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       # taz.de -- NSU-Ausschuss in Hamburg: Wahrsager statt Polizeiprofiler
       
       > Ermittlungsfehler? Gibt es nicht! Lange hielt die SPD einen
       > NSU-Untersuchungsausschuss für überflüssig. Jetzt lenkt sie überraschend
       > ein.
       
   IMG Bild: Süleyman Taşköprü wurde 2001 ermordert. In Hamburg soll ein NSU-Ausschuss den Mord aufklären
       
       HAMBURG taz | Lange hat sich der SPD-regierte Senat gewehrt: Auf 87 Seiten
       hatte er noch erklärt, bei den Ermittlungen in dem NSU-Mord an Süleyman
       Taşköprü in Hamburg-Bahrenfeld keine gravierenden Fehler ausgemacht zu
       haben. Deshalb sei keine neue Aufarbeitung, kein Untersuchungsausschuss
       nötig.
       
       Umso überraschender kommt jetzt die Kehrtwende. „Wenn ein Ausschuss
       beantragt wird, werden wir uns dagegen nicht sträuben“, sagte der
       stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzender Martin Schäfer auf einer
       Veranstaltung der Gewerkschaft Verdi. „Solange noch irgendeine Frage offen
       ist, gibt es Aufklärungsbedarf.“
       
       Er fände es mittlerweile auch „unglaublich“, dass bei den Mordermittlungen
       „niemand auf die Idee gekommen“ sei, dass es einen rechtsradikalen
       Hintergrund geben könnte. Immerhin galten die Neonazistrategen in der
       Elbmetropole, Christian Worch, Thomas Wulff und Jürgen Rieger als
       Leitbilder der bundesweiten Naziszene.
       
       Deshalb steht jetzt einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA)
       zum Versagen der Ermittlungsbehörden beim Nationalsozialistischen
       Untergrund (NSU) nach den Bürgerschaftswahlen im Februar in Hamburg nichts
       mehr im Wege. Dieser Untersuchungsausschuss könnte endlich die Pannen bei
       Geheimdiensten, Polizei und Justiz nach dem NSU-Mord an Taşköprü
       untersuchen.
       
       ## Neue Fragen, die beantwortet werden müssen
       
       Das ist notwendig, denn in München vor dem Oberlandesgericht (OLG) sind im
       NSU-Verfahren gegen die Hauptbeschuldigte Beate Zschäpe unlängst neue
       Fragen zu den Ermittlungen und Einschätzungen der Hamburger Behörden
       aufgetaucht.
       
       Ali Taşkröpü hatte seinen Sohn Süleyman am 27. Juni 2001 im Gemüseladen an
       der Schützenstraße niedergeschossen aufgefunden. Wenige Stunden nach der
       Tat habe er der Polizei gesagt, auf dem Weg zum Laden zwei Männern begegnet
       zu sein: groß, schlank, zwischen 25 und 30 Jahren und Deutsche, keine
       Südländer. Eine Spur, die nie verfolgt wurde.
       
       Auch der Umgang der Behörden mit der Aussage des Zeugen Ali S. im April
       2006 müsste neu geprüft werden. „Was soll ein Auftragskiller bei einem
       Schneider, Kioskbesitzer, Internetcafé- und Döner-Imbiss-Betreiber?“ fragte
       er. Vielleicht sei es ein Rassist, ein Nazi, der Türken und Ausländer
       hasse. „Ich glaube auch nicht, dass die PKK oder die Grauen Wölfe
       dahinterstecken. Die PKK wäre so mächtig, die Grauen Wölfe nicht.“ Die
       Hamburger Ermittler notierten lediglich: „Keine Aussage von Substanz zum
       Motiv. PKK hätte die Macht für eine solche Serie – die Grauen Wölfe nicht.“
       
       Schon die jetzt bekannten Aussagen dürften für die ehemaligen Ermittler zu
       unangenehmen Fragen führen. Eine mögliche: Warum wurde der Hinweis eines
       Münchner Polizei-Profilers auf einen rechtsextremen Hintergrund kategorisch
       verworfen und stattdessen ein Wahrsager zu Hilfe gezogen, um Süleyman
       Taşköprüs mögliche kriminelle Verwicklungen zu erkennen?
       
       17 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Peter Müller
   DIR Andreas Speit
       
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