# taz.de -- Kommentar Schutz von Religiosität: Reine Gefühlssache
> Wegen „Charlie Hebdo“ leiden wieder die Großmuftis und die CSU will den
> Blasphemieparagrafen verschärfen. Wer schützt die Gefühle von Atheisten?
IMG Bild: Statt religiöser Symbole lieber die Freiheit der Vernunft.
Wenn alle so weinerlich wären wie die Strenggläubigen dieser Welt, dann, so
viel ist sicher, gäbe es nicht mehr allzu viel. Nach Erscheinen der
jüngsten Ausgabe des Satiremagazins Charlie Hebdo litten Großmuftis und
andere Sensible wieder an verletzten Gefühlen. In Deutschland möchten die
Vorzeigechristen der CSU den Strafgesetzbuchparagrafen 166 verschärfen. Der
stellt die Beleidigung religiöser Befindlichkeiten unter Strafe, wenn
dadurch der öffentliche Frieden gestört wird.
Der Paragraf droht also denjenigen, auf die andere mit Gewalt reagieren.
Nach und nach ist das „religiöse Gefühl“ zum Standardinventar einer
Auseinandersetzung geworden, der etwas Gefährliches zugrunde liegt: die
Irrationalität, ihrerseits Grundlage des Religiösen. Und doch bleibt das
religiöse Gefühl eines von besonderer Güte: bevorzugt, geachtet,
überbewertet.
Selbst im deutschen Pressekodex, dem sich JournalistInnen gemeinhin
verpflichtet fühlen, heißt es, die Schmähung religiöser, weltanschaulicher
oder sittlicher Überzeugungen komme nicht infrage. Immerhin:
„Überzeugungen“, nicht „Gefühle“. Doch gerade jene Medien, die jetzt
vorgeben, an der Seite von Charlie Hebdo zu stehen, verzichteten in der
Vergangenheit bevorzugt auf besonders religionskritische Karikaturen.
Aber was begründet eigentlich eine öffentliche Hierarchisierung von
Gefühlen? Warum sind die Befindlichkeiten antiemanzipatorischer
Glaubensgemeinschaften mehr wert als die anderer? Und was ist mit jenem Set
von Gefühlen, die die Agnostiker, Atheisten, die aufgeklärt Gottlosen
dieser Welt zu bewältigen haben, wenn sie täglich mit unnützen Theologismen
in Funk und Fernsehen malträtiert werden?
Die Sporen des Religiösen weben sich immer stärker durch den Alltag der
säkularen Gesellschaft. Das ist gefährlich: Religiöse sind nicht die
schlechteren Inhaber von Gefühlen. Aber auch nicht die besseren.
17 Jan 2015
## AUTOREN
DIR Martin Kaul
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