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       # taz.de -- Schildkröten vom Aussterben bedroht: Türkisches Naturjuwel in Gefahr
       
       > Noch können die Karettschildkröten ihre Eier am Iztuzu-Strand ungestört
       > ablegen. Doch jetzt ist er von einem Konzern gepachtet worden.
       
   IMG Bild: Gefährdet – auch durch den Tourismus in der Türkei: die unechte Karettschildkröte (Caretta caretta).
       
       ISTANBUL taz | Es ist einer der letzten nahezu unberührten Strände der
       Türkei. Der Iztuzu-Strand am Mündungsdelta des Dalyan-Flusses ist ein
       Naturjuwel, auf dem die vom Aussterben bedrohten Karettschildkröten
       (Caretta caretta) ihre Eier noch ungestört ablegen können – deshalb ist er
       auch streng geschützt. Doch das Refugium ist in Gefahr.
       
       Seit zwei Wochen versuchen die Bewohner der nahe gelegenen Kleinstadt
       Dalyan, mit Sitzblockaden und Nachtwachen zu verhindern, dass die
       Privatfirma Dalcev mit Baumaschinen zum Strand vorrückt. Dalcev hat das
       Gelände gepachtet – und will es nun kommerziell nutzen. Was genau darunter
       zu verstehen ist, hält die Firma bislang allerdings geheim.
       
       Die Bewohner fürchten das Schlimmste. „Warum kommen sie in der Nacht mit
       Bulldozern, wenn nicht um heimlich Fakten zu schaffen?“, sagte Mehmet
       Musaoglu, ein Aktivist aus Dalyan, der Zeitung Hürriyet. Und: „Wir legen
       noch nicht einmal Handtücher auf den Strand, wo die Schildkröten ihre Eier
       ablegen, um sie nicht zu stören.“
       
       Der Iztuzu-Strand ist unter Naturschützern weltweit bekannt als einer der
       letzten Strände am östlichen Mittelmeer, wo die Meeresschildkröten noch
       ihre Eier ablegen können, ohne durch Touristen gestört zu werden. Deshalb
       hatte es bereits vor 20 Jahren Streit gegeben, als eine türkische Firma
       dort unter anderem mit deutschem Geld hier ein Hotel bauen wollte.
       Naturschützer und die Bevölkerung vor Ort konnten das verhindern. Der
       Strand und das Delta wurden daraufhin unter strengen Naturschutz gestellt.
       In Dalyan entstanden kleine Hotels für einen eher nachhaltigen Tourismus.
       
       Diese Entwicklung ist nun gefährdet, weil die türkische Regierung in Ankara
       im letzten Jahr entschieden hat, die gesamten Strände des Landes für die
       kommerzielle Nutzung freizugeben. Waren es bis dahin die Kommunen vor Ort,
       die ihre Strände auch unter Non-Profit-Gesichtspunkten verwalten konnten,
       so entscheidet nun der von der Regierung eingesetzte Provinzgouverneur, was
       hier passieren soll. Prompt vergab der zuständige Gouverneur der Provinz
       Muglu den Iztuzu-Strand an eine Privatfirma, die dafür Pacht zahlt. Die
       Gemeinden klagten dagegen und konnten so bis Ende vergangenen Jahres
       verhindern, dass die Firma den Strand in Besitz nahm. Doch dann entschied
       ein Gericht im Sinne der Firma. Nun sollen offenbar Fakten geschaffen
       werden.
       
       Das haben die Bewohner von Dalyan bislang verhindern können. Doch jetzt hat
       sich das Umweltministerium – in der Türkei gleichzeitig das Bauministerium
       – hinter die Firma gestellt. Dalcev, so erklärte das Ministerium gegenüber
       der Gemeinde von Dalyan schriftlich, habe die Ausschreibung für 8 Millionen
       Lira (rund 3 Millionen Euro) gemeinsam mit britischen Partnern gewonnen –
       und nun auch das Recht, den Strand zu übernehmen. Geschäftsführer von
       Dalcev ist Ramazan Oruc, ein Geschäftsmann, der in der Region ein bekanntes
       Mitglied der regierenden AKP aktiv ist.
       
       Während Umwelt- und Bauminister Idris Güllüc die Aktivisten von Dalyan
       schon einmal als „Umweltfanatiker“ bezeichnet hatte, werden die Bewohner
       des Ortes von der Opposition unterstützt. Der CHP-Parlamentsabgeordnete der
       Provinz, Mahmut Tanal, sagte: „Die Verpachtung des Strands an Dalcev ist
       ein schwerer Schlag für den naturnahen Tourismus in der Provinz Mugla. Das
       muss verhindert werden.“
       
       9 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
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