
       falsch. Henkel repräsentiert das mittlerweile kaum noch vorhandene Lager,
       das sich nicht nur in wirtschaftspolitischen Fragen, sondern zum Teil auch
       in gesellschaftspolitischen Fragen liberal positioniert. Lucke gehört aber
       nicht dazu. In einem Interview hat er selbst gesagt, dass er kein Liberaler
       ist. Lucke nimmt die Rolle des Zentristen ein, der die verschiedenen Flügel
       zusammenhält.
       
       Ok, aber Lucke war doch heftigen Angriffen vom rechten Flügel ausgesetzt.
       Wo liegen also die Differenzen? 
       
       Da geht es weniger um Inhalte als um eine Machtfrage. Sicher gibt es
       unterschiedliche Positionen zu Russland oder TTIP, aber das ist kein
       fundamentaler Disput. Eine größere Rolle spielt Luckes autoritärer
       Führungsstil, an dem es schon lange Kritik gibt. Seine Einladung zur
       gestrigen Kreisdelegiertenkonferenz, die er mit niemandem abgesprochen hat,
       spricht Bände. Politisch ist Lucke von den Nationalkonservativen aber nicht
       so weit entfernt. Für die Verschiebung der Partei nach rechts ist er
       maßgeblich verantwortlich.
       
       Wie das? 
       
       Lucke hat das Feld für diese Personen und ihre Inhalte geöffnet. So hat er
       im Herbst vergangenen Jahres in einem Rundschreiben an alle Mitglieder
       Thesen zum Islam aufgestellt, in denen er die Aussage des ehemaligen
       Bundespräsidenten Christian Wulff, der Islam gehöre zu Deutschland, als
       falsch und töricht bezeichnete. Damit hat er dem antimuslimischen Flügel
       erst die Möglichkeit gegeben, das Thema zu einem der AfD zu machen. Immer
       wieder hat Lucke extrem rechte Denkmuster bedient und damit den Rechten in
       die Hände gespielt. Etwa mit seiner Bezeichnung von arbeitslosen
       Zuwanderern als „sozialer Bodensatz der Gesellschaft" oder seiner Kritik an
       Thomas Hitzlsperger nach dessen Coming-out. Auch seine Forderung, Thilo
       Sarrazin kurz vor der Bundestagswahl einen AfD-Buchpreis zu verleihen,
       steht dafür.
       
       Dagegen spricht doch, dass Lucke sich gegen die Aufnahme von Mitgliedern
       der „Freiheit" ausgesprochen und gegen Pauschalisierungen bei der
       Islamkritik verwahrt hat? 
       
       Es ist genau seine Strategie zwischen den verschiedenen Positionen zu
       changieren. Er bedient selbstverständlich beide Flügel. Das fällt auch
       derzeit bei seiner Haltung zu Pegida auf. Mal distanziert er sich
       vorsichtig von den Demonstrationen in Dresden, mal verkündet er öffentlich,
       dass er diese gut und richtig findet. Er selbst mag gar nicht so
       rassistisch wie weite Teile der Partei eingestellt sein, aber er hat sich
       für eine strategische Rechtsausrichtung stark gemacht.
       
       Woran ist die Verschiebung der Partei nach rechts festzumachen? 
       
       Die AfD war von Anfang an darauf ausgelegt eine rechte Sammlungspartei zu
       sein. Sie war nie nur eine national-neoliberale Anti-Euro-Partei, sondern
       hat von Beginn an Rechtskonservative wie Beatrix von Storch mit integriert.
       Das Thema Euro-Kritik war allerdings ein perfektes Einstiegsthema, um das
       gespaltene rechte Lager zwischen CDU, FDP und NPD zu einen. Doch mit der
       Zeit haben sich die Liberalen, die auch gesellschaftspolitisch liberal
       eingestellt sind, vollkommen zurückgezogen. Sie wurden ersetzt durch einen
       Flügel der extremen Rechten. Dazu gehören Intellektuelle um das Spektrum
       der „Jungen Freiheit" sowie Rechtspopulisten, die zuvor beispielsweise in
       der antimuslimischen Partei „Die Freiheit" aktiv waren.
       
       Und inhaltlich? 
       
       Vor allem an der Programmatik bei den Landtagswahlkämpfen in Thüringen,
       Sachsen und Brandenburg konnte man das gut sehen. Da spielte das Thema Euro
       so gut wie gar keine Rolle mehr. Stattdessen ging es um Themen wie die
       Familie als Keimzelle der Gesellschaft und vor allem sogenannte
       Grenzkriminalität. Da wurde angeknüpft an einen rechtspopulistischen
       Law-and-Order-Diskurs. Die Partei nähert sich damit ihrer Mitgliedschaft
       an, denn diese steht weit rechts von dem, was der Bundesvorstand macht.
       
       19 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
       
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