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       # taz.de -- Kommentar Arbeitsrecht für Flüchtlinge: Das ach so deutsche Arbeitsethos
       
       > Wenn in Deutschland Flüchtlinge nicht arbeiten dürfen, ist es eine
       > Schande. Neue Regelungen ändern das nur bedingt. Die richtige Förderung
       > fehlt.
       
   IMG Bild: In Bayern werden junge Flüchtlinge zwei Jahre lang an Berufsschulen unterrichtet – doch das ist nicht genug.
       
       Es ist verrückt: In einem hochindustriellen Land, das sich etwas auf seine
       Arbeitsmoral einbildet, werden Hunderttausende von jungen, hochmotivierten
       Leuten kaltgestellt. Sie sitzen in Asylbewerberheimen herum und warten,
       während ihre kostbare Lebenszeit verrinnt. Zeit, die man nutzen könnte für
       Bildung und Arbeit.
       
       So sah sie lange aus, die Abschreckungspolitik gegenüber Flüchtlingen. Mit
       den neuen Gesetzen hat ein Umdenken eingesetzt – aber die Regelungen gehen
       erstens nicht weit genug und sind zweitens ohne verbesserte Maßnahmen für
       Eingliederungen in den Arbeitsmarkt eher sinnlos.
       
       Denn auch mit den neuen Gesetzen gilt noch die Nachrangigkeit für
       sogenannte Geduldete. Sie müssen in der Regel erst 15 Monate warten, um
       einen Job annehmen zu können. Zudem wird rasch ein Beschäftigungsverbot
       verhängt, wenn die Flüchtlinge angeblich zu wenig an ihrer Rückführung
       mitarbeiten, also etwa keinen Pass mehr haben und sich nach Meinung der
       Ausländerbehörde zu wenig bei der Botschaft ihres Heimatlandes bemühen,
       einen neuen zu bekommen.
       
       Trotzdem könnten die neuen Gesetze eine Chance sein – aber nur mit
       Förderung. Denn die Einfachjobs am Fließband, für die man kaum
       Deutschkenntnisse benötigte und die in den 60er Jahren den Migranten Lohn
       und Brot verschafften, gibt es heute so nicht mehr.
       
       Die Idee aber, den Fachkräftebedarf an Technikern und Pflegekräften aus dem
       Pool der AsylbewerberInnen zu decken, weil es zu wenig Nachwuchs in
       Deutschland gibt, ist naiv. Dafür müssten mehr und breitere Brücken gebaut
       werden, für den Spracherwerb, für Praktika. Allein schon, um für eine Lehre
       oder einen akademischen Beruf ausreichend Deutsch sprechen und schreiben zu
       können, sind mindestens zwei Jahre notwendig. Jedenfalls, wenn man nicht
       beständig nur unter Muttersprachlern ist und so die Sprache fließend im
       Alltag erlernt.
       
       In Bayern werden junge Flüchtlinge zwei Jahre lang an Berufsschulen in
       besonderen Vorklassen unterrichtet, um danach möglicherweise eine
       Ausbildung zu beginnen. Das reicht aber nicht. Es muss überall solche
       Einmündungen geben, die mehr sind als nur ein Sprachkurs.
       
       Jeder Flüchtling, der etwas lernen oder arbeiten will und nicht darf, ist
       eine Schande. Erst recht für eine Gesellschaft, die sich ansonsten so viel
       zugute hält auf ihren Arbeitsethos und ihre Wirtschaftskraft.
       
       6 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Dribbusch
       
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