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       # taz.de -- Rassismus in Schweden: Rechte Partei packt aus
       
       > Juden sind keine Schweden und können es nicht werden, so der
       > Vizepräsident des schwedischen Parlaments. Jetzt gilt er vielen als
       > untragbar.
       
   IMG Bild: Rassismus statt Blümchen: hier Matthias Karlsson, der Sprecher der Partei
       
       STOCKHOLM taz | Merkwürdige Szenen spielen sich in diesen Tagen im
       schwedischen Parlament ab. Im traditionell kreuzbraven Reichstag hat es der
       Parlamentspräsident plötzlich schwer, die amtseigene Autorität aufrecht zu
       erhalten. Jedenfalls dann, wenn auf diesem Platz ein glatzköpfiger
       Endvierziger mit dem Namen Björn Söder seines Amtes waltet.
       
       Der ist führendes Mitglied der ausländerfeindlichen Schwedendemokraten, die
       dank ihrer Stellung als drittstärkste Partei seit einigen Monaten
       routinemäßig einen der drei Parlamentsvizepräsidenten stellen. Ein Amt, das
       in der staatsrechtlichen Rangliste des Landes formal hinter dem Monarchen
       und noch vor dem Ministerpräsidenten rangiert.
       
       Vergangene Woche wurde für Björn Söder auf dem Präsidentensessel das
       übliche „Herr talmann“, das dem „Herr Präsident“ entspricht, von einem
       Parlamentarier in ein „Riihkabeaivvi sardnideaddji“ umgewandelt – eine
       Präsidentenbegrüßung in nordsamischer Sprache.
       
       Eine Parlamentarierin sagte „Shalom, Herr Präsident.“ Söder musste es sich
       sogar gefallen lassen, dass eine Abgeordnete der Linkspartei ihre Rede ganz
       ohne den üblichen Gruß begann und ihn auf seine Zurechtweisung „Das heißt
       Herr Präsident“ grob anpflaumte: „Du bist nicht mein Präsident!“
       
       ## „Richtige“ Schweden
       
       Für den verdatterten Söder war das die Quittung für Äußerungen, in denen er
       Samen, Juden oder Kurden zu denen zählte, die keine „richtigen“ Schweden
       seien. Diese könnten sich zwar assimilieren und dann zur „schwedischen
       Nation“ gehören oder die schwedische Staatsangehörigkeit erwerben. Aber
       „richtig schwedisch“ werden – das sei zum Beispiel für einen Juden nicht
       nur schwer, sondern gänzlich unmöglich.
       
       Nicht wenige KommentatorInnen fühlten sich bei solchen Sätzen an die Zeit
       der Braunhemden in Deutschland der 30er Jahre erinnert, auch wenn diese in
       Schweden gewöhnlich in schwarzer Montur aufzutreten pflegten. Wie stark
       Söder von solcher Gedankenwelt tatsächlich geprägt scheint, beweist nicht
       nur sein Eintritt bei den Schwedendemokraten, als diese noch eine offen
       neonazistische Partei waren.
       
       Sondern auch Fotos, die ihn Arm in Arm mit Gesinnungsgenossen wie dem
       Republikaner-Vorsitzenden und späteren NPD-Bundestagskandidaten Franz
       Schönhuber zeigen. Er stellte die verfassungsrechtliche Religionsfreiheit
       in Frage, platzierte Nazismus und den Islam auf eine Stufe. Und nachdem
       Loreen – eine Schwedin mit marokkanischen Eltern – den
       Eurovisionsongcontest gewonnen hatte: „Schweden?“
       
       Schon Söders Wahl zum Vizepräsidenten hatte zu Kontroversen gefühlt, doch
       letztendlich stimmte nur die Linkspartei gegen ihn, während alle anderen
       Parteien glaubten, an der „üblichen Ämterverteilung“ festhalten zu müssen.
       Seine jetzige Ausgrenzung von Juden ging allerdings sogar Teilen der
       eigenen Partei zu weit und der rechtspolitische Sprecher der
       Schwedendemokraten sprach von „extrem undeutlichen“ Äußerungen des
       Parteifreunds.
       
       ## „Ein kleiner Diktatortyp“
       
       Tomas Eneroth, Fraktionsvorsitzender der regierenden Sozialdemokraten,
       gehört zu denen, die Söder einen Rücktritt nahelegen: „Der
       Parlamentspräsident hat ganz Schweden zu repräsentieren, also alle, die in
       Schweden leben.“
       
       Lars-Jonas Johansson, Präsidiumsmitglied des schwedischen Sami-Parlaments,
       wirft Söder und seiner Partei „große Nähe zu Nazis“ vor und spricht von
       einem „furchtbaren Menschenbild, ähnlich dem Hitlers“. Er hält ihm
       „grenzenlose Dummheit“ vor und wundert sich über dessen
       Geschichtskenntnisse: „Weiß er nicht, dass nicht wir Samen in Schweden,
       sondern die Schweden im Land der Samen leben?“.
       
       „Ich schäme mich, dass so ein kleiner Diktatortyp wie Söder im schwedischen
       Parlament sitzen und den Hammer schwingen darf“, bloggt der Sänger und
       Schriftsteller Ulf Lundell: Das einzig Gute am Erstarken der
       Schwedendemokraten sei, dass „sie jetzt, wo sie sich sicherer und sicherer
       fühlen, endlich ihr wahres Gesicht zeigen“.
       
       21 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reinhard Wolff
       
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