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       # taz.de -- Internationaler Strafgerichtshof: Palästina erkennt Gerichtsbarkeit an
       
       > Der Internationale Strafgerichtshof wird nun auch von Palästina als
       > Rechtsinstanz anerkannt. Damit ist theoretisch der Weg für ein
       > Ermittlungsverfahren gegen Israel frei.
       
   IMG Bild: Könnte ab dem Frühjahr zum wichtigsten juristischen Schauplatz des Nahost-Konflikts werden: der Internationale Strafgerichtshof (IStGH).
       
       DEN HAAG/JERUSALEM dpa/afp | Die palästinensische Autonomiebehörde hat die
       Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs für mögliche Verbrechen
       auf dem von ihr kontrollierten Gebiet anerkannt. Damit sei theoretisch der
       Weg für ein Ermittlungsverfahren gegen Israel frei, bestätigte ein
       Gerichtssprecher am Dienstag in Den Haag. Die palästinensische
       Autonomiebehörde könnte Klagen gegen israelische Kommandeure, Politiker und
       Vertreter der Siedlungen in den besetzten Gebieten anstrengen.
       
       „Die Anerkennung der Zuständigkeit führt aber nicht automatisch zu einem
       Ermittlungsverfahren“, sagte er. Die Anklage müsse jeden Fall prüfen und
       vor Eröffnung eines Verfahrens einen richterlichen Beschluss beantragen.
       
       Palästina ist allerdings nicht dem sogenannten Römischen Statut, dem
       Grundlagenvertrag des Gerichtes, beigetreten. Ein entsprechendes Gesuch der
       palästinensischen Regierung wird zur Zeit von den Vereinten Nationen in New
       York geprüft.
       
       Die Autonomiebehörde in Ramallah bezeichnet das von ihr kontrollierte
       Gebiet offiziell als Palästina. Die UN-Vollversammlung hat Palästina einen
       Status als Beobachterstaat eingeräumt.
       
       ## Der IStGH
       
       Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) könnte somit ab dem Frühjahr
       zum wichtigsten juristischen Schauplatz des Nahost-Konflikts werden. Doch
       das Weltstrafgericht ist ein zweischneidiges Schwert: Denn auch
       völkerrechtswidriges Verhalten auf palästinensischer Seite könnte dort dann
       künftig verfolgt werden.
       
       Der IStGH ist befugt, Prozesse wegen Völkermord, Verbrechen gegen die
       Menschlichkeit und Kriegsverbrechen anzustrengen, sofern die Taten nach dem
       1. Juli 2002, seinem Gründungstag, begangen wurden. Als Rechtsinstanz
       anerkannt wird das Gericht inzwischen von 122 Staaten – nicht aber von
       Israel, den USA, China und Russland. Diese vier mächtigen Staaten haben die
       IStGH-Charta, das Römische Statut, zum Teil zwar unterschrieben, aber nie
       ratifiziert.
       
       Ein Staat, auch ein Nichtmitglied, kann vom Weltstrafgericht nur belangt
       werden, wenn der UN-Sicherheitsrat diesen Antrag stellt. Dies geschah
       bislang nur im Fall von Sudan und Libyen. Einzelpersonen kann der
       Gerichtshof aber verfolgen, wenn ihnen entsprechende Verbrechen vorgeworfen
       werden, die auf dem Gebiet eines Mitgliedsstaates begangen wurden, oder
       wenn der Beklagte Bürger eines Mitgliedslandes ist. Deshalb würden bei
       einem Beitritt der Palästinensergebiete sowohl bestimmte Israelis als auch
       Palästinenser belangbar.
       
       Ein Verfahren kann auf Eigeninitiative des Gerichtshofs oder auf Antrag
       eines Unterzeichnerstaates des Römischen Statuts eingeleitet werden.
       Geprüft wird dann zunächst, ob die Verbrechen schwer genug sind und ob die
       nationale Gerichtsbarkeit nicht fähig und willens ist, die Strafverfolgung
       selbst ausreichend zu betreiben. Die Palästinensische Autonomiebehörde
       hatte 2009 und erneut im April 2012 vergeblich versucht, Prozesse gegen
       Israel beim IStGH anzustrengen. Das scheiterte jeweils, weil ihr
       rechtlicher Status dafür nicht ausreichte.
       
       ## Erste Verfahren frühestens im März oder April
       
       Das hat sich seit der Zulassung Palästinas als Beobachterstaat der
       Vereinten Nationen im November 2012 geändert. Weil die Zulassungsprozedur
       zum IStGH mindestens zwei Monate in Anspruch nehmen wird, können erste
       Verfahren dort frühestens im März oder April eingeleitet werden.
       
       Die Palästinenser wollen dann Verfahren gegen die fortgesetzte Besiedlung
       der 1967 von Israel besetzen Gebiete anstrengen. Auch Militäroperationen in
       den Palästinensergebieten und insbesondere das Vorgehen der israelischen
       Armee im Gaza-Krieg im vergangenen Sommer könnten in Den Haag vor Gericht
       kommen. Nach Ansicht von Völkerrechtlern wären auch ausländische
       Unternehmer, die in den besetzten Palästinensergebieten tätig sind, vor
       Strafverfolgung nicht sicher.
       
       Zugleich haben israelische Regierungsmitglieder als mögliche Vergeltung
       schon am Mittwoch angekündigt, dass sie palästinensische Verantwortliche
       wegen des massiven Raketenbeschusses aus dem Gazastreifen und wegen
       Sprengstoffattentaten vor das Weltstrafgericht bringen würden. Dies beträfe
       in erster Linie die Führer der islamistischen Hamas und anderer radikaler
       Palästinensergruppen. Da Vertreter der Hamas oder des islamischen Dschihad
       es aber vermeiden, in Länder zu reisen, in denen ihnen Auslieferung droht,
       scheint ein Verfolgungsrisiko für sie geringer als für israelische
       Politiker, Militärs oder Geschäftsleute.
       
       6 Jan 2015
       
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