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       # taz.de -- Familiäre Probleme: Mit Eltern Schluss machen?
       
       > Wenn in einer Partnerschaft die Liebe fehlt, trennt man sich. Ganz
       > einfach. Mit Eltern geht das aber nicht – oder doch?
       
   IMG Bild: Auch Michael Jacksons Verhältnis zu seinem Vater war schwierig. Im Testament des Popstars soll er nicht vorkommen
       
       „Du nimmst mir die Luft zum atmen. Ich kann das nicht mehr. Ich will Dich
       nicht mehr sehen.“ So kann das klingen, wenn Kinder das einzige Verhältnis
       lösen, das sie nicht freiwillig eingegangen sind: das zu Mutter oder Vater.
       
       Die genaue Zahl der Eltern, die von ihren Kindern verlassen werden, ist
       nicht bekannt. Die wenigsten Eltern reden darüber. Doch zeigt der starke
       Zulauf bundesweiter Selbsthilfegruppen, wie relevant das Thema für viele
       ist.
       
       „Verlassene Eltern“ so nennt sich eine der Anlaufstellen für diejenigen,
       die reden wollen - die reden müssen, um weitermachen zu können. Sie müssen
       lernen, umzugehen mit „dieser furchtbaren Sehnsucht, die ja fast an
       körperlichen Schmerz grenzt“, sagt die Psychoanalytikerin Dunja Voos [1][in
       einem Interview mit der taz.am wochenende].
       
       Nicht nur der Verlust quält, auch die Ohnmacht, nichts, aber auch gar
       nichts tun zu können. Das Kind ist weg und die Eltern wissen nicht, ob sie
       es jemals wieder sehen werden. Ganz besonders kann diese Abwesenheit in
       Zeiten schmerzen, zu denen Familien sonst zusammenkommen. Wie jetzt,
       zwischen den Jahren.
       
       ## „She's Leaving Home“
       
       Wer hat nicht schon mal darüber nachgedacht, abzuhauen, wenn es zu Hause
       schwierig war? Leise die Tür hinter sich zu zu ziehen, wie es die Beatles
       in „She's Leaving Home“ besangen, und nie mehr zurückzukommen? Es geht
       dabei gar nicht nur darum, dass jemand geschlagen oder missbraucht wurde.
       Unter „elterlicher Gewalt“ zu leiden, kann für manche Kinder auch heißen,
       keine eigene Identität entwickeln zu können. Wieder andere verspüren einen
       emotionalen Mangel, den sie in der Beziehung zu ihren Eltern nicht erfüllt
       sehen.
       
       Was ist die Konsequenz? Wenn in einer Partnerschaft die Liebe fehlt, macht
       man Schluss. Ganz einfach. Das geht in der Eltern-Kind-Beziehung aber nicht
       – oder doch? Die Frage stellt sich unser Autor in der [2][taz.am wochenende
       vom 3./4. Januar 2015]. Er erzählt, wie er sein Leben lang gegen eine Mauer
       aus Zurückweisung und Enttäuschungen ankämpfte, den letzten Schritt des
       Bruchs mit seinem Vater aber nicht gehen kann. Obwohl er es versucht hat.
       
       Mit der Frage, ob man seine Eltern „abschaffen“ kann, ist er in guter
       Gesellschaft. Prominente Beispiele finden sich sowohl in der Geschichte als
       auch in der Literatur. Nicht viele gehen den letzten Schritt und töten wie
       einst Orestes oder Kaiser Nero ihre Erzeuger. Einige beschnitten nur ihre
       Macht, wie Kronos, der im Mythos seinen Vater mit der Sichel entmannte.
       
       ## Beyoncé Knowles oder Miranda Kerr
       
       Heutzutage gehen prominente Kinder gewaltloser vor, doch auch sie erheben
       sich gegen zu einflussreiche Eltern. So wie einst Popstar Michael Jackson
       oder jüngst die Sängerin Beyoncé Knowles oder das Model Miranda Kerr, die
       beide den elterlichen Manager-Vertrag aufkündigten. Wieder andere schaffen
       es nie, besagten Brief auch abzuschicken, wie Franz Kafkas, der seinem
       Vater auf 103 Seiten klagte, was er „an (s)einer Brust nicht konnte“.
       
       Kafkas Vater nennt seinen Sohn einen Hund, der krepieren soll. Der Vater
       unseres Autors nennt ihn ein Arschloch. Kraftausdrücke bereiten nicht nur
       Schmerz, sie hinterlassen auch Wunden. So tief, dass man sein eigenes Leben
       kaum unter Kontrolle bekommt.
       
       In der taz.am wochenende beschreibt ein enttäuschter Sohn, wie er trotz
       Zurückweisung, emotionaler Kälte und Liebesentzug selbst Vater wurde.
       Resignierend stellt er irgendwann fest: „Man kann Eltern hassen,
       verabscheuen und ablehnen. Man kann den Kontakt abbrechen oder ans andere
       Ende der Welt ziehen. Aber man kann ihnen nicht kündigen.“
       
       Oder doch? Gibt es diesen niemals abgeschickten Kündigungsbrief nicht in
       der Schublade eines jeden Kindes? 
       
       Diskutieren Sie mit!
       
       Die Titelgeschichte „Kann man mit Eltern Schluss machen?“ lesen sich in der
       [3][taz.am wochenende vom 3./4. Januar 2015].
       
       2 Jan 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /!151993/
   DIR [2] /Ausgabe-vom-3/4-Januar-2014/!151995/
   DIR [3] /Ausgabe-vom-3/4-Januar-2014/!151995/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefanie Schmidt
       
       ## TAGS
       
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