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       # taz.de -- Jahrestreffen der OSZE in Basel: 57 Länder reichen nicht zum Frieden
       
       > Die Organisation reicht über die Machtblöcke hinweg. Im Ukraine-Konflikt
       > hat sie jedoch wenig ausgerichtet. Wer hat sie so geschwächt?
       
   IMG Bild: Die Spitzen der OSZE, rechts der Schweizer Präsident Didier Burkhalter.
       
       BASEL taz | Die Außenminister von 57 Staaten trafen sich bis Freitag in
       Basel. Sie repräsentieren die Organisation für Sicherheit und
       Zusammenarbeit in Europa (OSZE), im Prinzip also die Friedenssicherer des
       Kontinents. Neben allen europäischen Staaten (außer dem Kosovo) sind noch
       die USA und Kanada dabei, dazu die Nachfolgestaaten der Sowjetunion sowie
       Mongolei und Türkei.
       
       Seit den jugoslawischen Zerfallskriegen in den 90er Jahren hat kein Thema
       diese Organisation so stark beschäftigt wie der Ukrainekonflikt im jetzt
       ablaufenden Jahr der Schweizer OSZE-Präsidentschaft. Der Konflikt
       beherrschte in den beiden letzten Tagen auch die Basler Konferenz.
       
       Das Ergebnis des vielfältigen OSZE-Engagements im Ukrainekonflikt ist
       allerdings dürftig. Die ständige gewaltsame Eskalation des Konflikts mit
       inzwischen rund 4.500 Toten und fast einer halben Million Flüchtlingen aus
       der Ostukraine und der von Russland völkerrechtswidrig annektierten Krim
       konnte die OSZE nicht verhindern. Der Anfang September in Minsk unter
       Vermittlung der OSZE vereinbarte Waffenstillstand für die Ostukraine wurde
       von den Konfliktparteien ebenso wenig eingehalten wie andere Abmachungen
       und Zusagen.
       
       ## Mit der Osterweiterung der Nato fing es an
       
       Selbst ihre Aufgabe der Konfliktbeobachtung konnte die OSZE bislang nur
       sehr unzureichend erfüllen. Grund für dieses dürftige Ergebnis sind die
       schon seit vielen Jahren völlig unzureichenden finanziellen, personellen
       und logistischen (Transportmittel etc.) Ressourcen, die die
       Teilnehmerstaaten der OSZE zur Verfügung stellen.
       
       Die westlichen Staaten lassen bereits seit ihrer Entscheidung zur
       Osterweiterung der Nato Ende der 90er Jahre die OSZE politisch und
       materiell am ausgestreckten Arm verhungern. Mit dem Kosovokrieg von 1999
       verletzten und schwächten die Nato-Staaten zudem grundlegende OSZE-Normen
       wie den Gewaltverzicht. Russlands Annexion der Krim sowie die hybride
       Kriegsführung in der Ukraine zeigen, dass auch Moskau sich trotz aller
       rhetorischen Bekenntnisse zur OSZE kaum mehr um die Normen dieser
       Organisation schert. Überdies ist die OSZE im Ukrainekonflikt politisch
       besonders stark blockiert, da die drei Schwergewichte Russland, die
       EU-Staaten und die USA zu den Konfliktparteien gehören.
       
       Anfang März beschloss der „Ständige Rat“ der 57 Botschafter in der Wiener
       OSZE-Zentrale mit dem laut Satzung erforderlichen Konsens zunächst einmal
       für sechs Monate die Entsendung von bis zu 500 Konfliktbeobachtern (Special
       Monitor Mission, SMS). Bereits diese Zahl war angesichts der Größe der zu
       beobachtenden Konfliktregion viel zu gering. Und da die Staaten nur sehr
       zögerlich Personal zur Verfügung stellten, waren bis Juli lediglich 100
       Beobachter tatsächlich vor Ort.
       
       ## 300 Beobachter plus kleine Teams
       
       Angesichts der Eskalation des Konflikts wurde die Beobachtermission im
       Oktober zwar bis März 2015 verlängert. Doch nach wie vor befinden sich nur
       knapp 300 OSZE-Beobachter in der 600.000 Quadratkilometer großen Ukraine.
       Und ihre Bewegungsfreiheit ist entgegen den gültigen OSZE-Regeln für
       derartige Missionen sowie ausdrücklichen Zusagen der Konfliktparteien
       weiterhin erheblich eingeschränkt.
       
       Von russischstämmigen Bewaffneten völlig verhindert wurde der Zugang der
       OSZE-Beobachter zur Krim im Vorfeld des mit Hilfe von Soldaten und Waffen
       aus Russland durchgesetzten Abspaltungsreferendums vom 18. März. Sein
       Ergebnis ist allein schon aus diesem Grund rechtlich null und nichtig.
       
       Zusätzlich zu der vom „Ständigen Rat“ entsandten Beobachtermission forderte
       die ukrainische Regierung ab März mehrfach bilateral bei den Regierungen
       anderer OSZE-Staaten kleine Teams von unbewaffneten Militärbeobachtern an.
       Grundlage dafür ist eine OSZE-Vereinbarung über gegenseitige
       vertrauensbildende Maßnahmen von Anfang der 90er Jahre. Ende April nahmen
       russischstämmige Rebellen in der Ostukraine ein siebenköpfiges Team von
       solchen Militärbeobachtern aus Deutschland, Polen, Tschechien und Dänemark
       gefangen, zusammen mit ihren fünf ukrainischen Begleitsoldaten. Die
       Geiselnehmer behaupteten, die sieben Beobachter seien Spione. Ein völlig
       unhaltbarer Vorwurf, den sich aber auch Politiker der Linkspartei in
       Deutschland zu eigen machten und der zu einem Imageschaden für die OSZE
       führte.
       
       ## Das Mandat zur Überwachung der Grenze
       
       Zur Beobachtung der Präsidentschaftswahlen vom 26. Mai entsandte das „Büro
       für demokratische Institutionen und Menschenrechte“ der OSZE Wahlbeobachter
       ebenso wie zu den Parlamentswahlen vom 26. Oktober.
       
       Ein kleiner, aber mutmaßlich zu später Erfolg gelang der OSZE in der
       letzten Novemberwoche. Auf ihre Vermittlung erlaubten die russischstämmigen
       Rebellen niederländischen Ermittlern erstmals den Zugang zu einigen
       Absturzstellen von Trümmern des malaysischen Passagierflugzeuges, das am
       17. Juli über der Ukraine abgeschossen wurde. Allerdings herrscht auch bei
       der OSZE die Befürchtung , dass alle Trümmerteile, die Aufschluss darüber
       geben könnten, wer die Maschine abgeschossen hat, inzwischen längst
       beseitigt worden sind.
       
       Fast völlig gescheitert ist die OSZE mit der Aufgabe, die Grenze zwischen
       Russland und der Ukraine zu überwachen und den Verkehr von Waffen,
       militärischem Personal sowie Hilfsgüterkonvois zu registrieren. Ein
       entsprechendes Mandat hatte der „Ständige Rat“ der 57 Teilnehmerstaaten
       erstmals am 24. Juli beschlossen.
       
       Die Grenze ist 2.300 Kilometer lang, davon gelten 500 Kilometer als
       kritisch. Bis Ende November waren entlang der gesamten Grenze jedoch
       lediglich 16 OSZE-Beobachter stationiert – und das auch nur an den beiden
       offiziellen Übergängen Gukowo und Donezk (dem russischen Grenzort, nicht
       der gleichnamigen ukrainischen Großstadt). Allein an diesen beiden Posten
       registrierten die OSZE-Beobachter in der zweiten Novemberwoche 665 Männer
       in Militärkleidung, die in beide Richtungen die Grenze überquerten.
       
       ## Jetzt sind es 22 Mann auf 500 Kilometer
       
       Am 23. November wurde die Grenzmission der OSZE noch einmal um einen Monat
       verlängert und auf 22 Beobachter für die 500 Kilometer aufgestockt.
       Inzwischen wird der OSZE immer häufiger sowohl von Russland und den
       russischstämmigen Rebellen als auch von der ukrainischen Regierung
       Parteinahme für die jeweils andere Seite vorgeworfen. Auch häuften sich in
       den letzten Wochen die gewaltsamen Angriffe auf OSZE-Beobachter mit dem
       Ziel, sie einzuschüchtern, ihre Bewegungsfreiheit einzuschränken und sie
       von Inspektionen abzuhalten.
       
       Auf der Außenministertagung in Basel gab es schließlich keine
       substanziellen Beschlüsse, um die Handlungsfähigkeit der OSZE durch
       zusätzliche materielle und personelle Ressourcen zu stärken. Nach Angaben
       von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wurde lediglich „eine
       Expertengruppe eingesetzt, die darüber beraten soll, wie die OSZE ihre
       Arbeit effektiver gestalten kann“. Geleitet werden soll die Gruppe von dem
       deutschen Exdiplomaten und derzeitigen Direktor der Nato-nahen „Münchner
       Sicherheitskonferenz“, Wolfgang Ischinger. Nach Serbien im kommenden Jahr
       übernimmt Deutschland 2016 die OSZE-Präsidentschaft.
       
       5 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Zumach
       
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