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       # taz.de -- US-Kulturdebatte nach Sony-Hack: Hübsche Empörung
       
       > Ist Amerikas Freiheit durch Hacker bedroht? Hollywood ist entsetzt. Doch
       > der Stopp von „The Interview“ beschreibt recht gut den Zustand der
       > Gesellschaft.
       
   IMG Bild: Daraus wird wohl nichts. Auf jeden Fall nicht im Kino.
       
       BERLIN taz | Leben, Freiheit und das Streben nach Glück. In der Präambel
       der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung manifestiert sich der
       Freiheitsgedanke als fester Bestandteil der US-Identität. Diese Freiheit
       leben Amerikaner in ihrem Patriotismus aus und der Bereitschaft, für diese
       Freiheit in Kriege zu ziehen – legitimiert oder nicht. Wirtschaftlich wird
       diese Freiheit in der absoluten freien Marktwirtschaft gelebt. Geld
       regiert, auch in Hollywood.
       
       Und nun lassen sich die Amerikaner diese Freiheit ein Stückchen nehmen. Die
       Hackergruppe „Guardian of Peace“ hatte Sony angegriffen und dabei nicht nur
       interne Dokumente und E-Mails der Produktionsfirma erbeutet und danach im
       Internet veröffentlicht. Sie sprach auch Drohungen gegen die
       Veröffentlichung des Films „The Interview" aus.
       
       Darin geht es um ein fiktives Mordkomplott gegen Nordkoreas Machthaber Kim
       Jong Un. Um die Ausstrahlung zu verhindern, wurden Anspielungen auf die
       Terroranschläge vom 11. September 2001 gemacht, Amerikas großes Trauma.
       Sony zog daraufhin den für den ersten Weihnachtsfeiertag geplanten
       Kinostart zurück.
       
       Neben den Spekulationen wer hinter dem Hackerangriff steckt, hat der
       Vorfall auch eine Kulturdebatte ausgelöst. Ist Amerika bereit, sich
       einschüchtern zu lassen, sich seine Freiheit durch anonymer Hacker nehmen
       zu lassen? Wenn es um eine Filmveröffentlichung geht? Spinnt man den
       Gedanken weiter, könnte das Ausmaß der Zensur von Außen keine Grenzen mehr
       kennen.
       
       ## „Fucking Kim Jong Un“
       
       Die politisch eher linke Hollywoodszene ist entsetzt. George Clooney sagte
       in [1][einem Interview] mit der Internetseite [2][Deadline Hollywood]: „Ich
       lasse mir nicht sagen, dass ich diesen Film nicht zu sehen habe. Das ist
       das Wichtigste, wir können uns nicht vorschreiben lassen, etwas nicht zu
       sehen, nicht von fucking Kim Jong Un.“
       
       Nicht nur Clooney, auch US-Präsident Obama macht Nordkorea für den
       Hackerangriff verantwortlich. Das Regime hat sich öffentlich seit Monaten
       über die Komödie mit Seth Rogen und James Franco in den Hauptrollen
       beschwert, belastbare Beweise, dass sie hinter dem jetzigen Angriff stecken
       gibt es aber nicht.
       
       Clooney, stets öffentlichkeitswirksam politisch aktiv, versuchte, eine
       Petition in Form [3][eines Briefes] zur Unterstützung für Sony und den Film
       zu starten, doch niemand in Hollywood sei bereit gewesen, zu
       unterschreiben. Was Clooney wohl jetzt zu seiner öffentlichen Kritik bewog.
       
       Nicht nur er ist irritiert, auf Twitter äußern sich viele andere Prominente
       zu der Entscheidung, den Film nicht zu veröffentlichen. Stephen King nennt
       es eine [4][„beunruhigende Entscheidung“], der Regisseur des Films, Judd
       Apatow, [5][„schändlich“]. [6][Ben Stiller twittert]: „Sehr schwer zu
       glauben, dass das die Antwort ist auf einen Angriff auf die
       Meinungsfreiheit hier in Amerika.“ Und Moderator Jimmy Kimmel nennt es
       [7][„einen un-amerikanischen Akt von Feigheit“].
       
       ## Von Angst geprägt
       
       Ein Hackerangriff und schon wird über die großen Fragen debattiert, Gut
       gegen Böse, Freiheit gegen Diktaturen und ein klassisches Hollywoodende
       kann nur darin resultieren, dass der Film wenigstens den Weg über einen
       Blog in die Öffentlichkeit findet und so mehr Zuschauer erreicht als jemals
       im Kino.
       
       So hübsch die Empörung ist, sie verschleiert, dass die Entscheidung, den
       Film nicht zu zeigen, gerade recht gut den Zustand der amerikanischen
       Gesellschaft beschreibt. Denn diese ist in vielen Teilen mehr und mehr von
       Angst geprägt – vor Terror, Einwanderung, gewalttätigen Übergriffen.
       
       Die Ereignisse um die übermäßige Polizeigewalt von Ferguson bis New York
       zeigen dies ebenso wie die Bereitschaft, im Namen der so geschätzten
       Freiheit Geheimdienste über Jahre hinweg foltern zu lassen und nichts
       Schlimmes daran zu finden. Eine gestoppter Filmstart scheint dagegen eine
       Marginalie zu sein. Aber es geht ja um die eigene Freiheit. Ein klassisches
       Hollywoodmotiv.
       
       21 Dec 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://deadline.com/2014/12/george-clooney-sony-hollywood-cowardice-north-korea-cyberattack-petition-1201329988/
   DIR [2] http://deadline.com/
   DIR [3] http://www.vox.com/2014/12/19/7420801/george-clooney-sony-hacks
   DIR [4] http://twitter.com/StephenKing/status/545391851138973696
   DIR [5] http://twitter.com/JuddApatow/status/545304296573501441
   DIR [6] http://twitter.com/RedHourBen/status/545389496746147840
   DIR [7] http://twitter.com/jimmykimmel/status/545311021443715072
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rieke Havertz
       
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