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       # taz.de -- Mindestwechselkurs aufgehoben: Schweiz versetzt Märkte in Panik
       
       > Das Ende der Euro-Bindung des Schweizer Frankens löst weltweite
       > Turbulenzen aus. Auch die Gemeinschaftswährung könnte leiden.
       
   IMG Bild: Ist die Eurokrise zurück?
       
       BRÜSSEL taz | „Schlacht“, „Gemetzel“, „Erbeben“: Finanzanalysten und
       Börsenexperten rangen am Donnerstag nach Worten, um die Folgen einer auf
       den ersten Blick harmlosen Entscheidung zu beschreiben. Morgens hatte die
       Schweizer Nationalbank SNB bekanntgegeben, dass sie nicht länger am
       Mindestkurs von 1,20 Franken pro Euro festhält, den sie seit dem Höhepunkt
       der Eurokrise 2011 mit Zähnen und Klauen verteidigt hatte.
       
       Prompt schnellte der Schweizer Franken in die Höhe, Euro und Börse gingen
       in den Keller. Um fast 39 Prozent wertete der Franken zunächst gegenüber
       dem Euro auf, um sich später bei 1,03 Euro einzupendeln. Die
       Gemeinschaftswährung, die schon seit Wochen gegenüber dem Dollar nachlässt,
       erlitt einen neuen Schwächeanfall. Die Frankfurter Börse erlebte eine Berg-
       und Talfahrt, an den Märkten machte sich extreme Nervosität breit.
       
       Ist die Eurokrise zurück? Oder lösen sich „nur“ die Verspannungen, die
       diese Krise ausgelöst hatte? Die SNB versuchte die Kehrtwende als Rückkehr
       zur Normalität zu verkaufen. Die Schweizer Firmen seien lange genug vor
       einer Verteuerung des Franken geschützt worden, die die Exporte gefährdet
       hatte.
       
       Die Politik machte ebenso in „business as usual“. Die SNB werde ihren
       Auftrag auch in Zukunft erfüllen, so Finanzministerin Eveline
       Widmer-Schlumpf. Doch in Wahrheit hat sie wohl vor den Märkten und der
       übermächtigen Europäischen Zentralbank EZB kapituliert. Diese will am 22.
       Januar mit massiven Anleihekäufen eine weitere Lockerung ihrer Geldpolitik
       beschließen.
       
       Das kann den Euro weiter schwächen. Die SNB müsste dann noch mehr Euro
       kaufen, um das alte Mindestziel zu verteidigen – und dazu hat sie
       vermutlich nicht die Mittel. „Die SNB ist nicht gewillt, der EZB Paroli zu
       bieten, um den Wechselkurs zu verteidigen“, sagte Ökonom Christian Schulz
       vom Bankhaus Berenberg. Mit anderen Worten: Die Eurokäufe würden schlicht
       zu teuer für die Schweizer Notenbank.
       
       Nun komme ein „Tsunami“ auf die Eidgenossen zu, fürchtet Swatch-Chef Nick
       Hayek. Denn nicht nur die berühmten Swatch-Uhren, auch Urlaub in der
       Schweiz wird auf einen Schlag teurer. Aber auch die Eurozone muss sich auf
       turbulente Zeiten einstellen. Die Aufregung der Finanzmärkte könnte in
       Panik umschlagen, wenn EZB-Chef Mario Draghi nächste Woche doch nicht wie
       erwartet handelt – oder sein Anleiheprogramm floppt.
       
       Im Hintergrund lauern weitere Entscheidungen, die den Euro zurück in den
       Krisenmodus bringen könnten. So hat die SNB gestern den Einlagenzins von
       minus 0,25 Prozent auf minus 0,75 Prozent gesenkt. Drohen nun auch Euroland
       Negativzinsen? Und was passiert, wenn bei der Parlamentswahl in
       Griechenland in zehn Tagen die oppositionelle Linke gewinnt? Bisher
       reagierten die Märkte relativ gelassen auf diese Aussicht – trotz deutscher
       Drohungen, Griechenland im Falle eines Falles aus dem Euro zu werfen. Nun
       sind sie wieder unberechenbar geworden. Ausgerechnet die grundsolide
       Schweiz hat die Spekulation angeheizt.
       
       15 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
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