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       # taz.de -- Insekten-Mastanlage in Schweden: Leckerbissen Krabbeltier
       
       > In Stockholm haben Architekten eine riesige Insekten-Mastanlage
       > entworfen. Die Tiere sollen den Speiseplan der StadtbewohnerInnen
       > bereichern.
       
   IMG Bild: Hübscher als eine Hühnerfarm: der Entwurf des „Buzzbuilding“.
       
       STOCKHOLM taz | „Das wäre so ein idealer Platz.“ Rahel Belatchew Lerdell
       beschreibt mit ihren Armen einen imaginären Kreis über den „Vanadisplan“ im
       Stockholmer Stadtteil Vasastan. Auf dieser bislang ungenutzten Grasfläche,
       um die sich jetzt der Feierabendverkehr schiebt, könne sie stehen, die
       Insektenfarm „Buzzbuilding“. An der Verkehrsführung rund um den großen
       offenen Platz müsse gar nichts geändert werden. Nur für die Skulptur, die
       da sowieso etwas verloren auf dem Rasen steht, bräuchte es es einen anderen
       Standort, sagt die Chefin des Architektenbüros Belatchew Arkitekter.
       
       Die Insekten-Mastanlage soll eine ökologischere Alternative zur
       herkömmlichen Fleischindustrie sein: „Wir müssen endlich die
       Forschungsberichte ernst nehmen, in denen vorgerechnet wird, wie untragbar
       unsere Fleischproduktion derzeit ist“, argumentiert die Architektin. Für
       die Produktion von einem Kilo Steak müsse 10 Kilo Futter verwendet werden.
       
       Mit der gleichen Futtermenge könne man vergleichsweise neunmal so viel Kilo
       essbarer Insekten produzieren, da diese als Kaltblütler einen viel größeren
       Teil der Nahrung in Körpermasse umsetzen. „Auch der Klimagasausstoß ist
       viel geringer, und anders als bei der Schwein- und Rinderzucht braucht man
       kaum Wasser. Geht es ökologischer?“, fragt Belatchew Lerdell. Genehmigt ist
       das Projekt noch nicht. Die Architekten hoffen, es bis in vier Jahren
       verwirklichen zu können.
       
       Schon 2013 rief die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der
       Vereinten Nationen (FAO) die noch zögerlichen westlichen Verbraucher auf,
       ihre Abscheu vor Insekten herunterzuschlucken. Insekten seien eine
       umweltfreundliche Ergänzung zu den herkömmlichen Lebensmitteln. Es gibt
       1.900 essbare Insektenarten. Die StockholmerInnen sollen jetzt aber erst
       einmal an den Verzehr von Grillen gewöhnt werden.
       
       ## Ein großer gläserner Donut
       
       In so einem „Buzzbuilding“, das wie ein großer gläserner Donut aussieht,
       soll für die Zucht der Grillen ein ökologischer Mikrokreislauf geschaffen
       werden. Sonnenlicht soll die Energie liefern. Vor Ort gezüchtete Pflanzen
       sowie Essensabfälle aus der Gastronomie könnten als Futter für die Tiere
       dienen, die sich binnen sechs Wochen vom Ei zur essfertigen Proteinquelle
       entwickeln. Im geschützten Innenhof soll ein Garten entstehen, sodass die
       Farmen auch ein Refugium für die vom Aussterben bedrohten schwedischen
       Wildbienen werden könnten.
       
       Man hat errechnet, dass sich der jährliche Output einer solchen
       Insektenfarm auf 800 Tonnen Eiweiß belaufen würde. Zehn „Buzzbuildings“
       würden für den jährlichen Proteinbedarf der knapp eine Million
       StockholmerInnen reichen.
       
       Und warum das Ganze mitten in der Stadt? „Im Gegensatz zur konventionellen
       Massentierhaltung, die sich ja nicht umsonst verstecken muss, wollen wir
       die Menschen einladen, sich anzusehen, wo ihre Nahrung herkommt“, sagt
       Belatchew Lerdell. Der gesamte Aufzuchtprozess soll öffentlich und
       möglichst anschaulich gemacht werden. BesucherInnen könnten sich in einer
       Ausstellung informieren, den herumschwirrenden Tieren zusehen und dann
       gleich in einem Restaurant im Erdgeschoss leckere Grillen-Gerichte testen
       oder sich ein paar Pakete für die heimische Küche mitnehmen.
       
       ## Inspiration ist alles
       
       Bei der Stahlrahmenkonstruktion der futuristisch anmutenden Bauten haben
       sich die Architekten von den Außenskeletten von Insekten und Krebstieren
       inspirieren lassen. Das hat zumindest schon mal die Jury des alle zwei
       Jahre verliehenen Preises für „Schwedens bestes Design“ überzeugt, die
       Anfang Dezember den „Belatchew“-Entwurf damit ehrten.
       
       Damit es in vier Jahren in der Insektenfarm schwirrt und es ganz normal
       wird, im „Buzzrestaurant“ Grillen zu knuspern, müsse man „nur noch die
       Stockholmer überzeugen“, sagt Belatchew Lerdell: „Also ganz leicht wird es
       sicher nicht – aber ich bin da optimistisch: Zwei Milliarden Menschen sind
       ja schon Insektenesser.“
       
       1 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reinhard Wolff
       
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