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       # taz.de -- Kolumne Geht's noch: Die unzulängliche Frau
       
       > Ein Gynäkologie-Professor fordert bezahlten Menstruationsurlaub. Klingt
       > nett. Doch der Ausschluss menstruierender Frauen hat Tradition.
       
   IMG Bild: Menstruieren ist nach wie vor ein gesellschaftliches Tabu.
       
       Eine brillante Idee hatte der britische Professor Gedis Grudzinskas auf dem
       „Festival of Ideas“ der Cambridge University: den bezahlten
       Menstruationsurlaub. Drei freie Tage sollen Frauen demnach jeden Monat
       zustehen. Ganz schön nett oder?
       
       Diese Idee knüpft allerdings nahtlos an eine jahrhundertealte Tradition an,
       nach der menstruierende Frauen aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden.
       Symbolisch ging es hier um den generellen Ausschluss – denn Frauen, die ja
       wegen ihrer Gebärfähigkeit als Frauen galten, menstruierten ja.
       
       Entsprechend regulier(t)en Religionen die Rolle der Frau durch
       Menstruationsvorschriften; im Christentum und Judentum etwa gelten
       Menstruierende als unrein und von gemeinschaftsstiftenden Ritualen
       ausgeschlossen. In vielen Stammesgemeinschaften gibt es noch immer
       abgeschiedene Menstruationshütten.
       
       Heute aber braucht es einen Gynäkologieprofessor, der diese Tradition als
       ambitionierte, angeblich neue Idee aufleben lässt. Und er liefert damit den
       Beleg, dass Frauen in der Lohnarbeitswelt auch weiter symbolisch – wenn man
       sich die Zahl der Frauen in einflussreichen Positionen anschaut auch real –
       Steine in den Weg gelegt werden.
       
       Erstaunlich ist allerdings, dass sich so viele Frauen in den sozialen
       Netzwerken für den Urlaub qua Frausein begeistern konnten. Klar, in der
       Öffentlichkeit ist das Menstruieren immer noch mit einem Tabu belegt.
       Schön, wenn sich das ändern würde.
       
       Die Forderung nach einem Menstruationsurlaub allerdings verändert die
       Debatte um Gleichberechtigung radikal. Statt die ausstehende Lohngleichheit
       durchzusetzen oder die Bezahlung von Care-Arbeit, wird den Frauen ein
       Trostpflaster angeboten – das sie aus Furcht vor den Nachteilen ohnehin
       nicht in Anspruch nehmen würden.
       
       Zunächst ist so etwas wie ein Freitzeitäquivalent für den Pay Gap nett.
       Aber angesichts dieser traditionsreichen Geschichte von der Besonderheit,
       also der „Unzulänglichkeit“ der Frau in der Arbeitswelt?
       
       Nein, danke.
       
       12 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sonja Vogel
       
       ## TAGS
       
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