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       # taz.de -- Das Jahr: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
       
       > 2014 – ein Jahr wie eine Gewissensprüfung: Der Rechtsmob marschiert,
       > Putin-Büttel Schröder gibt sich vielgesichtig, volle Hütte beim
       > Tabellenletzten.
       
   IMG Bild: 2014 – ein Jahr der Verrückten. Werft sie alle in den Löschteich
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht 2014? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Hm. Wiederholen Sie die Frage, wenn Sie dazu ein
       Sonderheft planen.
       
       Und was wird besser 2015? 
       
       Angeblich: Merkel-Rücktritt und Gabriel lässt die Koalition platzen.
       Dooooch, das wurde uns 2013 versprochen!
       
       Es ist das Jahr der Manipulationen: Im Januar kommt heraus, dass der ADAC
       beim „Gelben Engel“ geschummelt hat. Im Juli, dass das ZDF die Rangliste zu
       „Deutschlands Beste“ nach Lust und Laune verschoben hat. Wem kann man
       überhaupt noch trauen? 
       
       Mir.
       
       Im Februar wird bekannt, dass Alice Schwarzer sich selbst wegen
       Steuerhinterziehung angezeigt hat – sie erntet für ihre Selbstdarstellung
       als Opfer wenig Verständnis. Uli Hoeneß wird im März für seinen Betrug
       sogar zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Gibt es doch noch
       Gerechtigkeit? 
       
       Nein, sonst hätte ich ja das Bundesnebenverdienstkreuz für 30 Jahre
       pünktliche Steuererklärung.
       
       Seit März versammeln sich unter dem Deckmantel von Frieden und Systemkritik
       in vielen Städten „Montagsdemos“. Sind das die wahren Pazifisten? 
       
       Friedensdemos sollten künftig wie regionale Marathon-Events hergerichtet
       werden: jede Menge Behelfsduschen am Zieleinlauf. Man möchte sich
       ununterbrochen waschen, wenn man sieht, wer sich einem alles unterhakt.
       
       Exkanzler Gerhard Schröder feiert im April seinen 70. Geburtstag in Moskau
       und lässt sich von Putin umarmen. Mitten in der Ukrainekrise. Dafür gibt’s
       viel Kritik. Darf man nicht mal mehr feiern, wo und mit wem man will? 
       
       Zunächst gilt es hier, CDU-Stuntman Philipp Mißfelder zu würdigen, der mit
       einem irritierenden Soloflug zur Putin-Party das Leitmotiv „Rudolf Heß“
       aktuell variierte: „Flieg hin und versuch’s – wenn’s schiefgeht, erklären
       wir dich für verrückt.“ Schröder hingegen personifiziert mustergültig das
       sozialdemokratische „Lied vom Teilen“. Nachdem er zunächst erfolgreich die
       SPD in zwei gleich unglückliche Hälften teilte, zerlegt es ihn nun gar
       selbst. In 1.: den Agenda-Titanen, dessen Heilslehren seine Nachfolgerin
       etwa Frankreich, Italien und allerhand Schurkenstaaten anempfiehlt. An
       dieser Lichtgestalt Schröder kann man bemessen, was für ein
       abgewirtschafteter Haufen dagegen die heutige SPD ist. Und, 2.: den
       Putin-Büttel, gazpromisk bis zum Anschlag und noch einen Tick
       unsympathischer als die Trikotsklaven von Schalke 04.
       
       An letzterem Schröder kann man übrigens sehr gut bemessen, was für ein
       abgewirtschafteter Haufen die SPD heute ist. – Dies Bild wird sich noch
       einmal drehen: in historischer Rückschau ist Schröders SPD-„Agenda“ eine
       Politik, die eine CDU-Kanzlerin nunmehr zehn Jahre nicht anfassen musste.
       Wohingegen Schröders Drall nach Osten Restaromen alter Entspannungspolitik
       enthält. Kurz: Für 2015 richten wir uns auf mindestens ca. vier Schröders
       ein, was auch der Sache mit den vier bisherigen Ehefrauen ein
       versöhnlicheres Licht schenkt. (siehe dazu auch „Konzept Gauck“.)
       
       Trotz kritischer Berichterstattung etabliert sich die AfD: Im Mai bei der
       Europawahl, im August und September in drei ostdeutschen Landtagen. Werden
       wir die nie wieder los? 
       
       Ersetzt man „trotz“ durch „wegen“, ergibt sich eine plausible Theorie:
       „System“- oder „Mainstream“- oder nun auch schon gleich ganz egal
       „Lügen“-Medien seien wir, allesamt; AfD setzt auf ein diffuses Unwohlsein
       auf: Das Misstrauen gegenüber „den Medien“ war in deren hausgemachter
       „Wulff-Affäre“ wahrzunehmen, und wie Oper auf Ouvertüre folgte 2014 auf
       Wulff dann das große Ukraine-Besserwisser-Battle. Den Krisengewinnlern
       genügt ein mittelalterlicher Hexenhammer zum Beweis ihrer Kruditäten: Näht
       sie in einen Sack und werft sie in den Löschteich! Ertrinkt sie, straft
       Gott die Hexe; kommt sie aber durch Zauberei frei, ist sie ganz sicher eine
       – Hexe.
       
       So ramentern AfD, Pegidisten und Montagsverschwörer: Was klassische Medien
       nicht berichten, sei unterdrückte Wahrheit; berichten sie es dann doch,
       beweist dies ja wohl endlich die unterdrückte Wahrheit. Nach der Melodie
       kann man Chemtrails, Bachblüten, Antisemitismus und Spießerparanoia
       beweisen. AfD also lechzt nach „kritischer Berichterstattung“, um in
       wehleidigster Attitüde aus steuerfinanzierten Professoren mutige
       Widerstandskämpfer zu schmieden. Mühle auf, Mühle zu.
       
       Als erste Transsexuelle gewinnt Conchita Wurst im Mai den Eurovision Song
       Contest, im Juni werden Homosexuelle steuerlich gleichgestellt und seit
       September lässt Facebook seine Nutzer zwischen mehr als 60 Geschlechtern
       wählen. Gutes Jahr für Diversity? 
       
       Zunächst mal hat sich der ESC mit Wurstgipfel rehabilitiert. 2012 schenkte
       er dem autokratischen Regime von Aserbaidschan einen westlich bunt
       beleuchteten großen Kindergeburtstag mit Auftritt des
       Diktatoren-Schwiegersohnes in der Zählpause. Ein Furiosum in
       Regimeverschönerung, dem mit dem Statement Wurst der nötige und gehörige
       Gongschlag nun folgte. Vergleichsweise unspektakulär und deshalb hier gern
       noch einmal erwähnt: 13-Jährige in der Sportvereinskabine müssen künftig
       nicht mehr depressiv werden, sondern können „Hitzlsperger!“ rufen, beherzt
       den Gegner umhauen und nach Spielschluss trotzdem knutschen. Vielen Dank
       dafür!
       
       Im Juni erobert der „Islamische Staat“ Mossul und ruft das Kalifat aus.
       Sind die Islamisten noch zu stoppen? 
       
       Ordinäre Verbrecher. Die missbräuchliche Benamung nach dem Islam ist ein,
       zugegeben: nachrangiger, Teil der Katastrophe.
       
       Im Juli gibt es nur ein Thema: Rio de Janeiro, 113. Minute, Mario Götze,
       Weltmeister. Haben Sie dem noch irgendetwas hinzuzufügen? 
       
       Die Argentinier waren nervlich runter, weil sich an der Außenbahn unser
       Kevin Großkreutz warmlief. Die Götze-Bude hätte da jeder gemacht.
       
       Beyoncé Knowles tritt im August bei den Video Music Awards im kurzen
       Röckchen vor dem hell erleuchteten Schriftzug „Feminist“ auf. Darf so eine
       Feministin sein? 
       
       Sosehr ich es begrüße, wenn mir die Bekleidung von Feministinnen zur
       Abnahme vorgelegt wird, möchte ich aus innerlogischen Gründen hier auf eine
       Stellungnahme verzichten.
       
       Im September werden die maroden Zustände der Bundeswehr bekannt: Flugzeuge
       sind veraltet, Helikopter Schrott und Ersatzteile fehlen. Eigentlich ist es
       doch nur richtig, dass wir unseren Militärschrott jetzt an die Kurden
       schicken, oder? 
       
       Das ganze Jahr war eine Art bundesweite Gewissensprüfung: vom allgemeinen
       „Verantwortung übernehmen“ – „Außenpolitik nicht mehr nur von der
       Außenlinie kommentieren“ bei der Münchner „Wehrkundetagung“ – über die
       klassische Gewissensprüfung: „Sie nachts allein im Stadtpark, zufällig
       haben Sie eine Flak dabei und da kommt der böse Islamist.“ Bis hin
       schließlich zu einer stillgelegten Kirchentagspräsidentin, die nach
       Bodentruppen ruft. Vom Ende betrachtet: Hätte man die deutsche
       Wehrbereitschaft und Rüstungsindustrie ankurbeln wollen – was hätte man
       2014 groß anders machen müssen? Nichts.
       
       Im Oktober randalieren 5.000 HoGeSas, Nazis und Hooligans gegen Salafismus,
       in Köln. Und ganz Deutschland ist überrascht: Wo kommen die denn plötzlich
       her? 
       
       Aus dem bösen, bösen Internetz! Früher wurde man für Technik-Skeptizismus
       ausgelacht, dann kam mit NSA und Five Eyes ein arger Kater über die
       Netztrunkenen. Und nun läutert es sich: „Hogesa“, „Pegida“ und was da noch
       rechtsmobbt – organisiert sich netzgestützt. Na ja! Unter uns: Die machen
       es uns doch vor.
       
       Just über die Tage der Feierlichkeiten zum 25. Mauerfall-Jubiläum im
       November kündigt die Deutsche Bahn Streiks an. Das Volk tobt und ist sauer
       auf GDL-Chef Claus Weselsky. Wo ist bloß unsere Solidarität geblieben? 
       
       Wäre es Fußball, müsste der DGB eine sehr hohe Ablösesumme anbieten, um
       Weselsky in seine Startelf zu holen.
       
       Bodo Ramelow wird nach langem Gezerre im Dezember Ministerpräsident in
       Thüringen und damit der erste Linken-Politiker an der Spitze eines
       Bundeslandes. Kommt damit der Sozialismus zurück? 
       
       Was im Osten an Gefahren gärt, läuft im Kreis und riecht aus dem Stiefel:
       eine Erkenntnis, der sich auch der Bundespräsident erst mählich öffnet.
       
       Und was machen die Borussen? 
       
       80.000 beim Heimspiel des Tabellenletzten. Nimm dies, Bayernpack.
       
       FRAGEN: ANNE FROMM
       
       31 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Friedrich Küppersbusch
       
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