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       # taz.de -- Prozess gegen Femen-Aktivistin: 600 Euro pro Brust
       
       > Josephine Witt muss für den weihnachtlichen Nacktprotest im Kölner Dom
       > Strafe zahlen. Nochmal würde sie die Aktion nicht machen.
       
   IMG Bild: „Es ging mir nicht darum, den Gottesdienst zu stören.“ Josephine Witt im Amtsgericht Köln.
       
       KÖLN taz | Josephine Witt hat mit ihren [1][Femen-Protest im Kölner Dom]
       die freie Religionsausübung gestört und muss dafür 1.200 Euro Strafe
       zahlen. Das entschied das Amtsgericht Köln am Dienstag.
       
       Die damals 20-Jährige saß am ersten Weihnachtsfeiertag 2013 in einem
       Ledermantel und mit Kopftuch bedeckt in der ersten Reihe des Kölner Doms.
       Als die Messe anfing, streifte sie die Kleidung ab und [2][sprang, nur in
       einem schwarzen Slip, auf den Altar]. Auf ihre nackte Brust hatte sie mit
       schwarzer Farbe geschrieben „I am God“: Ich bin Gott. Nach wenigen Sekunden
       kam das Dom-Sicherheitspersonal, die sogenannten Domschweizer. Witt sprang
       ohne sich zu wehren von dem Altar, die Domschweizer trugen sie in einen
       Nebenraum. Der Altar wurde neu geweiht.
       
       Die Aktivistin wollte gegen das Frauenbild der katholischen Kirche, gegen
       Abtreibung und abfällige Äußerungen des Kardinals Meisner gegenüber
       Minderheiten protestieren. „Es war eine politisch motivierte Unterbrechung
       und es ging mir nicht darum, den Gottesdienst zu stören“, sagte sie vor dem
       Gericht. Sie selbst ist evangelisch, glaubt aber nicht an einen Gott. Sie
       sieht sich als sozialisierte Christin. „Die Nacktheit verträgt sich mit
       dem, was ich sonst in der Kirche sehe. Es ist die Reinheit der Schöpfung.“
       Michelangelos Fresken in der Sixtinischen Kapelle zeigten auch nackte
       Menschen.
       
       Die Frau war erstaunt über die Art und Weise, wie Kirchenvertreter mit ihr
       umgingen. Sie hätten sie bekehren wollen und ihr Gewalt angetan. Sie selbst
       hatte Strafanzeige gegen einen Gläubigen gestellt, [3][der ihr bei der
       Aktion ins Gesicht schlug]. Der Mann zahlte dafür eine Geldstrafe von 500
       Euro und schrieb einen Entschuldigungsbrief.
       
       ## Ein geschützer Raum für Religion
       
       Das Erzbistum hatte Anzeige gegen die Aktivistin erstattet. Der Kirche ging
       es dabei um freie Religionsausübung und ein friedliches Zusammenleben. Die
       nackte, schreiende Frau auf dem Altar habe auf Kinder und Jugendliche
       traumatisierend gewirkt, sagt der Domprobst vor der Verhandlung.
       
       Das Gericht hatte zu entscheiden, inwiefern die freie Meinungsäußerung
       rechtfertigt, die Freiheit der Religionsausübung zu stören. Der Staat müsse
       gewährleisten, dass Menschen in einem geschützten Raum ihrer Religion
       nachgehen können, sagte der Staatsanwalt. Wer in dieses Recht eingreife,
       müsse mit einer Strafe rechnen. Man könne den Religiösen nicht sagen, sie
       müssten den Protest Andersdenkender eben hinnehmen. „Sie haben keine
       Vorstellung davon, wie tief Sie die Gläubigen verletzt haben.“
       
       Witts Rechtsanwältin beantragte Freispruch. Die Störung sei nicht grob
       gewesen, da die Messe schnell fortgeführt werden konnte.
       
       Vor dem Prozess kritisierten die Femen die mögliche Strafe auf ihrer
       Internetseite. Die Gefängnisstrafe erinnere an den Protest von Pussy Riot
       in einer russisch-orthodoxen Kirche in Moskau. In Deutschland kann die
       Störung der Religionsausübung bis zu drei Jahre Haft geben – wenn das
       Erwachsenenstrafrecht gilt.
       
       ## Eine von mehreren Aktionen
       
       Ob das Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht angewendet werden sollte, war
       fraglich, da Witt zur Tatzeit 20 Jahre alt war. Mit 18 hatte sie ihr Abitur
       gemacht und dann acht Monate in Bolivien für eine Hilfsorganisation
       gearbeitet. „Die Eltern leben noch zusammen, es gibt keinerlei
       Entwicklungsverzögerungen“, sagte der Richter.
       
       Es war [4][nicht ihre erste Aktion], Witt protestierte bereits topless mit
       der Aufschrift „Fuck Dictator“ bei einem Besuch Putins. Für einen Protest
       in Tunesien wurde sie dort für mehrere Wochen inhaftiert.
       
       Es sei klar, dass sie die Aktion geplant hat und keine pubertären
       Verhaltensweisen eine Rolle gespielt haben, sagte der Richter. Er wendete
       das Erwachsenenstrafrecht an, verurteilte Witt aber zu einer Geldstrafe von
       60 Tagessätzen zu je 20 Euro. Ihr wurde zugutegehalten, dass sie die Tat in
       der Sache gestanden und ideologisch motiviert gehandelt hat. Die Frau
       bestritt, durch die Veröffentlichung der Fotos Geld verdient zu haben.
       
       Witt studiert Zahnmedizin, erhält Bafög und arbeitet in einem Café. Ob sie
       die 1.200 Euro zahlen oder in Revision gehen wird, will sie mit ihrer
       Anwältin beraten. „Ich glaube, dass der allgemeine Kirchengänger mehr
       Verständnis für meine Aktion zeigt als die Obrigkeit“, sagte sie am Ende
       der Verhandlung. Nochmal würde sie die Aktion nicht machen. „Das wäre
       langweilig, da es den Protest schon gegeben hat.“
       
       3 Dec 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /!129958/
   DIR [2] http://www.youtube.com/watch?v=6ANEAetrNXs
   DIR [3] /!130257/
   DIR [4] /!131289/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julia Neumann
       
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