URI: 
       # taz.de -- Kolumne Leuchten der Menschheit: Bemäntelung des wilden Kurdistan
       
       > Für den Occupy-Aktivisten David Graeber ist Rojava ein Ort der
       > „Revolution“. Der Autor Thomas Schmidinger betrachtet die Region
       > differenzierter.
       
   IMG Bild: Zerstörte Stadt: Ein kurdischer Kämpfer läuft durch die Ruinen der umkämpften Stadt Kobani
       
       Der anarchistische Tausendsassa ist wieder auf Brautschau. Objekt der
       Begierde nach Syntagma und Arabischem Frühling: die wunderschön mit
       antikapitalistischem und basisdemokratischem Tand ausstaffierte und
       feministisch frisierte kurdische Verwaltung in Nordsyrien.
       
       Occupy-Aktivist David Graeber, der vor drei Jahren der Welt die 5.000 Jahre
       alte Welt der Schulden erklärte, gruppenbereiste im Dezember
       höchstpersönlich Rojava. So nennen die Kurden die Gegend, in der die PYD,
       die syrische Schwester der PKK, im Schatten des syrischen Bürgerkriegs
       kurzerhand ein autonomes Gebiet unter kurdischer Verwaltung proklamiert
       hat.
       
       Gesehen hat Graeber „eine echte Revolution“. [1][Er könne überhaupt nicht
       verstehen], dass immer noch jemand glaubt, hier würde sich die autoritäre
       PKK bloß radikaldemokratisch bemänteln.
       
       Auch Michael Hardt, die eine Hälfte des Autorenduos Negri-Hardt, kann sich
       für die gut Angezogene erwärmen: „In den letzten Jahren hat bei uns der
       Kurs des Transformationsprozesses bei der kurdischen Bewegung
       Aufmerksamkeit erregt“, gestand die Multituden-Spürnase schon vorigen Mai.
       „Es sieht so aus, als habe sie das Format einer klassischen nationalen
       Befreiungsbewegung verlassen, die eine neue Form von Souveränität zum Ziel
       hat. Es ist, als [2][entspreche dies dem von uns gedachten Rahmen]“,
       schrieb Hardt im Kurdistan Report. 
       
       Zum Glück hat nun mal jemand die olle Schachtel mit der krassen
       Ausstrahlung gründlicher besehen. Der Österreicher Thomas Schmidinger ist
       für seine „Analysen und Stimmen aus Rojava“ mehrfach in die vom Bürgerkrieg
       gebeutelte Region gereist – nicht ungefährlich – und hat Leute
       verschiedenster politischer Couleur befragt. Sein Buch „Krieg und
       Revolution in Syrisch-Kurdistan“ (Mandelbaum Verlag, Wien 2014) ist ein
       Must-read für alle, die einen Überblick ohne romantisierende Nebelkunst
       wünschen.
       
       Wie wird in Rojava mit anderen Minderheiten umgegangen, wie mit der Frage
       nach einem kurdischen Nationalstaat, was machen Künstler und
       Intellektuelle, und wer versucht das alles politisch zu dominieren?
       
       Wer eine Blitzkur wünscht, klappe gleich die hintere Umschlagseite auf: die
       Entwicklung der irre zersplitterten Parteienlandschaft in einer herrlichen
       Grafik Marke Augenpulver. Zum Abgewöhnen.
       
       11 Jan 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://zcomm.org/znetarticle/no-this-is-a-genuine-revolution/
   DIR [2] http://www.kurdistan-report.de/index.php/archiv/2014/174/162-kurdische-bewegung-ein-modell-fuer-den-mittleren-osten
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christiane Müller-Lobeck
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Occupy-Bewegung
   DIR Revolution
   DIR Schwerpunkt Syrien
   DIR Kurden
   DIR Kobani
   DIR „Islamischer Staat“ (IS)
   DIR Aktivismus
   DIR Autonomie
   DIR Kobani
   DIR Irak
   DIR Schwerpunkt Syrien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kobani und der Kampf gegen den IS: Der Krieg im Krieg
       
       7.000 Zivilisten sind noch in Kobani. Kurdische Milizen kontrollieren
       wieder 80 Prozent der Stadt. Das restliche Syrien ist für sie weit weg.
       
   DIR Kämpfe im Irak gegen IS: Kurdischer Erfolg gegen Dschihadisten
       
       Die Peschmerga durchbrechen die Blockade der Sindschar-Berge im Norden des
       Landes. Besiegt sind die Extremisten aber noch lange nicht.
       
   DIR Terror des „Islamischen Staats“: Massengrab im Nordirak entdeckt
       
       Peschmerga-Kämpfer stoßen im Sindschar-Gebirge auf ein Grab mit Überresten
       von 70 Menschen. Es sollen Jesiden sein. Und der IS tötet offenbar auch in
       den eigenen Reihen.