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       # taz.de -- Umgesetzte Behindertenrechtskonvention: Endlich menschengerecht
       
       > Bremen setzt die UN-Behindertenrechtskonvention endlich um. Für eine
       > umfassende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist allerdings noch viel
       > zu tun.
       
   IMG Bild: Immer wieder müssen behinderte Menschen in Bremen für ihre Rechte auf die Straße gehen.
       
       Bremen macht einen großen Schritt zur Umsetzung der
       UN-Behindertenrechtskonvention (BRK). Am Dienstag hat der Senat einen
       „Landesaktionsplan“ beschlossen, der die gleichberechtigte Teilhabe für
       Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen in Bremen zum Ziel hat.
       AktivistInnen und BehindertenvertreterInnen hatten das seit Jahren
       gefordert.
       
       Bremen ist eines der letzten Bundesländern, das auf die BRK reagiert. Die
       UN-Konvention trat in Deutschland bereits vor fünf Jahren in Kraft.
       „Inklusion“ wird darin als umfassend begriffen – und eine Anpassung nicht
       von Menschen mit Behinderung, sondern von der Gesellschaft eingefordert.
       
       Dass dafür nicht nur viel Umdenken nötig ist, sondern auch viel Arbeit in
       den Behörden, beweisen die fast 130 Seiten des Aktionsplanes: Auch die
       letzten sieben der 26 Bremer Bahnhöfe sollen barrierefrei werden,
       mehrstöckige Neubauten rollstuhlgerechte und „sprechende“ Fahrstühle für
       Menschen mit Sehbeeinträchtigungen haben müssen. Ein „Budget für Arbeit“
       ist – zunächst für 20 Arbeitsplätze – vorgesehen.
       
       Durch Lohn-Zuschüsse sollen damit auch voll erwerbsgeminderte Menschen in
       den regulären Arbeitsmarkt integriert werden können. Und die Polizei soll
       sich etwas überlegen, wie sie im Falle einer Festnahme eines Gehörlosen
       zukünftig verhindert, dass ihm durch Fesselung der Hände und Arme jegliche
       Kommunikationsmöglichkeit geraubt wird.
       
       „Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe ist das Hauptziel des Aktionsplans“,
       sagte Sozialstaatsrat Horst Frehe (Grüne). Darauf wurde schon bei der
       Erarbeitung des Planes geachtet: Zwei Jahre untersuchte ein Kreis aus
       ExpertInnen alle Lebensbereiche – Menschen mit Behinderung arbeiteten
       maßgeblich mit und sollen weiterhin diejenigen sein, die die Umsetzung
       überprüfen.
       
       Voran geht Bremen auch bei den Rechten psychisch-kranker Menschen, die der
       Aktionsplan ganz im Sinne der Behindertenrechtskonvention
       mitberücksichtigt: Wie bei anderen Menschen mit Behinderung sollen auch
       hier stationäre Einrichtungsplätze reduziert und die ambulante Versorgung
       gestärkt werden. Nach dem Vorbild des Krankenhauses Klinikum Reinkenheide
       in Bremerhaven sollen Psychiatrieerfahrene möglichst auch in Bremen als
       Genesungshelfer eingesetzt werden und die Psychiatriereform insgesamt
       weiter unterstützt werden.
       
       Landesbehindertenbeauftragte Joachim Steinbrück sieht vor allem im Hotel-
       und Gaststättengewerbe Nachholbedarf. Hier fehle es an barrierefreien
       Hotelzimmern. Die Quote in Bremen liegt bei etwa einem Prozent – in Berlin
       ist dagegen jedes zehnte Zimmer barrierefrei. Unter anderem zog deshalb die
       „Internationale Reha- und Mobilitätsmesse (Irma) von Bremen nach Hamburg.
       
       Wie Steinbrück fordert Dieter Stegmann, Vorsitzender der
       „Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe behinderter Menschen“ eine Quote von
       mindestens fünf Prozent. Darüber werde nun mit dem Hotel- und
       Gaststättenverband verhandelt.
       
       Stegmann hat an dem Aktionsplan mitgearbeitet und ist damit „zufrieden“.
       Gleichwohl sind einige Fragen „noch nicht zufriedenstellend beantwortet,
       etwa die der barrierefreien gynäkologischen Praxen“, so Stegmann. Bislang
       gibt es nur eine im Klinikum Bremen-Mitte. „Solche Praxen sollten
       stadtteilbezogen eingeführt werden“. Durch den Aktionsplan sei der Druck,
       die UN-Konvention auch umzusetzen, deutlich erhöht worden. Er betonte
       Bremens Erfolge im Bereich des barrierefreien öffentlichen Nahverkehrs und
       der schulischen Inklusion.
       
       Steinbrück allerdings sieht die Gefahr, dass Bremen sich auf seinen
       Lorbeeren zu sehr ausruhe: „Die Weichenstellung für die Inklusion im
       Schulgesetz war vorbildlich, aber die ressourcenmäßige Absicherung ist
       durchaus kritikwürdig“, so Steinbrück. Tatsächlich bestätigte eine Studie
       im Frühjahr 2014, dass Bremen mit einem Umfang von 63,1 Prozent inklusiver
       Beschulung bundesweit Vorreiter ist. Allerdings fordert unter anderem die
       Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft deutlich mehr Behindertenpädagogen
       in Bremen und beziffert den Mehrbedarf auf 20 Millionen Euro.
       
       2 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jean-Philipp Baeck
       
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