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       # taz.de -- Pegida-Gegner in Dresden: „Reaktionäre Verrohung Europas!“
       
       > Das Bündnis „Dresden für alle“ ist fragil. Die Pegida-Gegner setzen sich
       > aus sehr verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Gruppen
       > zusammmen.
       
   IMG Bild: 15. Dezember: „Dresden für alle“ auf dem Theaterplatz
       
       DRESDEN taz | Diesmal dominierten beim Protest „Dresden für alle“ auf dem
       Theaterplatz und bei einem Zug durch die Innenstadt junge Leute, die eher
       dem linken Spektrum zuzuordnen waren. Es kamen rund 5.500 Teilnehmer, um
       gegen gegen Pegida zu demonstrieren. Vor einer Woche hatte der Sternlauf
       für ein weltoffenes Dresden noch rund 9.000 Menschen aus ganz verschiedenen
       gesellschaftlichen und politischen Strömungen vereint.
       
       Überwiegend mittlere und ältere Jahrgänge fanden sich zunächst in der
       Kreuzkirche ein. Für das wöchentliche Friedensgebet genügt sonst eine
       Seitenkapelle. An diesem Montag war das Kirchenschiff mit etwa 500
       Besuchern gut gefüllt. Die Pegida-Demonstrationen hatten sie zum
       außergewöhnlichen Kirchenbesuch angeregt, wie sie vor dem Gebet äußerten.
       Deren Ängste hingen wohl eher „mit der mangelnden Courage zusammen, den
       eigenen Glauben und die eigenen Werte zu vertreten“, hieß es.
       
       Diese Selbstvergewisserung, was denn die beschworene „christlich-jüdische
       Kultur des Abendlandes“ sei, suchen Gläubige im Gebet und nicht in der
       Abgrenzung gegenüber anderen. Mit den brisanten Friedensgebeten in der
       späten DDR aber möchte kaum jemand die Situation vergleichen. Damals ging
       es gegen ein System, nunmehr für etwas, betonten Kirchenbesucher. Vom
       Frieden als der „umarmenden Begegnung mit dem anderen“ war denn auch beim
       Gebet die Rede. Kontrastierend dazu blies auf dem Theaterplatz zunächst ein
       weit schärferer Wind.
       
       Alex Elser von der Undogmatischen Radikalen Antifa rückte die CDU in die
       Nähe von Pegida. Sie stehe wie keine andere der etablierten Parteien für
       Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung und Abschiebung. Sachsens Innenminister
       Markus Ulbig (CDU) und anderen sprach sie das Recht ab, sich bei den
       Demonstranten gegen Pegida einzureihen. Dessen neue Sonderkommission gegen
       Asylbewerber-Kriminaliät, die Verweigerung eines Winter-Abschiebestopps und
       seine Absicht, Tunesien als sicheren Drittstaat erklären zu lassen,
       offenbarten Heuchelei.
       
       ## Die bürgerliche Mitte
       
       Das spaltete, und vereinzelt wurden auch Buh-Rufe laut. Ungeteilten Beifall
       erhielt hingegen die Linken-Bundesvorsitzende Katja Kipping, die aus
       Dresden stammt. Sie holte weit aus, machte Rüstungskonzerne und
       Rüstungsexporte für die Weltkonflikte mitverantwortlich, die wiederum die
       gewaltigen Flüchtlingsströme auslösen. Pegida sei auch der Ausdruck eines
       reaktionären Kulturkampfes. „Zivilisatorische Errungenschaften wie
       humanistische Selbstverständlichkeiten oder die Gleichheit der Geschlechter
       sollen zurückgedreht werden“, rief die junge Linken-Vorsitzende.
       
       Erschreckend sei, dass daran auch immer größere Teile der so genannten
       bürgerlichen Mitte beteiligt seien. „Es droht nicht eine Islamisierung des
       Abendlandes, sondern eine reaktionäre Verrohung Europas!“, schloss Kipping.
       Marko Schmidt vom Sächsischen Flüchtlingsrat plädierte für einen Dialog,
       aber zuerst mit den Flüchtlingen, den Hilfesuchenden selber. Solche aus dem
       Iran und aus Palästina kamen auf dem Lautsprecherwagen auch zu Wort und
       beklagten die Einschränkung ihrer Menschenrechte.
       
       Aiman A. Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland,
       mahnte dringend, „Toleranz, Teilhabe und Menschlichkeit als hohe Güter
       einer funktionierenden Demokratie nicht zu zerstören“. Sozialneid und
       Ängste fußten auf Lügen und einer Verdummungspropaganda, die ein
       gemeinsames „Wir“ verhindern möchte. „Deutschland kann anders und ist
       anders!“, rief Mazyek. Auch die Ängste seiner muslimischen Glaubensbrüder
       sollten ernst genommen werden. Zugleich forderte er die Politiker auf,
       soziale Probleme konsequenter anzugehen.
       
       ## Brandanschlag im Plattenbau-Stadtteil
       
       Ängste lösen die Pegida-Demonstranten mittlerweile überall in Dresden aus,
       wo ausländische Mitbürger beschäftigt sind. Der Betreiber des bekannten
       Restaurants „Italienisches Dörfchen“ neben der Semperoper berichtet von
       solchen Befürchtungen seiner internationalen Mitarbeiter. Im
       Plattenbau-Stadtteil Gorbitz gab es einen Brandanschlag in einer Straße, wo
       Asylbewerber dezentral untergebracht sind.
       
       Diesem Ungeist wollte eine ganzseitige Anzeige begegnen, die zum Wochenende
       in den Tageszeitungen erschien und die von mehreren hundert Akademikern,
       Künstlern, Unternehmern und anderen Persönlichkeiten finanziert und
       unterschrieben wurde. Sachsens scheidender Ausländerbeauftragter Martin
       Gillo (CDU) trat zum Schluss der Gegendemo, die eher Pro-Demo genannt
       werden wollte, mit einem Plakat auf. Es zeigte die Symbole der
       Weltreligionen und der Friedensbewegung nebeneinander und auf Augenhöhe
       vereint.
       
       16 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Bartsch
       
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