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       # taz.de -- Der Jahresrückblick „Menschen 2014“: Die Lanz'sche Verkrampftheit
       
       > Das ZDF verbreitet mit „Menschen 2014“ ein
       > Alles-ist-doch-ganz-okay!-Mantra. Beim Thema Politik wechselt Lanz
       > routiniert das Thema.
       
   IMG Bild: Der brasilianische Fußballfan Clovis Acosta Fernandes und der Moderator Markus Lanz.
       
       Es ist Dezember. Jahresrückblickssaison. Markus Lanz mag zwar zwischen
       Wagenknecht-Kontroverse und dem Ende von „Wetten, dass..?“ ein eher
       durchwachsenes 2014 gehabt haben, mit der großen
       ZDF-Volksberuhigungssendung „Menschen 2014“ durfte er dennoch den
       alljährlichen Show-Reigen eröffnen.
       
       Den Anfang machte ein mehr als halbstündlicher Rückblick auf die
       Fußball-WM. Kolportierte 180 Millionen Euro hatten die Übertragungsrechte
       ARD und ZDF einst gekostet. Für die Sendung wurde nun anscheinend jeder
       Cent rückwirkend ausgepresst. Die Weltmeister Mario Götze und Jérôme
       Boateng blieben zwar gewohnt blass, der mit im nachgestellten Auto-Corso
       angereiste DFB-Präsident Wolfgang Niersbach ließ aber immerhin
       durchblicken, dass die beiden glatten Medienprofis in der Finalnacht dem
       Alkohol nicht abgeneigt waren. Brisant!
       
       Spezialdisziplin des Abends jedoch: Anwesende nicht zu Wort kommen lassen,
       indem man einfach selbst über sie spricht. Bob Geldorf lobte den
       Ebola-Helfer Nicholas Aschoff („Ihr müsst uns dabei helfen, ihm zu
       helfen.“) derart ausführlich, dass am Ende doch nur Band Aid-Promo, statt
       konkreter Spendemöglichkeiten zurückblieb.
       
       Und nicht der Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger selbst bekam den
       Applaus für „Das Outing des Jahres“, sondern der nochmals zurückgekehrte
       Niersbach: „Wir waren uns relativ schnell einig, dass es in unserem
       Verhältnis ein normaler Schritt ist.“ Lanz floskelte später pflichtbewusst,
       dass es eigentlich „traurig“ sei, dass man noch über so etwas sprechen
       müsse.
       
       ## Die fehlenden Fahrradbremse
       
       Diese typisch Lanz'sche Verkrampftheit wurde nur selten durchbrochen. Als
       Komikerin Carolin Kebekus noch Helene Fischer für ein Frauenideal der
       Niedlichkeit und Angepasstheit kritisierte, konstatierte Lanz plötzlich
       höchstselbst einen Trend zum gleichförmigen, farblosen Gesichtsausdruck.
       Eine bemerkenswerte Langzeitbeobachtung für einen notorischen
       Gegenüber-Ignorierer, der etwa den Kölner Bogdan Ionescu über „Das
       Knöllchen des Jahres“ interviewte, ohne dabei überhaupt auch nur einmal an
       das Wort „Diskriminierung“ zu denken. Dem Mann wurde von einem Polizisten
       ein Bußgeld aufgebrummt, wegen einer fehlenden Fahrradbremse rechterhand –
       jener Seite, an der Ionescu vor Jahren bei einem Unfall ein Arm abgetrennt
       wurde.
       
       Ansonsten: Lanz fragte entweder „ganz direkt“ oder „ganz persönlich“ – den
       Astronauten Alexander Gerst etwa nach dem Fußball-TV-Empfang auf der ISS,
       den Politiker Wolfgang Bosbach nach seinem „Wer wird Millionär?“-Besuch,
       fand das alles „hochemotional“ und bedankte sich natürlich „sehr, sehr
       herzlich“.
       
       Herzlich egal war bei „Menschen 2014“ wiederum die Politik. Als Bosbach,
       immerhin Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag, beklagte, aufgrund
       von finanzmarktbedingtem Zeitdruck, umfangreiche Papiere „nicht so
       durchzuarbeiten können, wie ich es eigentlich hätte tun müssen, hätte ich
       meiner Verantwortung gerecht werden wollen“, wechselte Lanz routiniert das
       Thema. NSA, Ukraine-Konflikt und AFD tauchten zwar noch sekundenkurz in
       einem satirischen Rückblick auf; IS, „HogeSa“, Zuwanderungsdebatte etc.
       fanden hingegen erst gar nicht statt.
       
       Immerhin: Drei der über 150 Sendeminuten wurden der Aktion „Rechts gegen
       Rechts“ gewidmet. Heute, wo einerseits allerorten gerne eine neue
       Unübersichtlichkeit beklagt wird und gleichzeitig gerade der
       öffentlich-rechtliche Journalismus scharf in der Kritik steht, ließ das ZDF
       ansonsten lieber ein Alles-ist-doch-ganz-okay!-Mantra verbreiten, anstatt
       das Jahr tatsächlich rückblickend zu strukturieren. Dass das Günther Jauch
       es am Sonntag auf RTL („2014! Menschen, Bilder, Emotionen“) anders machen
       wird, ist allerdings auch nicht zu erwarten.
       
       6 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thomas Vorreyer
       
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