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       # taz.de -- Zocken in Österreich: Ausgespielt in Wien
       
       > Seit Anfang des Jahres sind Automaten in Gasthäusern und Spielhöllen
       > verboten. Ein Konzern bietet Gratis-Taxi-Fahrten nach Niederösterreich
       > an.
       
   IMG Bild: Seit dem 1. Januar 2015 aus Wiens Spielhöllen und Gasthäusern verbannt
       
       WIEN taz | „Geschlossen“ steht an der Tür des Game Center auf der
       Meidlinger Hauptstraße. Auch die anderen Spielhöllen in der Umgebung sind
       zu. Die „rechtswidrige Verordnung“ der Stadtregierung, so eine Erläuterung,
       werde gerichtlich bekämpft. Seit 1. Januar ist in Österreichs Hauptstadt
       Wien das sogenannte kleine Glücksspiel verboten. Betroffen sind Automaten,
       die in Gasthäusern oder eigenen Spielhöllen hinter verspiegelten Türen
       aufgestellt sind.
       
       Helga Sobotka steht vor der geschlossenen Türe eines Game Centers. „Ganz
       gut“, meint sie, „mein Sohn hat da ein kleines Vermögen verspielt.“ Die
       einarmigen Banditen schlucken nicht nur Münzen, sondern auch Scheine. Bis
       31. Dezember wurde in Wien an 505 Standorten auf rund 2.600 Slotmaschinen
       Geld verjuxt. 69 dieser Standorte waren reine Spiellokale.
       
       Das Verbot der Automaten ist einer Initiative der Jungen SPÖ zu verdanken,
       die sich mit den Grünen im Wiener Rathaus durchgesetzt hat. Es sei
       moralisch nicht zu vertreten, dass Wien für die fetten Steuereinnahmen aus
       dem Glücksspiel in Kauf nehme, dass Tausende Existenzen vernichtet werden.
       Und wenn man die Therapiekosten gegenrechne, sei die Sache auch ökonomisch
       fragwürdig. „Rund 160.000 Menschen sind vom Automatenspiel abhängig.
       Weitere 240.000 sind akut durch Spielsucht gefährdet“, heißt es im von den
       Grünen erstellten „Schwarzbuch Kleines Glücksspiel“ unter Berufung auf eine
       Studie.
       
       Das sind zwar die Zahlen für ganz Österreich, doch fast ein Viertel der
       Einwohner lebt in Wien. Laut einer anderen Studie sind Spielsüchtige mit
       durchschnittlich 36.000 Euro verschuldet. Das ist für die meisten
       Betroffenen das Vielfache eines Jahreseinkommens. Denn 47 Prozent der
       Automaten-Spieler in Wien haben laut der Studie Migrationshintergrund und
       60 Prozent ein Haushaltseinkommen von weniger als 2.500 Euro im Monat. Das
       ist die bevorzugte Zielgruppe der Automatenbetreiber, denn in den
       proletarischen Bezirken ist die Dichte der Automaten auffällig hoch.
       
       ## Aberkennung der Lizenzen
       
       Im vergangenen Jahrzehnt drängte der Glücksspielkonzern Novomatic auf den
       Markt, der unter der ÖVP-FPÖ-Regierung von Wolfgang Schüssel liberalisiert
       wurde. Auch bei der Exekutive sorgten die Unternehmer für gute Stimmung:
       Bei „Geschäftsessen“ in Lokalitäten der Novomatic seien wiederholt
       hochrangige Wiener Polizeioffiziere gesehen worden, heißt es im Schwarzbuch
       der Grünen.
       
       Das Verbot der Stadt Wien wurde durch Aberkennung der Lizenzen verfügt.
       Allerdings seien manche Lizenzen bis 2018 oder länger erteilt worden,
       wendet Novomatic ein und spricht von „rechtswidrigen Maßnahmen“.
       Ankündigungen, das Verbot zu ignorieren, wurden aber nicht wahrgemacht. Die
       Finanzpolizei kontrolliert flächendeckend. Daher hat sich Novomatic etwas
       anderes einfallen lassen: Kunden wird eine Gratistaxifahrt nach
       Niederösterreich angeboten. Dort ist Spielen noch erlaubt. Als Alternative
       gibt es einen Bus in die slowakische Hauptstadt Bratislava. Auch in Wiener
       Casinos stehen weiter 1.500 Automaten.
       
       Doch für die typische Klientel ist da die Schwelle zu hoch. Die Spieler
       würden auf illegale Automaten, Wettmaschinen oder ins Onlinegaming
       ausweichen, meint Novomatic-Chef Johann Graf. Der Konzerngründer glaubt,
       dass das Verbot fallen wird.
       
       7 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
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