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       # taz.de -- Grüne streiten über Atommüll: „Je schneller, desto gorlebener“
       
       > Während Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck aufs Tempo
       > drückt, plädiert Niedersachsen für Sorgfalt bei der Endlagersuche.
       
   IMG Bild: Wenigstens die niedersächsischen Grünen sind sich einig: Bei der Endlagersuche soll Sorgfalt vor Geschwindigkeit gehen
       
       BREMEN taz | Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) hält
       nichts von einem überstürzten Vorgehen bei der Endlagersuche. „Die
       Hauptsache ist eine Verständigung auf realistische Zeitpläne“, sagte Wenzel
       der taz. Anlass war ein Vorstoß seiner grünen Amtskollegen Franz
       Untersteller (Baden-Württemberg) und Robert Habeck (Schleswig-Holstein)
       gewesen.
       
       Die beiden hatten einen gemeinsamen Brief verfasst. Adressatin: Die
       Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). „Grünen-Umweltminister
       fordern mehr Tempo bei Endlagersuche“, hatte die DPA den Inhalt resümiert.
       
       Aus niedersächsischer Sicht ist das ein Problem. Denn vom jetzigen
       Verfahren erwarte er, dass „die Sicherheitsanforderungen und
       Sicherheitskriterien, samt Analyse der Fehler der Vergangenheit, erarbeitet
       werden“, so Wenzel. Dabei müssten „alle denkbaren Pfade für eine sichere
       Lagerung wissenschaftlich bearbeitet werden“.
       
       Das lässt sich nicht mit einem forcierten Tempo durchziehen. Deshalb ist
       Konsens in Niedersachsen, dass bei der Endlagersuche der Grundsatz
       „Sorgfalt vor Geschwindigkeit“ gelten müsse. Wenzel selbst hatte den noch
       Anfang Oktober beschworen – bei einer Diskussionsveranstaltung im Wendland.
       
       ## Norden besser erforscht
       
       Dort legt man besonderen Wert darauf. Denn dort ahnt man, dass „bei der
       Endlagersuche gilt, je schneller, desto gorlebener“, wie der Vorsitzende
       der Bürgerinitiative Umweltschutz, Wolfgang Ehmke zusammenfasst. Je kürzer
       der Zeitraum fürs Verfahren, desto kleiner sei die Chance, den
       Wissensvorsprung in Bezug auf Gorleben einzuholen – das seit bald 40 Jahren
       erkundet wird. „Durch die Datenmenge schlägt Gorleben jeden anderen
       Standort“, so Ehmke mit einem Anflug von Sarkasmus.
       
       Das ist ein zumindest realistisches Szenario: Habeck selbst hatte im
       September in der Endlagersuch-Kommission gefragt, ob man denn nicht vor
       einer Entscheidung für vergleichbare Kenntnisse über die zu betrachtenden
       Standorte sorgen müsse – weil Norddeutschlands Untergrund weitaus besser
       erforscht ist, als der des Südens.
       
       Das Anliegen hatte Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) daraufhin
       als „legitim“ bezeichnet. Es sei aber „natürlich eine Frage der Zeit,
       inwieweit man in der Lage ist, Untersuchungen, die sich bisher auf
       bestimmte Bereiche konzentriert haben, auszudehnen“, heißt es im Protokoll
       der Sitzung.
       
       Umso erstaunlicher nun der Tempo-Vorstoß aus Kiel. Mit dem Verweis auf die
       „grundsätzliche Verantwortung“, begründet Habeck auf Nachfrage. Es sei „die
       Aufgabe unserer Generation, dieses immense Problem zu lösen und nicht
       einfach immer nur aufzuschieben, um nicht andere Generationen in die
       gleiche Lage zu bringen“, so Habeck ganz in der Tradition grüner Rhetorik.
       
       ## Keine Lösung in Sicht
       
       „Statt darüber zu lamentieren, warum es länger dauert, sollten wir die
       Bedingungen dafür schaffen, dass wir im gesetzlichen Zeitplan bleiben“,
       hatte die DPA Habeck mit einer rockigen Parodie des Öko-Kalenderspruchs vom
       angezündeten Licht und der Klage im Dunkeln zitiert.
       
       „Zeitdruck ist hier gefährlich“, kontert jedoch Rebecca Harms, Vorsitzende
       der Grünen-Fraktion im Europaparlament – und eine der Protagonistinnen des
       Wendland-Widerstandes. Selbstverständlich dürfe man nichts verschleppen.
       „Aber man muss sich in der Endlagerfrage die Zeit nehmen, die man braucht.“
       Und sie mahnte „eine Verständigung auf die gemeinsamen Ziele“ an – zumal
       angesichts konflikthafter Länderinteressen.
       
       Tatsächlich haben Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg ein gemeinsames
       Problem mit den Zwischenlagern, deren Betriebsgenehmigungen auslaufen:
       Hinzu kommt, dass auch für die Abrissabfälle der stillgelegten Atommeiler,
       die ursprünglich in Schacht Konrad hätten eingelagert werden sollen, keine
       Lösung in Sicht ist.
       
       Ihm sei wichtig, dass die bestehenden Zwischenlager „nicht schleichend zu
       Endlagern werden“, betont Habeck. Es wäre „absurd“, wenn nach der Demontage
       der Atomkraftwerke „auf Jahrzehnte Zwischenlager noch verstreut in der
       Republik“ stünden.
       
       In dieser Frage herrscht tatsächlich Konsens: Untersteller und Habeck
       „verweisen zu Recht auf die alten Zusagen beim Bau der Zwischenlager“,
       bestätigt auch Wenzel. Doch die Frage steht ohnehin unabhängig von der
       Arbeit der Endlager-Kommission an: Alle Zwischenlagergenehmigungen sind auf
       40 Jahre befristet. Eine Entscheidung über deren Verlängerung muss damit
       vor der vom Endlagersuchgesetz vorgegebenen Frist für die Standortauswahl
       gefällt werden.
       
       8 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Schirrmeister
       
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