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       # taz.de -- 72. Golden-Globes-Verleihung in L.A.: Ist der Ruf erst ruiniert
       
       > Am Sonntag werden die Golden Globes vergeben – in entspannterer
       > Atmosphäre als bei den Oscars. Interessant wird es in der Kategorie
       > TV-Serien.
       
   IMG Bild: Meryl Streep erhielt 2012 den Golden Globe als beste Schauspielerin für ihre Verkörperung von Maggie Thatcher im Film „Die Eiserne Lady“.
       
       Als das gleiche Prozedere wie bei den Oscars, nur ohne all die
       Wertschätzung, charakterisierte der britische Komiker Ricky Gervais die
       Preisvergabe der Golden Globes vor wenigen Jahren. Wie Kim Kardashian zu
       Kate Middleton, so verhielten sich die Globes zu den Oscars: Sie seien ein
       bisschen lauter, ein bisschen trashiger, ein bisschen betrunkener und –
       etwas käuflicher angeblich.
       
       Besser kann man es fast nicht auf den Punkt bringen. Vor allem wenn man
       berücksichtigt, dass Gervais diesen treffenden Vergleich im
       Eröffnungsmonolog eben einer Golden-Globes-Verleihung anstellte.
       
       Denn der Wille zur Selbstironie bildet schließlich das i-Pünktchen im
       scheckigen Image der Globes, die tatsächlich ein wenig „informeller“ sind
       als die Oscars, und damit mehr Möglichkeiten eröffnen, die Dinge auch mal
       aus dem Ruder laufen zu lassen. Was die Globes unter den Awards-Shows zur
       unterhaltsamsten ihrer Art macht.
       
       Das zweifelhafte Ansehen, die legendären Fehltritte, die angebliche
       Käuflichkeit – all diese Elemente haben ihre Geschichte in der mittlerweile
       72-jährigen Globe-Tradition. [1][Ausgerichtet wird die Veranstaltung] von
       der „Hollywood Foreign Press Association“, einem notorisch kleinen Kreis
       von Filmjournalisten (Wikipedia nennt 93), die in Südkalifornien ansässig
       sind und für verschiedenste Auslandsmedien, mit und ohne Respektabilität,
       berichten.
       
       ## Eine Lobby-Gästeliste
       
       Wie das Votum dieser obskuren Gruppe ein derartiges Gewicht bekommen konnte
       und zum Hauptindikator für die Oscar-Verleihung aufstieg, lässt sich nur
       mit ein bisschen Zynismus erklären: Sie wussten sich eben gut zu
       inszenieren. Unter anderem mit ihrer legendär prominenten Gästeliste.
       
       Dass diese nicht ganz freiwillig zustande kam, sondern manches Jahr im
       Verfahren des sogenannten Lobbying, sorgte für besagten schlechten Ruf und
       dafür, dass der Sender NBC, der 1958 die Fernsehausstrahlung übernommen
       hatte, sich zwischen 1968 und 1974 wieder von der Übertragung zurückzog.
       
       Angeblich wurden Stars, die durch Wahl für eine Auszeichnung bestimmt
       waren, wieder von der Liste gestrichen, wenn sie ihr Erscheinen nicht
       zusagten. Inzwischen betreut das Abstimmungsverfahren die gleiche
       unabhängige Firma, die auch die Oscars supervisiert. Die Korruption, wenn
       man sie denn so nennen will, zeigt sich relativ offen, etwa wenn ein von
       der Kritik [2][ansonsten gering geschätzter Film] wie „The Tourist“
       mehrfach nominiert wird, sichtlich mit Hauptaugenmerk darauf, Angelina
       Jolie und Johnny Depp unter den Gästen zu haben.
       
       ## „Mel Antisemit Gibson“
       
       Denn das intime Zusammensitzen der Stars macht zusammen mit dem großzügigen
       Alkoholausschank den vielleicht wichtigsten Bestandteil der Show selbst
       aus. Die Globes finden seit Jahrzehnten im Grand Ball Room des Beverly
       Hilton Hotels statt, wo vor einer verhältnismäßig kleinen Bühne die Stars
       eben nicht wie bei den Oscars steif in einem Auditorium, sondern trinkend
       und essend an großen runden Tischen versammelt sind.
       
       In dieser Partyatmosphäre dürfen die Witze des Conferenciers schon mal
       schärfer ausfallen. Der britische Komiker Ricky Gervais, der von 2010 bis
       2012 moderierte, teilte auf inzwischen legendäre Weise aus, indem er
       scherzhaft, aber ungeniert Mel Gibson als Säufer und Antisemiten
       titulierte.
       
       Robert Downey Jr. stellte er als „den meisten Anwesenden bekannt aus der
       Betty-Ford-Klinik oder dem L.-A.-Bezirksgefängnis“ vor und sprach von
       namhaften Scientology-Anhängern, die in Wahrheit schwul, der Öffentlichkeit
       Heterosexualität vorspielen würden. Seit die US-Komikerinnen Amy Poehler
       und Tina Fey den Stab übernommen haben (in diesem Jahr moderieren sie die
       Globes zum dritten und letzten Mal) ist der Ton wieder etwas wohlwollender
       geworden.
       
       ## Kein Wettbewerb der Oscar-Konkurrenten
       
       Wobei mit Poehler/Fey dankenswerter Weise ein bisschen „Frauenwitz“
       hinzukam, etwa in ihrem Kommentar zur Kontroverse um Kathryn Bigelows „Zero
       Dark Thirty“: „Was Folter anbelangt, vertrauen wir der Frau, die drei Jahre
       mit James Cameron verheiratet war.“ Oder wenn sie „Gravity“ als den Film
       bezeichneten, der zeige, dass George Clooney lieber im All entschwinde als
       eine weitere Minute in der Gesellschaft einer gleichaltrigen Frau zu
       verbringen.
       
       Was die Preisvergabe anbelangt, gibt es dieses Jahr zumindest in der
       Kategorie der Besten Filme wenig Spannung. Treten doch die zwei großen
       Oscar-Konkurrenten, „Birdman“ und „Boyhood“ eben nicht gegeneinander an,
       sondern bilden jeweils den Hauptfavoriten in ihren Kategorien „Drama“ und
       „Komödie“.
       
       Als großer Trumpf der Globes über die Oscars erweist sich deshalb genau
       das, was sie lange Jahre so langweilig machte, nämlich ihre große Sektion
       an TV-Preisen. Man schaue einmal genau in die Runde, auch die Stars selbst
       scheinen inzwischen mehr TV-Serien als Kinofilme zu gucken. Wetten, dass
       die Reaktionen, wenn nun „True Detective“ als Miniserie gegen „Olive
       Kitteridge“ antritt, heftiger ausfallen, als wenn das Bürgerrechtsdrama
       „Selma“ noch auf den letzten Metern den Kritikerliebling „Boyhood“
       ausstechen sollte?
       
       11 Jan 2015
       
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