# taz.de -- Ebola-Tagebuch - Folge 48: 91,44 Zentimeter Abstand
> Liberia wählt die Hälfte seiner 30 Senatoren neu – unter
> Seuchenbedingungen. Die Vorschriften der Wahlkommission sind drakonisch.
IMG Bild: Händewaschen vor dem Wahllokal: Monrovia, 20. Dezember.
BERLIN taz | Eigentlich waren die Wahlen zum Oberhaus des liberianischen
Parlaments, dem Senat, dieses Jahr von historischer Bedeutung. Mehrere
Größen aus den Zeiten des Bürgerkrieges erreichten das Ende ihrer ersten
neunjährigen Amtszeit als Senatoren: Jewel Howard-Taylor, die geschiedene
Gattin des inhaftierten Expräsidenten und Warlords Charles Taylor; Prince
Yormie Johnson, der im Jahr 1990 dem damaligen Diktator Samuel Doe vor
laufender Kamera die Ohren abschneiden ließ.
Beide kandidierten erneut – eine Politikergeneration, die Liberia Ende des
20. Jahrhunderts grenzenloses Leid gebracht hatte, schickte sich an, noch
ein letztes Mal das Mandat des Volkes zu suchen. Aber dann wurde 2014 das
Jahr von Ebola, und obwohl das Virus im Vergleich zum Bürgerkrieg der
1990er Jahre geradezu lächerlich wenige Tote gefordert hat – 3.346 nach der
letzten Zählung, verglichen mit 200.000 Bürgerkriegsopfern – versetzt er
Liberia in einen beispiellosen Ausnahmezustand.
Den offiziellen Ausnahmezustand hatte Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf
aber aufgehoben, rechtzeitig zum Senatswahlkampf, und trotz mehrfacher
Verschiebung wurde der ursprünglich im Oktober fällige Urnengang
schließlich für den 20. Dezember festgelegt. Ganz gemäß der von der
Präsidentin ausgegebenen Richtung: Bis Weihnachten ist Ebola besiegt, bis
Jahresende gibt es bei uns keine neuen Ebola-Fälle mehr.
So wurde am Samstag gewählt, unter Ebola-Bedingungen. Die Vorschriften der
Wahlkommission waren drakonisch. Alle Wählerinnen und Wähler mussten sich
die Hände mit Desinfektionslösung waschen, ihre eigenen Stifte mitbringen,
diese auch nicht ausleihen, und in den Warteschlangen vor den 4.701
Wahllokalen mindestens drei Fuß (91,44 Zentimeter) Abstand voneinander
halten. Die Wahlhelfer konnten auf Verdacht Fieber messen. 10.000 Flaschen
mit Desinfektionsmitteln und 4.700 Fieberthermometer waren im Einsatz.
## Individuelle Wattebäusche
Als Nachweis der Stimmabgabe presste man nicht wie sonst seinen Finger auf
ein Stempelkissen mit nichtabwaschbarer Tinte, sondern es gab für jeden
besondere individuelle Wattebäusche. Es wurde auch empfohlen, von der
üblichen Praxis abzusehen, große Wählergruppen in Lastwagen zum nächsten
Wahllokal zu fahren.
Aus wahltechnischer und medizinischer Sicht mag damit allen Anforderungen
Genüge getan worden sein – aus politischer Sicht weniger, jedenfalls nach
Meinung so mancher Kandidaten. Denn ein normaler Wahlkampf war in Zeiten
von Ebola, in denen Menschenansammlungen und Händeschütteln tabu sind,
überhaupt nicht möglich.
## Fußballstar gegen Präsidentensohn
Der ehemalige Präsidentschaftskandidat und Fußballstar George Weah, der
sich schon 2005 und 2011 um den Sieg bei den Präsidentschaftswahlen gegen
Johnson-Sirleaf betrogen sah, fürchtet nun auch um seinen Einzug in den
Senat. Er kandidiert für den Sitz des Distrikts Montserrado, in dem
Liberias Hauptstadt Monrovia liegt.
Sein wichtigster Konkurrent ist Robert Sirleaf, Sohn der Präsidentin. Der
ist allerdings genauso unglücklich: Statt seiner Klage auf Wahlverschiebung
wegen Fehlen des Wahlkampfs stattzugeben, ordnete die Wahlkommission eine
Prüfung an, ob er überhaupt antreten durfte. Zuvor war berichtet worden, er
habe bei den Kongresswahlen in den USA im November seine Stimme abgegeben,
was ihn als Senatskandidat in Liberia disqualifizieren würde.
Wahlergebnisse lagen am Montag vormittag noch nicht vor. Liberias Senat
funktioniert in etwa nach dem Muster seines US-Vorbilds: seine 30
Mitglieder, zwei pro Distrikt, haben Neunjahresmandate, von denen die
Hälfte 2005 begann und jetzt endet, die andere Hälfte begann 2011 begann
und währt noch sechs Jahre.
22 Dec 2014
## AUTOREN
DIR Dominic Johnson
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